Merk‘mal – Projekt zur Vermeidung von Röntgenkontrastmitteln ein voller Erfolg

„Nicht lamentieren, sondern handeln“, unter dem Motto könnte man die vielen Projekte zur Vermeidung von Röntgenkontrastmitteln und Arzneimitteln in den Gewässern zusammenfassen.

„Was nicht in der Ruhr drin ist, müssen wir auch nicht rausholen.“ Mit diesen Worten fasste Dr. Heinrich Bottermann, Staatssekretär im NRW-Umweltministerium, die Ergebnisse eines Mülheimer Pilotprojektes Merk’mal zusammen, bei dem untersucht wurde, wie man die Zufuhr von Röntgenkontrastmitteln in die Ruhr verringern oder sogar vermeiden kann. Solche Mittel werden nahezu täglich in den Krankenhäusern und Arztpraxen unserer Stadt verabreicht. Sie werden innerhalb von 24 Stunden über den Urin von den Patienten wieder komplett ausgeschieden und landen letztendlich im Abwasser. Dort allerdings, so Dr. Wolf Merkel, Geschäftsführer des IWW Rheinisch-Westfälisches Instituts für Wasserforschung, und Dr. Franz-Josef Schulte, Geschäftsführer der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerkgesellschaft, „können sie nur einem geringen Anteil aus dem Wasser entfernt werden, da sie zu den stabilsten Arzneistoffen gehören und biologisch sehr schlecht abbaubar sind.“ Der Großteil der Röntgenkontrastmittel (RKM) bleibt also im Wasser. Die Konzentration steigt im Verlauf der Ruhr von der Quelle bis zur Rhein-Mündung in Duisburg stetig, und das besonders stark im Ruhrgebiet. Deshalb wurde das Pilotprojekt „Merk’mal“ ins Leben gerufen. Unter der Federführung des IWW Zentrum Wasser und mitinitiiert von der RWW hatte das Projekt das ambitionierte Ziel, den Zufluss dieser RKM deutlich zu verringern.

Das verwendete Informationsmaterial

Alle Erwartungen übertroffen

Vier Monate lang wurden im Evangelischen Krankenhaus, dem Marien-Hospital, der Radiologischen Gemeinschaftspraxis und dem Medizinischen Versorgungszentrum Mülheim Urinbeutel an Patienten verteilt, denen das Kontrastmittel verabreicht wurden. Die Überraschung war groß. Patienten, Ärzte, Pfleger und Mitarbeiter unterstützten das Projekt, „haben alle Erwartungen übertroffen“, urteilten Dr. Kai Naßenstein, Leitender Oberarzt für Radiologie am Marien-Hospital, und Dr. Claudia Mohr, Fachbereichsleiterin Radiologie am MVZ, übereinstimmend. Fast 90 Prozent der angesprochenen 2.200 Mülheimer Patienten schieden nach ihrer Röntgenuntersuchung ihr Urin in einen Beutel aus, in dem der Urin in Gel umgewandelt und dem normalen Hausmüll zugeführt wurde, der dann in einer Müllverbrennungsanlage landete.

Dr. Merkel (IWW) stellt die Ergebnisse vor
Dr. Merkel (IWW) stellt die Kommunikation vor (Foto: Gendries)

Das Ergebnis war messbar. Dr. Jochen Türk, Bereichsleiter am Institut für Energie- und Umwelttechnik, erläuterte, dass die in Kooperation mit der Stadt und dem Ruhrverband die anschließend entnommenen Wasserproben eine deutliche Verringerung der RKM-Rückstände bewiesen hätten. Bürgermeisterin Ursula Schröder: „Das sind gute Signale für unsere Stadt.“

Das Mülheimer Projekt hat zudem ergeben, dass man bei Hochrechnung der jetzt ermittelten Werte durch konsequente Anwendung der Urinbeutel die RKM-Konzentration im gesamten Ruhrgebiet mehr als halbieren könnte. Für den Einsatz von dieser Beutel entstehen pro Untersuchung Zusatzkosten in Höhe von etwa zehn Prozent Wolf Merkel: „Das ist volkswirtschaftlich vertretbar und deutlich günstiger als zusätzliche Aufbereitungstechniken für Ab- und Trinkwasser.“ Diese Aussage war die Überleitung zur 4. Reinigungsstufe bei Kläranlagen, auf die viele als Mittel der Wahl setzen. Gerhard Odenkirchen, Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium. verwies auf die Unfähigkeit der Anlagenerweiterung, die RKM aus dem Abwasser zu eliminieren.

Der regionale Rollout ist unstrittig. Bei der Verpflichtung zum Rollout auf weitere Stoffe gibt es Widerstand

Das Projekt soll jetzt in den Rollout gehen, wie die Initiatoren erklärten. Der nächste Schritt soll das Ruhrgebiet entlang der Ruhr nach Osten sein. Dazu wollen IWW und Partner bei „Merk’mal 2“ das Netzwerk der Ruhrgebietsstädte und der medizinischen Einrichtungen nutzen, um weitere Akteure einzubeziehen.

Bei einer anderen Erweiterung traten aber als Experten geladene Klinik-Vertreter auf die Bremse. Gerd Schäfer, Uni-Klinik Bochum, machte klar, dass eine Zurückhaltung von Arzneimitteln nicht Aufgabe der Krankenhäuser sein könnte. Dazu gäbe es weder die notwendige Finanzausstattung, noch das benötigte Personal. Auch bei RKM dürfe es keine Pflicht geben, denn diese Stoffe, so brachte es Robert Färber von der Krankenhausgesellschaft NRW auf den Punkt, seien toxikologisch nicht relevant.

Der Schlüssel zum Erfolg ist der Patient

Bei einem waren sich alle Beteiligten einig: der Schlüssel zum Erfolg ist der Patient. Sie oder er müsse von der Sinnhaftigkeit eines solchen Projektes überzeugt werden. Wenn dann noch die erforderlichen Informationsmaterialien und die Logistik zur Verfügung stehen, ist der Erfolg möglich. Zweifellos wird sich dann auch die Diskussion in Richtung Vermeidung von Arzneimitteln in der Toilette entwicklen lassen. Auch hier gibt es noch viel Aufklärungsbedarf und Mitwirkungsmöglichkeiten der Betroffenen. Das Projekt „Merk’mal“ hat für dieses Ziel eigentlich den richtigen Rahmen und die richtigen Akteure an Bord. Hoffen wir, dass die Umsetzung nicht an den finanziellen Mitteln scheitern wird.

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