Seit dem 1. November dürfen sich die Einwohner der französischen Metropole Toulouse über eine angenehme Überraschung freuen: Der Wasserpreis ist um 30 Prozent gesunken – weil der Winter begann. Der wahre Grund aber ist die „saisonale Wasserpreisgestaltung“, die seit Juni 2024 in Kraft ist und der nachhaltigen Nutzung der Wasserressourcen der Region Garonne dienen soll. Den Impuls gab der niemand geringeres als der französische Präsident Emanuel Macron, der angesichts der Wasserkrise in Frankreich forderte, die Wasserverbräuche um 10 Prozent zu reduzieren. Macron empfahl auch, die Preissysteme anzupassen. In Deutschland befassen sich Wasserversorger und Politiker ebenfalls mit derartigen zeitvariablen Wasserentgelten. Vielleicht hilft bei den Überlegungen das von mir nachfolgend dargestellte Beispiel aus Toulouse.
Hybrides Instrumentarium zum Wassersparen mit saisonalen Tarifen
Im Frühjahr letzten Jahres hatte sich der französische Präsident Emanuel Macron des Themas Wassersparen angenommen. Frankreich hatte nicht nur mehrere trockene Sommer hinter sich gebracht, in denen die Atomkraftwerke wegen Kühlwassermangels zeitweise abgestellt werden mussten, das Land erlebte auch den trockensten Winter seit 64 Jahren. Daher verkündete Macron mit dem plan d’eau Sparziele für den Wasserverbrauch. Demzufolge sollen die Wasserverbräuche in Haushalten und Industrie landesweit um bis 2030 um zehn Prozent gesenkt werden.
Toulouse gehört dabei zu den Städten in denen der Wasserverbrauch vergleichsweise hoch ist. Mit einem täglichen Durchschnittsverbrauch von 180 Litern pro Kopf der 775.000 Einwohner liegt die Metropole und dazugehörigen Gemeinden rund 20 Prozent über dem durchschnittlichem Niveau in Frankreich mit 149 Litern, allerdings sehr deutlich höher als die Verbräuche hierzulande mit 121 Litern täglich. Übrigens verzeichnet Toulouse auch über sehr hohe Wasserverluste in den rund 2.700 Kilometer langen Leitungsnetzen. Diese sind etwa doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Die Stadt und ihr natürliche Wasserdargebot liegen in einer Region, die trotz der Lage am Fluss Garonne, einem hohen Wasserstress ausgesetzt ist. Es gibt also offenbar gute Gründe, sich der Wasserverbrauchsthematik anzunehmen.
Die Stadt versucht es bei den Wassernutzern jetzt mit einem hybriden Wassersparinstrumentarium, das sich auf preisliche Sparanreize, technische Sparapplikationen für den Haushalt und wasserbezogene Verbraucheraufklärung stützt. Von besonderem Interesse sind hierbei nun die „saisonalen Tarife“, die den bisherigen linearen Wasserpreis ersetzt haben. Mithilfe saisonal unterschiedlicher Wasserpreise will Toulouse mit Beginn diesen Jahres finanzielle Anreize zur Senkung des Wasserverbrauchs in der trockeneren Sommerzeit geben und mit den jeweiligen Preiswechseln zwischen der Sommer- und der Wintersaison das Bewusstsein für den Wert des Wassers schärfen. Zum Beginn des Winters wird der Wasserpreis dann wieder gesenkt. So wie es am 1. November der Fall war.
Gestartet war die Stadt und der zugehörige Gemeindeverbund am 1. Juni 2024 mit dem Sommertarif. Demzufolge wurden für Verbräuche ab jenem Stichtag saisonale Sommer-Zuschläge von 42 Prozent auf den am 1. Januar 2024 gültigen variablen Wasserpreis in Höhe von 3,34 Euro je Kubikmeter (Basispreis) erhoben. Seit dem 1. November geht es in die andere Richtung. Für die sieben Winter- und Frühjahrsmonate von November 2024 bis Mai 2025 wird der Wasserpreis durch die Winter-Abschläge um 30 Prozent gesenkt. Der jeweilige Basispreis bezieht sich auf den in Frankreich üblichen statistischen Durchschnittsverbrauch in Höhe von 120 Kubikmetern. Der Basispreis wird jeweils zu Jahresbeginn entsprechend der Kostenentwicklung angepasst.
Die nachfolgende Grafik zeigt die spezifischen saisonalen Wasserpreise. Da sich die Erhöhung bzw. die Senkung nicht auf das Abonnement und auf die staatlichen Lizenzgebühren (ausser Mehrwertsteuer) bezieht, ergeben sich die Abweichungen zwischen den Prozentsätzen und den absoluten Beträgen.
Da der Start des neuen Tarifsystems in den „hochpreisigen Sommer“ fiel, galten zunächst die erhöhten Preise. Da nicht alle Verbraucher ihren Verbrauch reduzieren konnten oder wollten, hat die Stadt Mehreinnahmen von 12 Millionen Euro erzielt. Allerdings wurde vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Überschüsse in einem sogenannten Clearingfonds bleiben, um mit den angesparten Mitteln die Einnahmeverluste im Winter, wenn die geringeren Preise gelten, ausgleichen zu können. Genau daran entbrannte auch die Kritik. Denn (auch) in Frankreich gibt es Kämmerer, die sich an solchen Einnahmen bedienen, um den Haushalt zu sanieren.
Presseberichten zufolge sorgt die neue Preispolitik für geteilte Meinungen unter den Toulousains. Während einige die Initiative als einen sinnvollen Schritt zur Schonung der Wasserressourcen sehen, empfinden andere die drastische Preiserhöhung als unangemessen. Besonders für Familien mit Garten und Pool könnte die finanzielle Belastung erheblich sein, denn gerade in den Sommermonaten steigt der Wasserbedarf für die Gartenbewässerung und Poolbefüllung an. Aber um diesen Trinkwassereinsatz zu reduzieren oder durch Regenwasser zu ersetzen, wurden die Saisonalen Tarife ja eingeführt. Laut Berechnungen könnte die jährliche Mehrbelastung für solche Haushalte über 83 Euro betragen, während für durchschnittliche Familien mit nur 120 Kubikmeter jährlicher Wasserabnahme keine Mehrkosten entstehen sollen.
Erste Sparerfolge werden gefeiert
Egal, für die zurückliegenden Sommermonate ziehen städtische Vertreter jedenfalls schon eine positive Zwischenbilanz. Seit Einführung des Systems zum 1.6.2024 sei der Wasserverbrauch in der Stadt um 526.000 Kubikmeter im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Bezogen auf den Gesamtjahresabsatz in Höhe von 50,7 Millionen Kubikmetern ist diese Einsparung eher gering. Immerhin war dies die eigentlich verbrauchsintensive Sommerperiode. Rechnet man den Fünfmonatszeitraum auf das Gesamtjahr hoch, dürfte man auf eine Einsparung von mal gerade 2 Prozent kommen.
Während die Politik dies als einen „bemerkenswerten Erfolg in der kurzen Zeit seit der Einführung der neuen Preisgestaltung“ feiert, wird man der Ehrlichkeit halber nicht umhin kommen, auch die geringere Trockenheit des Sommers 2024 im Vergleich zu 2023 als Grund für den Nachfragerückgang zu berücksichtigen. Darin liegt auch das Problem für den Wasserversorger und die Planungssicherheit. Bleiben nämlich die Wasserverbräuche wegen regnerischer Sommermonate auf deutlich geringem Niveau, werden möglicherweise die Planansätze für die Umsatzerlöse nicht erreicht. Ebenso natürlich, wenn die Wassersparanreize starke Rückgänge erzeugen. Dann könnte die festgelegte Kompensationsquote mit 30 prozentiger Preissenkung in den Wintermonaten möglicherweise zu hoch ausfallen und die Kommune belasten.
Übrigens sollte nicht verschwiegen werden, dass die Wasserverluste in den öffentlichen Leitungsnetzen von Eau de Toulouse etwa doppelt so hoch sind wie im Durchschnitt aller französischen Wasserversorger. Die gestressten Wasserressourcen lassen sich demzufolge auch durch Maßnahmen an anderen Stellen schonen.
Nicht nur private Haushalte, sondern auch Unternehmen müssen sich auf die veränderte Preisstruktur einstellen und ihre Wasserverbräuche senken. Die Sorge um steigende Betriebskosten ist groß, besonders für Branchen, die auf eine kontinuierliche Wasserversorgung angewiesen sind. Nähere Informationen hierzu liegen mir noch nicht vor.
Einführung von fernauslesbaren Gebäudewasserzählern ein notwendiger Schritt
Abrechnungstechnisch ist das Vorgehen nicht ohne Tücken. Denn der Wasserversorger benötigt die Zählerstände zum jeweiligen Stichtag, um die richtigen Preise ansetzen zu können. Toulouse hatte die Lösung aber bereits vorbereitet. Schon 2017 hatte die Metropole mit dem schrittweisen Rollout von fernauslesbaren Zählern begonnen. Damit können die exakten Zählerstände erfasst und in der Abrechnung des Wasserbezugs durch das versorgte Gebäude berücksichtigt werden. Dort, wo diese noch nicht eingebaut sind, müssen die Kunden die Daten vorübergehend mittels Online-Portal die Daten übermitteln. Aber nur noch kurze Zeit, denn zum anstehenden Jahreswechsel sollen dann planmäßig alle Kundenzähler fernauslesbar sein und damit alle Verbrauchsdaten termingerecht zum Ende der jeweiligen Saison vorliegen. Damit hätte Toulouse eine erste wichtige Voraussetzung geschaffen, um die bezogenen Wassermengen zeitlich differenziert zu erfassen und abzurechnen. Allerdings wird Toulouse nicht umhin kommen, die Abrechnung auch auf der Haushaltsebene anhand von fernauslesbaren Wohnungswasserzählern vornehmen zu lassen. Denn die unterschiedlichen Verbrauchsverhalten in Mehrfamilienhäusern schlagen sich durch die höheren Sommerpreise natürlich noch stärker niedrig, als es bisher schon der Fall war. Das wird letztendlich auch zu individuellen Verbrauchs- bzw. Nebenkostenabrechnungen führen, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Allerdings entstehen damit erhebliche Mehrkosten für die Abrechnungen.
Eine Sensibilisierungskampagne begleitet die Umstellung des Preissystems
Begleitet wird die tarifliche Maßnahme von einer Sensibilisierungs- und Wassersparkampagne, der Écobox (siehe Foto). Dabei handelt es sich um eine Box mit mehreren Wassersparapplikationen für Armaturen an Dusche und Wasserhähnen sowie einem mit Wasser befüllbaren Beutel, der in Toilettenspülung den Durchfluss reduzieren soll. 90.000 dieser Boxen werden an die Haushalte in Toulouse auf Anforderung kostenlos ausgegeben. Mit Hilfe einer vorausgegangenen Probephase waren den Berichten zufolge erfolgversprechende Spareffekte beim häuslichen Wasserverbrauch erzielt worden.
Saisonale Wasserpreissysteme sind auch in anderen Ländern auf dem Vormarsch
Saisonale Wasserpreise sind meines Wissens in Deutschland noch nicht anzutreffen. Auch in Frankreich oder England gab es sie bisher auch noch nicht. Aber seit dem die Wasserknappheit eine reale Bedrohung auf der britischen Insel geworden ist, werden in der englischen Wasserwirtschaft erste Vorbereitungen für die Einführung von saisonalen Wassertarifen getroffen. Mit Billigung der Regulierungsbehörde OFWAT testen einige Versorger in Pilotprojekten verschiedene Preissysteme mit Anreizelementen, so auch saisonale Tarife. South West Water, von dem die Verbraucher in Cornwall und Devon ihr Wasser erhalten, hat eine Testphase begonnen und schon einigen Ärger auf sich gezogen, weil die Möglichkeit daran nicht teilzunehmen (opt-out-option), vom Unternehmen schlecht kommuniziert worden war. Die Kommunikation ist bei Preisumstellungen bekanntlich ein erfolgskritischer Faktor, was ich zurückblickend auf meine eigenen langjährigen Erfahrungen mit derartigen Wasserpreisumstellungsprojekten nur bestätigen kann. Bournemouth Water und Bristol Water haben eine einfache Verfahrensweise, in dem sie die Winterpreise um 50 Prozent reduzieren und die Sommerpreise um 50 Prozent erhöhen.
Nicht nur in Australien werden saisonale Wasserpreise insbesondere dort eingesetzt, wo viel Bewässerungswasser in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Auch in Südamerika, beispielsweise in Chile, werden seit der Reform des Wassermarktes saisonale Wasserpreise erhoben. Überall dort, wo Spitzenverbräuche in den trockenen Sommermonaten auf gestresste oder übernutzte Wasservorkommen und ebenso gestresste Wasserversorgungssystem stoßen, versuchen die Regierungen und Wasserversorger mit anreizbezogenen Wasserpreisen in den sommerlichen Spitzenverbrauchszeiten die Wassernachfrage zu dämpfen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass diese Wasserpreissysteme auch in Deutschland Einzug halten werden.
Quellen und Weiterführendes
- Tarification saisonnière de l’eau, Métropole Toulouse (Abruf 2.12.2024)
- Prix de l’eau, Eau de Toulouse Métropole (Abruf 2.12.2024)
- Objectifs et Missions, Eau de Toulouse Métropole (Abruf 2.12.2024)
- Wasseralarm in Frankreich: Präsident Macron ruft zum Wassersparen auf, LebensraumWasser, 27. 2.2023
- Schlaglichter auf die Wasserverbräuche in der Industrie, LebensraumWasser, 4.9.2023
- Consommation journalière d’eau potable par français en 2020, Eau France (Abruf 2.12.2024)
Beitragsfoto von Stefan Schweihofer auf Pixabay
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