„Wasser in Zeiten der Klimakrise“- Interview mit der Vorsitzenden der neuen NRW-Enquete-Kommission

Die Folgen des Klimawandels für das Wasser werden immer dramatischer. Entweder zu viel oder zu wenig. „Resilienz“ lautet daher das Zauberwort – Widerstandsfähigkeit. Aber die kommt nicht von selbst. Was getan werden muss und wie und wer und wie das finanziert werden soll, daran scheiden sich vielerorts die Geister – die wissenschaftlichen und die politischen. Hier sind Sachlichkeit und Sachverstand gefragt. Vor kurzem hat daher die GRÜNEN-Fraktion im NRW-Landtag eine Wasser-Enquete-Kommission beantragt. In den kommenden zwei Jahren soll sich dieses Gremium zu „Wasser in Zeiten der Klimakrise“ auseinandersetzen und dafür nicht im eigenen Saft schmoren, sondern neutrale Experten hinzuziehen. Ich sprach dazu mit der Initiatorin und Vorsitzenden der Kommission, Astrid Vogelheim. Sie ist u.a. Sprecherin für Wasser in der GRÜNEN-Fraktion, die in der Landesregierung als Juniorpartner der CDU mit Oliver Krischer den Umweltminister stellt. Krischer will bis zum Jahresende eine Landeswasserstrategie für NRW vorlegen. Und jetzt kommt noch die Enquete-Kommission. Diese Konstellation machte mich neugierig.

Finanzierung ein Knackpunkt, den die Kommission lösen soll

Astrid Vogelheim sprühte quasi vor Begeisterung und freute sich Hörbei, mir in einem Telefonat ihre Beweggründe für ihre Initiative zu erläutern.

Bei der Antwort auf die Frage, was ihre Beweggründe waren, eine Enquete-Kommission zu Wasser einrichten zu wollen, war zu spüren, dass es nicht nur Gemeinsamkeiten in der NRW-Landesregierung von CDU und GRÜNEN zu geben scheint. Einig sei man sich zwar bei der grundsätzlichen Einschätzung eines Handlungsbedarfs vor dem Hintergrund der Folgen des Klimawandels in NRW, aber wenn es um die konkreten Maßnahmen geht und um deren Finanzierung, dann würden schon Unterschiede sichtbar. Hierbei ist Ernüchterung herauszuhören. Deshalb die Hoffnung auf eine unabhängige Kommission. Diese kann zusätzliche Experten einbeziehen und Gutachten in Auftrag geben. „Die Enquete-Kommission„, so Vogelheim, „soll wissenschaftsbasiert und konsensorientiert arbeiten. Die Themen sollen ergebnisoffen angegangen werden.“ Das seien die Vorteile der Enquete-Kommission. Noch deutlicher werde der Bedarf für eine „neutrale Institution“ betont Vogelheim – die richtig ins Schwärmen kommt – bei der Frage der Finanzierung von Maßnahmen. So sei das Wasserentnahmeentgelt natürlich eine wichtige Einnahmequelle. Diese reiche aber nicht aus. Der Dialog mit dem Koalitionspartner ist noch nicht abgeschlossen „CDU sorgt sich, bei einer Erhöhung der Industrie zu schaden“, verdeutlicht Vogelheim den Knackpunkt. Daher freue sie sich auf die unabhängigen Experten. „Mich stört der ständige Hinweis auf die „Schuldenbremse„, wenn es um die Finanzierung von Investitionen in die Infrastruktur geht. Dabei wird doch vernachlässigt, dass eine marode Infrastruktur auch eine „Schuld“ darstellt. Wir müssen die Infrastruktur auch für die kommenden Generationen funktionsfähig halten. Das sollte unser Leitmotiv sein„, gibt sie sich die Wasserpolitikerin kämpferisch.

Kommission soll kreativ den sich bietenden Freiraum nutzen

Angesprochen auf die quasi parallel stattfindenden Arbeiten an der Landeswasserstrategie, die der ebenfalls grüne Umweltminister Oliver Krischer am 3. Juni ebenfalls mit Sachverständigen u.a. aus Wasserwirtschaft und Umweltverbänden starten wird, versicherte mir Vogelheim, dass der Eindruck täusche. Es sei keine Konkurrenz, die beiden Prozesse sollen sich gegenseitig befruchten. Zwar habe das MUNV mit der Strategie das gleiche Thema auf der Agenda, aber es sei ein anderer Blickwinkel. Die Enquete-Kommission könne freier agieren und gesellschaftliche und interdisziplinäre Fragestellungen mitbetrachten. Mit der Aussage, „die Kommission soll den sich bietenden Freiraum nutzen, um auch mal neue Ideen zu entwickeln„, läßt sie ihrer Faszination für ihren Vorschlag freien Lauf. Und dennoch: dass die beiden Projekte parallel laufen, ist suboptimal. Diese Einschätzung teilten auch einige Experten aus den Umweltverbänden und der Wasserwirtschaft, mit denen ich darüber sprach. Doch die Zeit dränge, deshalb können Enquete und Wasserstrategie nicht aufeinander warten, so Vogelheim.

Der Zeitraum für eine Enquete-Kommission im Landtag ist auf maximal zwei Jahre begrenzt. „Wir haben uns mit den umfangreichen Fragestellungen ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt. Wir werden unser Bestes geben.“ Das gilt, so gibt sie freimütig zu, auch für die SPD-Opposition im Landtag, die den Vorschlag positiv aufnahm und unterstützte. Letztendlich stimmten mit Ausnahme der AfD alle Fraktionen im Landtag der Einrichtung einer Enquete-Kommission zu. Diese wird nun aus elf politischen Mitgliedern aus dem Landtag bestehen; jede Fraktion darf einen Sachverständigen stellen. Hinzu kommen Fachleute aus dem Umweltministerium. Etwa 20 Leute werden es schließlich sein. An der Spitze steht dann Astrid Vogelheim. Man kann ihr im Interesse des Lebensraum Wassers in NRW nur wünschen, dass sich ihrer Erwartungen erfüllen werden.

„Wasser in Zeiten der Klimakrise“ in drei Kapiteln

Worum geht es nun? In drei Kapiteln soll die Agenda der Enquete-Kommission aufgeteilt werden. Das erste unter dem Titel „Klimatische Veränderungen in Nordrhein-Westfalen und ihre Auswirkungen auf das Wasser“ soll in einer einleitenden Bestandsaufnahme möglicher Entwicklungsszenarien u.a. um die Frage beantworten, wie sich die Klimaszenarien auf die Wasserdargebot und -qualität in NRW auswirken. Das impliziert nahezu zwangsläufig die Frage, mit welchen Schwankungen der Trink- und Brauchwasserverfügbarkeit zu rechnen sein werden. Untersucht werden soll auch, welche Wasser-Nutzungsszenarien angesichts von Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung in NRW zu erwarten sein werden. Allein schon bei diesen Fragen einen Konsens der Einschätzungen zu erhalten, dürfte eine Herausforderung darstellen. Die Ursache ist eigentlich der Kern des Übels: die fehlenden Daten. Wir haben in NRW – wie auch in anderen Regionen – eine anhaltende Datendürre. Das werden die Experten wissen, aber hoffentlich finden sie dafür eine umsetzbare Lösung.

Das zweite Kapitel Spezifische Betrachtungen der qualitativen und quantitativen Wasserverfügbarkeit untersucht die qualitativen und quantitativen Wasserverfügbarkeiten angesichts der verschiedenen Klimamodelle. Dabei geht es verschiedene Bereiche wie unter anderem den „Lebensraum Gewässer“ (fast der Titel dieses Blog :-)), die „Wälder, Moore und Grünland“ und die „urbanen Räume“. Hier dürften die Nutzungskonflikte und Beeinträchtigungen durch die diversen anthropogenen Eingriffe in die aquatische Umwelt sichtbar werden.

Beim dritten Themenkomplex „Gesellschaftlicher Umgang mit einer sich verändernden Wasserverfügbarkeit und -qualität„. Dabei geht es u.a. um

  • die Umsetzungsbeschleunigung bestehender rechtlicher Regelungen,
  • die Lösungen von Nutzungskonflikten zwischen den verschiedenen Sektoren,
  • die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung,
  • den sowohl qualitativ als auch quantitativen Schutz der natürlichen Wasserressourcen,
  • die landesweite Entwicklung blau-grüner Infrastruktur in den Regionen und Kommunen,
  • die digitalen Instrumente, die bei der Wasserbewirtschaftung eingesetzt werden können,
  • Best-Practices aus anderen Bundesländern und
  • die Finanzierungsmodelle, die sich für Maßnahmen eines nachhaltigen Umgangs mit der Ressource Wasser eignen und welche gesetzgeberischen Grundlagen dafür ggf. notwendig sind.

Es geht voran in NRW?

Mit dem Blick auf die Agenda zeigt sich, dass es hierbei zeitlich eng werden dürfte, darin sind aus meiner Sicht auch vermutlich umfängliche Überscheidungen mit der geplanten Landeswasserstrategie. Einige Verantwortliche in der Wasserwirtschaft und in den Umweltverbänden dürfte es freuen, dass das Thema Finanzierung wohl einen hohen Stellenwert bekommen soll. Das ist auch unvermeidbar. Mag das daran liegen, dass dies im wohl schon fertigen Eckpunkte-Papier des grünen Umweltministers für die Landeswasserstrategie nicht der Fall ist?

Egal, das Positive an den bevorstehenden Arbeiten an der Landeswasserstrategie und der Enquete-Kommission: Es wird etwas getan in NRW. Hoffen wir nur, dass alle an einem Strang ziehen – und in dieselbe Richtung.

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