Hitze und Trockenheit bringen nicht nur uns zum Schwitzen, auch die Versorgungssysteme geraten in Stress. Die Hessenwasser, Vorlieferant vieler Stadtwerke und Wasserversorger in der Rhein-Main-Region, berichtet von einem neuen Spitzenwert bei der Wasserabnahme. Welche Herausforderungen dadurch entstehen, erklärt das Unternehmen mit einer Pressemitteilung, die ich zum Anlass genommen habe, noch einmal nachzufragen und durch eigene Erfahrungen anzureichern. So viel ist klar: mit der zunehmend häufiger auftretenden Trockenheit werden sich auch die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen der Wasserversorger gravierend ändern.
Spitzenverbrauchswert im Juni 2019
Auch wenn uns die Hitzespitzen im Juli und aus 2018 noch bestens in Erinnerung sein werden, die höchste Trinkwasserabgabe verzeichnete Hessenwasser am 26. Juni 2019. Mit 426.312 Kubikmeter Wasserabgabe an einem Tag wurde sogar der Höchstwert des Vorjahres noch einmal um 2 % überschritten. Grund dafür, dass Spitzenwerte trotz der heißen Tage im Juli sich nicht mehr wiederholt hatten, waren die Sommerferien in Hessen.
„Sowohl für die Trinkwassergewinnung als auch für die Trinkwasserverteilung bedeuten solche Spitzenwerte eine enorme Herausforderung“, stellt Nicole Staude, Bereichsleiterin Technik bei Hessenwasser fest: „Der Trinkwasserbedarf in solchen Hitzeperioden verläuft parallel zu den Tageshöchsttemperaturen. Im konkreten Fall bedeutete das innerhalb weniger Tage einen Anstieg um rund 35 %. Dann laufen alle Wasserwerke in kürzester Zeit am Limit“ (siehe Abbildung).
Lastmanagement wird immer wichtiger
In der Leitzentrale der Hessenwasser wird sichergestellt, dass die Trinkwassermengen bei den über 50 angeschlossenen Kommunen bedarfsgerecht ankommen. Eine der wichtigsten Sicherheitsreserven sind die Vorratsbehälter. Diese stellen sicher, dass genügend Trinkwasser ins Verteilungsnetz und zu den Haushalten fließt, daher dürfen sie nicht leer laufen. Aber es geht nicht nur um Mengen. Eine weitere Herausforderung neben der abgegebenen Tagesmenge ist das Lastmanagement. Hier sind die Abendstunden kritisch, wenn alle nach Hause kommen, Duschen und den Garten bewässern oder vielleicht das Planschbecken für die Kinder neu befüllen. „Dann können im Einzelfall 100 m³ pro Stunde mehr oder weniger darüber entscheiden, ob ein Behälter bis in die Nachtstunden, wenn der Verbrauch sinkt, vor dem Leerlaufen bewahrt werden kann“, erklärt der Mitarbeiter in der Leitzentrale, Coppola, weshalb er mit seinem Team die Füllstände von 126 Behältern ständig im Blick haben muss. Die notwendige Abstimmung mit den Wassermeistern in den Kundenkommunen erfolgt dann sehr engmaschig und intensiv übers Telefon.
Weitere intensive Abstimmung mit den nur teilbelieferten Weiterverteiler-Kunden ist denn auch eine der Lehren aus den Erfahrungen des extremen Sommers im vergangenen Jahr. Schon im Spätsommer wurden dazu Gespräche aufgenommen mit dem Ziel, Maßnahmen zur Optimierung des Lastmanagements abzustimmen und so zügig wie möglich umzusetzen. Die hohe Belastung der Anlagentechnik als begrenzender Faktor für die Deckung des Spitzenbedarfs gewinnt dabei auch auf der Seite der Weiterverteiler zunehmend an Bedeutung. Übergabestationen, Transportleitungen, Pumpen und Trinkwasserspeicher sind auf diese Mengen bislang nicht ausgelegt.
„Alle Weiterverteilerverbände und Kommunen werden aktuell mit den von ihnen am Jahresanfang bestellten Mengen sicher beliefert. In diesen trockenen und heißen Tagen wird aber vielfach Trinkwasser weit über diese vertraglichen Vereinbarungen hinaus benötigt. Diese Lieferung erfolgt nach Können und Vermögen“, stellt Betriebsleiterin Staude fest. “Vor dem Hintergrund der prognostizierten Häufung solcher Hitzeperioden ist es dringend notwendig, Regelungen zu schaffen, die für alle Seiten eine verlässliche Grundlage im Umgang mit den bisher als Ausnahmesituation gewerteten Versorgungsanforderungen bietet“.
Verfügbarkeit des Grundwassers aktuell noch unkritisch
Die Grundwasserverfügbarkeit wird bei Hessenwasser derzeitig noch als unkritisch eingeschätzt. „Vor allem dank der infiltrationsgestützten Wasserwerke im Hessischen Ried und im Frankfurter Stadtwald ist trotz der anhaltenden Trockenheit eine ausreichende Verfügbarkeit der Wasserressourcen gegeben“, bewertet Nicole Staude die aktuelle wasserwirtschaftliche Situation. “Es ist die technische Infrastruktur, die über die gesamte Versorgungschiene gesehen, mit der Dauer und Ausprägung des Trinkwasser-Spitzenbedarfs an ihre Grenzen stößt. Wir haben bereits Maßnahmen zur Optimierung der Infrastruktur auf den Weg gebracht und manche, wie den ersten Abschnitt der neuen Riedleitung, bereits umgesetzt. Wir werden nun weitere Projekte auch in Abstimmung mit den Kommunen rasch voranbringen müssen“.
Die ökonomische Antwort wird folgen
Die Beschreibung von Hessenwasser stellt eine zunehmend häufiger auftretende Entwicklung in der Wasserwirtschaft dar. Sie hat nicht nur Bedeutung für die Technik, sie schlägt sich auch in der Ökonomie der Unternehmen nieder. Vorlieferanten müssen für die Spitzenbedarfe Kapazitäten vorhalten. Es wäre sicher fahrlässig, die Systeme nur auf den Durchschnittsbedarf auszurichten. Wenn die Spitzen nicht bedient werden könnten, wäre die Versorgungssicherheit gefährdet. Das Puffern mit Vorratsbehältern erzeugt Kosten, ebenso wie die größere Auslegung der Systeme. Die Kosten werden sich in den Wasserpreisen niederschlagen. Dabei ist es nachvollziehbar, dass ein rein mengenbezogener Wasserpreis die Kosten nicht verursachungsgerecht abbilden und nicht die richtigen Anreize setzen wird. Daher wird man davon ausgehen können, dass in Zukunft so genannte dynamische Wasserpreise und intelligente Wasserzählern, die die Lastgänge zeitdifferenziert erfassen, die technisch-ökonomische Antwort auf die vermehrt auftretenden Verbrauchsspitzen sein werden. Das wird nicht die Antwort auf abendliche Gartenbewässerungen sein. Wenn sich aber Unternehmen ihre Eigenbrunnen oder Kreislaufsysteme durch Vorhalteleistungen durch den örtlichen Wasserversorger absichern lassen oder Fernwasserversorger die Vorratssicherung für die so genannte „atypische Systemnutzung“ betreiben, wird es dafür effiziente Preise geben müssen. Verbrauchsspitzen sind nicht nur technisch eine Herausforderung, sondern auch ökonomisch. Antworten darauf gibt es.
• HW-Trinkwassertagesabgabe 15.-30.6.
© Can Stock Photo / meinzahn
Hinterlasse jetzt einen Kommentar