Schlaglichter auf die Wasserverbräuche in der Industrie

In Frankreich kommt die Wasserpolitik aus dem Élysée-Palast. In Deutschland wurde nach über mehr als vier Jahren unter Mitwirkung von Bürgern, Fachleuten und anderen Interessenvertretern die Nationale Wasserstrategie „verabschiedet“. In beiden Papieren geht es auch um den Wassereinsatz der Industrie. Diese hat hierzulande ein zunehmendes Akzeptanzproblem. Unlängst hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Vorwürfe gegen den aus seiner Sicht intransparenten und überhöhten Wassereinsatz der Chemieindustrie erhoben. Medien greifen den Wasserverbrauch der Industrie zunehmend kritischer auf. Frankreich geht einen anderen Weg. Präsident Macron hat der Industrie konkrete Wassersparziele vorgegeben und begleitet die Umsetzung mit Anreizen. Dieser Beitrag ist ein Vergleich der Industriewasserpolitik der beiden Nachbarn am Rhein, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, aber Impulse geben möchte. Eine neue Industriewasserpolitik ist gefragt. Im Ergebnis könnte eine „Wasserwende“ in der deutschen Industrie nicht nur das Vertrauen in der Gesellschaft stärken, sondern auch internationale Marktchancen eröffnen. Ein Plädoyer für Transparenz und Kooperation.

Wie Frankreich und Deutschland ihre Wasserstrategien umsetzen und die Industrie mitnehmen

Frankreichs Präsident Macron hatte Ende März das Wasserthema wegen drohender Engpässe zur Staatsangelegenheit erklärt. In seinem plan d’eau hat er Sparziele vorgegeben. So soll der Wasserverbrauch landesweit bis 2030 um zehn Prozent gesenkt werden. Das gilt für alle Sektoren. Bei industriellen Wassernutzern wurde jetzt das Startsignal gegeben. Frankreichs Umweltminister Christophe Béchu will nun in einem ersten Schritt zwölf Industriestandorte mit hohem Wasserverbrauch zur Reduzierung ihres Wassereinsatzes einbinden und mit finanziellen Mitteln unterstützen. Dabei sind die Programme an Bedingungen geknüpft. 50 weitere Standorte werden folgen.

In Deutschland gibt es eine „Nationale Wasserstrategie“. In einem 120 Seiten starkem Abschlussbericht sind 78 Maßnahmen enthalten. Bei 61 davon steht „Beginn kurzfristig“ – was im Politikjargon etwas anderes als im wahren Leben ist, nämlich bis 2025. Nicht nur deshalb stockt die Umsetzung. Sie stößt häufig auch an die Grenzen der behördlichen und ministeriellen Zuständigkeiten, an den Folgen der Umstrukturierung im Bundesumweltministerium und nicht zuletzt am Föderalismus. Lange dauerte es zudem, sich durch die Abstimmungen und Anhörungen zu bringen. Nicht ganz überraschend auch deshalb, weil die Taktung vieler wasserpolitischer Maßnahmen von den Bundesländern abhängt.

Einige Bundesländer haben eigene Wasserstrategien wie zum Beispiel Niedersachsen, Hessen und Sachsen, andere dagegen wie beispielsweise NRW noch nicht. Hessen greift das Thema Brauchwasser oder Betriebswasser u.a. für gewerblich-industrielle Anwendungen auf und plant den Zugang auf diese Ressource, die aus der Wiederverwendung von aufbereitetem Wasser stammt, sehr aktiv anzugehen. Ähnlich hat es die Expertenkommission für den Freistaat Bayern empfohlen. Um Nutzungskonflikten in von Trink- und Brauchwasser vorzubeugen, sollten insbesondere die Möglichkeiten der Substitution von Teilmengen durch Regenwasser oder recyceltes Wasser d.h. Brauchwasser verstärkt eingesetzt werden. Das ist ein wichtiger Weg für die Reduzierung der Wasserentnahmen.

In Frankreich will die Regierung regulatorische Hindernisse für die Rückgewinnung von nichtkonventionellem Wasser, also Brauchwasser, abbauen und diese Ressource sowohl für die Lebensmittelindustrie als auch in anderen Industriezweigen (und für bestimmte häusliche Zwecke) unter Berücksichtigung des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung und der Ökosysteme zugänglich machen. Anders als in der Nationalen Wasserstrategie, die diesen Aspekt der Ressourcenschonung nur als Herausforderung beinhaltet, nicht aber Maßnahmen aufzeigt, haben unsere französischen Nachbarn hierfür mit dem Jahr 2023 auf ein konkretes Umsetzungsziel. Damit nutzt sie die Freiheitsgrade, die die EU-Verordnung für die Wiederverwendung von Wasser bietet.

Transparenz für Wasserentnahmen gefordert

In Frankreich kommt die Steuerung der Nationalen Wasserpolitik – wie sollte es auch anders sein – aus Paris. Präsident Macron hat in seinem Grundsatzprogramm für Wasser nicht nur Forderungen und Ziele definiert, er hat auch Finanzmittel für dessen Umsetzung in Aussicht gestellt. Das gilt auch für die industriellen Wassernutzer. Allerdings ist dies mit einer höheren Transparenz verbunden. Transparenz ist ein Schwachstelle, die der BUND hierzulande zurecht kritisiert. So fordert der französische Staatspräsident, dass die betreffenden Unternehmensverbände ihren derzeitigen Wasserbedarf und -verbrauch darlegen und dann in Zusammenarbeit mit den Regierungsbehörden strukturierte Pläne zur Senkung des Gesamtverbrauchs ausarbeiten werden. Das wäre eigentlich genau die Aufgabenstellung, die den hiesigen Wasserbehörden zukommen müssten. Aber dazu wäre eine einheitliche Datengrundlage erforderlich. Auch hierfür hat unsere Nationale Wasserstrategie eine Maßnahme. Demzufolge soll, so Maßnahme Nummer 57, das Wasserrecht und die wasserrelevanten Vorschriften angepasst werden, um die „Einführung eines öffentlich zugänglichen Registers über tatsächliche Wasserentnahmen“ zu ermöglichen. Auch hier ist Eile geboten.

In Frankreich haben einige Industrieunternehmen die Herausforderungen aktiv aufgegriffen. Presseberichten zufolge engagieren sich Akteure der Chemieindustrie, wie der Raffineriestandort von TotalEnergies in Donges (Loire-Atlantique), der Stahlindustrie, mit ArcelorMittal in Dünkirchen (Nord) und Florange (Moselle) oder auch der Lebensmittelindustrie, mit der Milchgenossenschaft von Isigny-sainte-Mère (Calvados) in dem staatlichen Programm. Auch hierzulande erklären industrielle Wassernutzer in ihren Nachhaltigkeitsberichten von Wasser-Einsparmaßnahmen und -Kreislaufsystemen. Bei meinen Recherchen bin ich auf zahlreiche Unternehmen gestossen, die Kommunikation zu diesen Themen intensivieren wollen. Es sollte auch als Aufgabe der Politik verstanden werden, die industriellen Wasserentnehmer stärker in die Analysen und Entwicklungen von Maßnahmen bei Wasserstrategien und Wasserversorgungskonzepten einzubeziehen. BASF berichtet von 79 Prozent Mehrfachnutzung des benötigten Wassers. Dieses wird neben dem Einsatz von Brauchwasser – auch der Weg sein, den die Industrie insgesamt wird einschlagen müssen, denn Deutschland verliert zunehmend seinen Status mit sicheren und risikolosen Wasserressourcen, wie der jüngste Aqueduct Water Risk Atlas belegt. Demnach steigen auch hierzulande die Wasserstress-Level an.

Der Kritik des BUND zufolge, trüge vor allem die chemische Industrie in erheblichem Maße zur Wasserknappheit bei. Der BUND-Landesarbeitskreis Wasser Nordrhein-Westfalen (NRW) betont in einer Pressemitteilung, dass viele dieser Unternehmen trotz ablaufender Wasserrechte an ihren hohen Entnahmemengen festhalten würden. Die Politik unterstütze sie dabei, was zu einer Priorisierung von Unternehmensinteressen über Umweltaspekte führe. Den Kritikern aus den Reihen des BUND wäre schon mal geholfen, wenn die erteilten Wasserrechte öffentlich zugänglich gemacht würden. Inwieweit es hierum in Frankreich besser gestellt ist, konnte ich bei meinen Recherchen noch nicht feststellen. Zweifel scheinen aber angebracht. Ungeachtet dessen ist hierzulande viel im Argen, da hilft auch das in der Nationalen Wasserstrategie geplante „transparente Wasserregister“ (Maßnahme 5), das zudem auf die Grundwasserentnahmen beschränkt werden soll) womöglich erst mittel- bis langfristig. .

Was unterscheidet Frankreich und Deutschland bei den industriellen Wasserentnahmen?

Acht Prozent der gesamten Wasserentnahmen in Höhe von 32 Milliarden Kubikmeter jährlich (bzw. vier Prozent der Wasserverbrauchs) des Landes sind in Frankreich dem Industrie-Sektor zuzurechnen (Siehe Abbildung). Die Entnahmen der Energiewirtschaft sind wie in Deutschland in diesen Zahlen nicht enthalten; sie machen 51 Prozent der Entnahmen und 31 Prozent der Verbräuche aus.

Wasserentnahmen in Frankreich (Q: Les 53 mesures du plan eau)

In Deutschland dagegen sind laut Umweltbundesamt die industriellen Wasserentnahmen anteilig deutlich höher als bei unseren Nachbarn westlich des Rheins. Von den rund 20 Milliarden Kubikmetern Wasserentnahmen entfallen fast 27 Prozent auf das verarbeitende Gewerbe inkl. Bergbau und Industrie.

Für den Vergleich mit Frankreich müsste wegen der dortigen Entnahme für die Kanäle die Gesamtmenge reduziert werden, womit der Entnahmeanteil der französischen Industrie auf etwas über neun Prozent ansteigt. Ungeachtet dessen erscheinen die Entnahmeanteile des Industriesektors in Deutschland mehr als dreimal so hoch wie in Frankreich. Da es sich bei den Statistiken um unmittelbare Entnahmen der Industrieunternehmen aus Flüssen, Seen und dem Grundwasser handelt, bleiben die über das öffentliche Netz vom lokalen Wasserversorger bezogenen Mengen, bei dieser Rechnung unberücksichtigt. Dem Bericht des World Water Development Reports (WWDR) der Vereinten Nationen zufolge, liegen die Entnahmen der Industrie in Ländern mit hohem Einkommen bei durchschnittlich 17 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs. Angesichts dieser Daten könnten sich die Kritiker hierzulande bestätigt fühlen. Inwieweit die Angaben in den zur Verfügung stehenden Quellen allerdings zutreffend sind, kann nicht beurteilt werden; Zweifel scheinen aber angebracht. Mindestens sind sie veraltet. Das ist auch gerechtfertigt, wenn man beim Statischen Bundesamt auf die „Wassergesamtrechnung“ also „Wasserentnahme und -bezug“ der „Produktionsbereiche“ (wie Chemie, Stahl etc.). schaut. Dort erscheint der „Verfügbare Zeitraum: 1991 – 2016“. Die Frage, ob bei der Datenqualität ein dringlicher Handlungsbedarf besteht, dürfte damit beantwortet sein. Ob es in Frankreich allerdings besser ist, lasse ich einmal dahingestellt.

Beim Vergleich der beiden Länder, wenn es um den Wasserverbrauch geht, sollte auch der Blick auf die Haushalte nicht fehlen. Während unsere Nachbarn von 148 Litern je Einwohner täglich berichten, liegen wir hierzulande mit aktuell 125 Litern täglich rund 15 Prozent darunter.

Wasserwende bietet globale Chancen! Den Dialog starten!

Fasst man diesen nicht auf Vollständigkeit bestehenden Vergleich der wasserpolitischen Steuerung und der eingesetzten Instrumente zusammen, dann wird zwar eine ähnliche Ausgangslage deutlich, die französische Regierung scheint, da sie nicht die Kräfte des Föderalismus beachten muss, über eine höhere Durchschlagskraft zu verfügen. Die von der früheren Bundesregierung angestossene Nationale Wasserstrategie hat allem Anschein noch mit vielen Widerständen und Unwägbarkeiten zu kämpfen.

Zielgerichtete Anreizsysteme und regulatorische Maßnahmen sollten die Industrie bei der Umgestaltung der wasserwirtschaftlichen Prozesse unterstützen. Das Beispiel Frankreichs mit „Fordern“ und „Fördern“ scheint zumindest prüfenswert. Ungeachtet dürfen wir nicht verkennen, dass Deutschland ein Industriestandort ist. Aber wenn den Bürgern in Wasserstressregionen und bei Trockenheit abverlangt wird, die Wasserampeln zu beachten und Entnahmeverboten zu folgen, dann sollte Dschibuti die Industrie auch aus Eigeninteresse nicht auf Wasserentnahmerechte zurückziehen, die vor mehreren Jahrzehnten erteilt worden waren. Transparenz schafft Vertrauen. Wie bei der „Energiewende“ sollten wir auch den Klimawandel als Aufforderung verstehen, eine „Wasserwende“ voranzutreiben und global vorzuleben. Eine Vielzahl an Forschungsprojekten hat den effizienten Wassereinsatz zum Ziel. Hier gibt es vielversprechende Ergebnisse. Daraus werden sich angesichts der gravierenden Verschlechterungen der globalen Wasserdargebote auch Chancen für die deutsche Industrie ergeben, die wir nutzen können, wenn andere Sektoren international an Bedeutung verlieren. Jetzt wird es wichtig sein, dass die Industrie an ihrem Vertrauensbonus arbeitet und die Skeptiker und Kritiker zum offenen Dialog über Wasser einlädt und produktiver über ihre Maßnahmen berichtet. Transparenz und Kooperation statt Konfrontation!

In einem Folgebeitrag werde ich mich mit konkreten Maßnahmen der Industrie befassen und die ökonomischen Anreizsysteme beleuchten.

Quellen / Weiterführendes

  1. Présentation du Plan eau, Lettre d’information, President Emanuelle Macron (2023)
  2. Water Resources and Use – Extract from France’s 2021 Environmental Performance Review, Service des données et études statistiques France (2022)
  3. Plan eau : Macron fait suer les écologistes, Reporterre (2023)
  4. Nationale Wasserstrategie, Umweltbundesamt (2023)
  5. Wasserressourcen und ihre Nutzung, Umweltbundesamt (2023)
  6. Chemieriesen verbrauchen enorme Wassermengen, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) (2023)
  7. Zukunftsplan Wasser – Wasserwirtschaftlicher Fachplan Hessen
  8. Wasserversorgung in Bayern, Expertenkommission Wasserversorgung in Bayern (2021)
  9. Water resources across Europe — confronting water stress: an updated assessment, European Environment Agency (EEA) (2021)
  10. Water Resources Allocation, OECD, Profil Frankreich (2015)
  11. Assessment of Member States’ progress in Programmes of Measures during the second planning cycle of the Water Framework Directive, Member State : France, European Commission (2023)
  12. Brauchen wir höhere Wasserentnahmeentgelte, um das Wassersparen zu fördern?, LebensraumWasser (2019)
  13. Aqueduct Water Risk Atlas, WRI (2023 – online)
  14. Umweltökonomische Gesamtrechnungen der Länder, Gemeinsames Statistikportal des Bundes und der Länder (2023)
  15. Wassergesamtrechnung: Deutschland, Jahre, Wasserentnahme und -bezug, Produktionsbereiche, (85141-0001), Genesis Online, Statistisches Bundesamt (2023)
  16. BASF-Nachhaltigkeitsbericht 2022

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