Jetzt die Wasserwende mit Doppel-Wums – Anmerkungen zum Weltwassertag

Selten genoss der Weltwassertag der UN eine so große Aufmerksamkeit wie 2023. Das mag auch dem diesjährigen Motto geschuldet sein: „Accelerating Change“ – den Wandel beschleunigen. In der Sprache unseres Bundeskanzlers, Olaf Scholz, übersetzt: wir brauchen einen „Doppel-Wumms“! Nachfolgend ein paar Anmerkungen eines keinesfalls desillusionierten Wasserbloggers… 

Viele Jahrzehnte lebten wir Deutschen in der trügerischen Wahrnehmung, Wasser hierzulande sei kein Problemthema. Ins Politsprech übersetzt „Weiter so!“. Die Signale, es könnte in einigen Regionen knapper werden, wenn die Hitze zunimmt und der Regen ausbleibt, waren zwar schon 2018 zu vernehmen. Aber da hofften wir noch, dass die Folgen des Klimawandels schleichend an uns vorüberziehen. Spanien, Italien, Frankreich … – Südeuropa, dort ist es heiß und trocken. Deshalb reisen wir dort hin, um Sommerurlaub zu machen. Aber bei uns in Deutschland? Doch! Spätestens als sich die Berichte von trockenen Feldern in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, versiegenden Quellschüttungen in Franken oder Wasserprotesten im Hessischen Ried häuften, wurde klar, dass da etwas anders zu werden scheint. „Wir schaffen das!“, mögen da noch viele gedacht und sich an andere Herausforderungen erinnert haben. Aber dann wiederholte sich das Wetter. 2019, 2020 … Corona … Ahrtal-Katastrophe … Ukraine-Krieg … und schon wieder steht der Sommer vor der Tür. Die ersten Signale sind da. Es könnte wieder trocken werden. 

Früher interessierte sich kaum jemand für die Wasserentnahmen aus Flüssen oder Brunnen. Das Tropfen des Wasserhahns war nur ein störendes Geräusch. Die Flaschenwasserabfüller gingen ihren traditionellen Geschäften nach und die Landwirte bewässerten auch schon mal länger und mehr als nötig. Die Industrie konnte wie immer mit ihren Arbeitsplätzen punkten. Aber plötzlich stöhnte Deutschland über Hitze und Trockenheit. Die Natur wehrte sich, und dennoch war sie hilflos. Die Flüsse wurden schmaler, die Teiche und Seen kleiner und die Felder und Auen trockener. Sichtbare Folgen einer Fehleinschätzung; eben trügerische Sicherheit. Bilder, die wir bisher nur aus den Urlaubsländern des Südens kannten, erkannten wir plötzlich vor der Haustür. Auch der Ukraine-Krieg bescherte uns eine neue Erfahrung: Versorgungsengpässe. Das Bild vom „Black-Out“ bekam einen Bruder, den „Blue-Out“ – den Wassernotstand. Während der Ansturm auf das Toilettenpapier wieder zu einem lauen Lüftchen degenerierte, freute sich der Handel über eine sprunghaft ansteigende Flaschenwasser-Nachfrage. Wasserknappheit darf nicht sein! Schon gar nicht in Deutschland. Da muss sich etwas ändern! 

Damit wären wir beim Motto des Weltwassertages: „Accelerating Change“. Politik ist nicht länger nur der Schlagwort-Lieferant. Sie hat die Zeichen der Zeit erkannt. Auch die Medienlandschaft hat sich durch das Wasserthema bereichern lassen. Das ist gut so! Wasser hat eine Stimme. Wir singen zwar nicht im Chor, gleichstimmig schon gar nicht. Aber wir erkennen bei Wasser die geänderten Realitäten und ergreifen die Maßnahmen. Die Zuversicht wächst, dass es auch die richtigen sind. In vielen Gemeinderäten und Gremien von Wasserversorgern wird über Wasserknappheit diskutiert und werden Maßnahmen erörtert. Die Wasserwirtschaft muss resilienter werden, lautet eine weit verbreitete Forderung. Den Bürgern muss beim sorgsamen Umgang mit Wasser geholfen werden. Die Nachhaltigkeit in der Wasserwirtschaft muss Beweiskraft erlangen.

In den letzten Tagen erreichten mich als Wasserblogger vermehrt Anfragen von Initiativen, Medienvertretern und Unternehmen, die Wasser zum Aufklärungs- und Kommunikationsthema machen wollen. Da ist eine wahre Wasserbewegung im Gange. Genau darum geht es auch den Vereinten Nationen beim diesjährigen Weltwassertag. Weltweit sollen lokale und internationale Organisationen und Initiativen den Wasserwandel, oder besser „Wasserwende“ gestalten. Dabei können wir uns hierzulande glücklich schätzen, dass wir auf eine Infrastruktur und Umwelt zurückgreifen können, die im Vergleich zu den wahren Problemregionen dieser Welt immer noch beispielhaft ist.

In der vergangenen Woche hat die jetzige grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke die Nationale Wasserstrategie der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Oktober 2018 hat ihre Vorgängerin Svenja Schulze (SPD) den „Nationalen Wasserdialog“ gestartet. Viereinhalb Jahre hat es gedauert, bis aus den Überlegungen und Vorschlägen von 200 ExpertInnen, zu denen auch ich gehören durfte, und Anregungen und Wünschen aus einem eigens eingerichteten „Bürgerdialog Wasser“ ein Papier wurde, das den Namen „Strategie“ verdient. Klar, es hätte schneller gehen können, aber „Gut Ding braucht Weile“. Und wenn das der Maßstab ist, dann dürfte das Ding schon richtig gut werden. 

Jetzt geht es an die Umsetzung. Die zehn strategischen Ziele für den „Lebensraum Wasser in Deutschland“ im Jahr 2050 wurden 78 Maßnahmen herausgearbeitet. Über 60 davon sollen „kurzfristig“ angegangen werden – bis 2025. Tatsächlich sollen die Ergebnisse schon 2030 vorzeigbar sein. Ungläubig, aber hoffnungsfroh kann man sich die Augen reiben. Vieles davon hat mit Kommunikation, Aufklärung und Transparenz zu tun. Am 30. März wird Lemke dem Nationalen Wasserforum weitere Details vorstellen, für die sich hoffentlich die Reise nach Berlin lohnen wird.

Die Bürger wollen mehr über „ihr Wasser“ wissen. Aus der Sorge muss eine Bewegung werden – mit „Doppel-Wasser-Wums“. Die „Wasserwende“ nimmt ungeachtet dessen bereits Fahrt auf. Ich werde über ihre Reise berichten. 

Weiterführendes

Beitragsfoto: Canstockfoto (bearbeitet Gendries)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Was meinen Sie dazu?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.