Oder-Fischsterben 2022: Salz und Algen – die Ursachen. Wiederholung droht

Im August 2022 verendeten 400 Tonnen Fische, Muscheln und Schnecken in der Oder. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) untersuchte die Ursachen und veröffentlichte jetzt die Ergebnisse, wie es zu der Katastrophe kam und wie derartige Fischsterben künftig verhindert werden können. Leider zeichnet sich schon wieder ein Fischsterben auch in diesem Jahr ab. Der polnische Staat will trotz besseren Wissens die Salzfrachten nicht reduzieren. Daher scheint die Stimmung zwischen Polen und Deutschland getrübt.

4.000 Tonnen Salz im Flusswasser

Im vergangenen Jahr war der Auslöser eine Kombination aus erhöhtem Salzgehalt, hohen Temperaturen, starker Sonneneinstrahlung und langanhaltend niedrigem Abfluss. Diese hatte zu einer massenhaften Vermehrung der Brackwassermikroalge Prymnesium parvum in weiten Teilen der Oder geführt. Die Alge produzierte ein Gift, das Algentoxin Prymnesin-B1, das ebenso wie die Pflanze selbst, im Oderwasser nachgewiesen werden konnte. Da andere toxische Substanzen nicht identifiziert werden konnten, war die Ursache gefunden.

Aber ein weiterer Auslöser kam hinzu: Eine entscheidende Voraussetzung für die Entstehung der Algenblüte war der erhöhte Salzgehalt in der Oder. Im Vergleich zu Analysen von Wasserproben aus anderen Flussgebieten Deutschlands konnte durch die BfG-Analysen nachgewiesen werden, dass die Konzentrationen des ansonsten nur sehr selten bestimmbaren Elementes Rhenium (Re) im Oderwasser außergewöhnlich erhöht waren. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf eine maßgebliche Einleitung salzhaltiger Abwässer aus dem polnischen Bergbau. Hierfür sprechen auch die enormen Salzmengen von im Durchschnitt 4.000 Tonnen Kochsalz, die zusätzlich je Tag in dem Zeitraum der Algenblüte eingebracht wurden. Diese Menge entspricht in etwa dem Inhalt von 200 Güterwaggons Salz je Tag. 

Erste Anzeichen für ein erneutes Fischsterben in der Oder

Ausgehend von der erarbeiteten wissenschaftlichen Basis leiteten die BfG-Fachleute in dem Bericht disziplinübergreifend Empfehlungen ab. Diese sind auch auf andere Flüsse übertragbar, um anderenorts vergleichbare Katastrophen zu verhindern. Die BfG-Fachleute empfehlen:

  • Eine Ausweitung des Algen-Monitorings, inklusive der Algentoxine, und verbesserte Onlinebereitstellung der Daten. Hierzu stehen sichere molekularbiologische Methoden als „Schnelltests“ für die frühzeitige Erkennung von Prymnesium parvum bereit.
  • Eine Vermeidung begünstigender Faktoren für Algenblüten, insb. durch ein an die klimatischen Bedingungen angepasstes Management von Stoffeinleitungen sowie die Reduzierung von Nährstoffeinträgen.
  • Die Kontrolle und Eindämmung schädlicher Algenblüten sowie die Schaffung von Rückzugshabitaten für die natürliche Flussfauna.
  • Ein konzertiertes Vorgehen von Landes- und Bundesbehörden bei zukünftigen Krisenfällen nach dem Vorbild der Ursachenaufklärung des Fischsterbens in der Oder 2022. 

Schon zeichnet sich in diesem 2023er Sommer eine Wiederholung der Vorjahres-Katastrophe ab. In den Seitenkanälen der Oder sind nach Angaben des polnischen Umweltministeriums in den vergangenen Tagen bereits hunderte Kilogramm an Fischen verendet – ein deutliches Warnsignal. „Angesichts der aktuell steigenden Temperaturen, fallender Wasserstände und dem unverändert erhöhten Salzgehalt der Oder halte ich es für sehr gut möglich, dass es auch in diesem Sommer zu einem erneuten großflächigen Fischsterben in der Oder kommt“, sagt Dr. Jan Wiederhold, der Geoökologe koordinierte die Entstehung des BfG-Berichts zum Fischsterben in der Oder. 

Der erneute Fund toter Fische hat Polen und Deutschland vor dem Hintergrund der Umweltkatastrophe im Sommer 2022 alarmiert. In Polen wurde ein Krisenstab einberufen, der auch bereits Vorschläge unterbreitet hat. Demzufolge soll das Wasser mit Sauerstoff angereichert werden, denn die Sauerstoffwerte in den Kanälen, die von der Oder abgehen, erweisen sich als relativ niedrig. Das kann für die Fische zum Problem werden. Das Wachstum der Algen kann damit allerdings nicht verhindert werden. Denn deren Sauerstoffbedarf produzieren die Algen mittels Photosynthese selber. Dieser sinkt dann später, wenn sich die Biomasse der Algen nach der Algenblüte zersetzt.

An einem weiteren Symptom will der polnische Krisenstab ansetzen. Er hat vorgeschlagen, die Fische durch Netze davon abzuhalten, in Altarme der Oder zu schwimmen. Denn der Algenstamm vermehre sich auch in den Altarmen mit geringem Salzgehalt. Deutsche Forscher sehen das eher kritisch, denn die Altarme sind auch Laichgebiete der Fische und zudem haben sie den Fischen im Sommer 2022 auch Schutz geboten.

Das Salz aus der Kohleindustrie wird nicht reduziert

Der Krisenstab hat zudem auch vorgeschlagen, die Einleitungen von Industrie und Haushalten systematisch in Abhängigkeit von den Wassermesswerten zu steuern. Das soll Überlastungen vermeiden. Deutsche Experten sehen darin einen sinnvollen Schritt – verweisen aber darauf, dass auch das nur Symptombehandlung sei. Die Salzeinleitungen seien schlicht zu hoch und müssten reduziert werden. Auf der Oder-Konferenz am 6. Juni 2023 in Schwedt/Oder haben die polnischen Vertreter allerdings schon deutlich gemacht, dass Beschränkungen für die Kohle-Industrie nicht zur Debatte stünden.

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Beitragsfoto: Canstockphoto/focalpoint

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  1. Salzbelastung in deutschen Flüssen - LebensraumWasser - Siegfried Gendries

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