Wer trinkt schon nitrathaltiges Grundwasser? – Bausparkasse Mainz irrt bei Wasser als Gesundheitsfaktor

Nitrathaltiges Grundwasser kann sich auf unsere Gesundheit und auch auf die Immobilienpreise niederschlagen. Zumindest, wenn man der Bausparkasse Mainz folgen kann. Vermutlich weil beim aktuellen Zinsniveau die Häuslebauer auf die Bausparkassen verzichten, wollten die Finanzspezialisten auf sich aufmerksam machen und bieten auf ihrer Website eine interaktive Karte an, bei der man nach Eingabe der Postleitzahl erfahren kann, ob in der Region Gesundheitsrisiken wegen Umweltfaktoren wie Lärm, Feinstaubbelastung und Nitratbelastung des Grundwassers bestehen. Wer trinkt schon nitrathaltiges Grundwasser?

Was die Bausparkasse zu solch einer Karte motiviert, erklärt ihr Vorstandsvorsitzender Dr. Bernd Desert: „Für zukünftige Hausbesitzer und Bauherren gewinnt das Thema Wohngesundheit zunehmend an Bedeutung. Denn nicht nur die zum Hausbau verwendeten Materialien können sich auf die Gesundheit auswirken, sondern auch unmittelbare Standortfaktoren. Bei der Wahl des Grundstückes sollte daher auf bestimmte Einflussfaktoren geachtet werden. Umgebungslärm, Luftverschmutzung oder ein belasteter Baugrund seien wichtige Kriterien, die die eigene Gesundheit und somit auch die Wohnzufriedenheit beeinflussen können“, so Dedert weiter.

Zweifellos ist der Nitratgehalt ein Risikofaktor, aber nicht beim Trinkwasser, denn die Wasserversorger stellen sicher, dass die strengen Grenzwerte der Trinkwasserverordnung eingehalten werden. Wohl ist es ein Kostenfaktor, denn die Aufbereitung wird aufwändiger und schlimmstenfalls muss weniger belastetes Rohwasser zugekauft werden.

Ein Datentest für das westliche Ruhrgebiet mit der Postleitzahl 46 (Abrufe am 26.8.2016)
Die interaktive Karte – Ein Datentest für das westliche Ruhrgebiet mit der Postleitzahl 46 (Abruf 26.8.2016)

Machen wir den Test und geben die Postleitzahl 46 ein. Mit 46 beginnen die PLZ der Städte Bottrop, Oberhausen, Emmerich, Schermbeck, Wesel und Bocholt. Das Ergebnis: starke Belastung des Grundwassers durch Nitrate (siehe Karte). Wie fragwürdig das Ergebnis der BKM ist, zeigt der Blick auf die Städte und deren Trinkwasserqualität, also das was die Menschen trinken und ihre Gesundheit beeinflusst. Ohne Frage, Bocholt hat als Hochburg der Viehwirtschaft ein Nitratproblem, aber nicht im Trinkwasser. Schauen wir auf die Trinkwasseranalytik vom Wasserversorger Bocholts, der BEW, dann lesen wir dazu, „Die Qualität des Bocholter Trinkwassers ist sehr gut. (…) liegt der im Bocholter Trinkwasser gemessene Nitratwert bei lediglich 10 Milligramm je Liter (mg/l) und damit weit unter dem erlaubten Grenzwert von 50 mg/l.“ Ähnlich gut die Werte der RWW, als Wasserversorger der ebenfalls zur PLZ 46 gehörenden  Städte Oberhausen oder Bottrop. Selbst die Heimatstadt der Bausparkasse Mainz muss mit diesen fragwürdigen Wasserdaten leben. Unter der PLZ 55 erscheint Mainz mit einer „mäßigen“ Nitratbelastung. Die Stadtwerke Mainz allerdings verfehlen den Nullwert beim Nitrat in dem von ihnen gelieferten Trinkwasser mit unter 3 Milligramm pro Liter nur knapp. Besser geht es kaum!

Richtigerweise erklärt die BKM: „Liegt ein erhöhter Nitratwert im Grundwasser vor, ist ein hoher technischer Reinigungsaufwand seitens der Wasserversorger nötig, um das Nitrat aus dem Rohwasser zu entfernen. Diese Kosten spiegeln sich letztendlich in der Wasserrechnung der Verbraucher wider. Grund für die Belastung der Grundwasserqualität in einigen Regionen Deutschlands ist vor allem der Eintrag von Stickstoff und Dünger aus der Landwirtschaft.“ Aber gerade deshalb haben die Nitratwerte keine Bedeutung für das Trinkwasser und somit nichts in einer Karte zu sucBildschirmfoto 2016-08-28 um 21.01.36hen, die die Gesundheitsrisiken aufzeigt. Nicht überraschend, dass die Gesundheitsämter das genauso sehen. Beispielhaft die Antwort des Gesundheitsamtes Soest: „Selbstverständlich kann  sich der Nitratgehalt >50mg/l im Grundwasser erst dann auf die Gesundheit auswirken ,wenn das Wasser getrunken wird. Die reine Anwesenheit des Nitrates im Grundwasser spielt  keine Rolle.“ Sic!

Umso ärgerlicher, dass die BKM für Aufmerksamkeit gesorgt hat, wie die Berichte im HANDELSBLATT und in der Ärztezeitung zeigen. Letztere erklärt: „Die höchsten Gesundheitsbelastungen durch exogene Umwelteinflüsse liegen laut der Untersuchung für die Postleitzahlengebiete 45 und 46 vor, also in der Region um Oberhausen, Essen, Recklinghausen, sowie im linksrheinischen Bereich um Köln mit der Postleitzahl 50. Hier machten sich vor allem eine starke Lichtverschmutzung sowie eine Überschreitung der Grenzwerte hinsichtlich Bodenversauearung bemerkbar.“

Bildschirmfoto 2016-08-28 um 20.59.45Den Finanzspezialisten der BKM sei empfohlen, vorsichtiger mit derartigen Empfehlungen umzugehen und sich solider mit der Materie vertraut zu machen. In unserer heutigen Medienlandschaft entstehen nämlich schnell Schlagzeilen, die den „Lebens-Wert“ ganzer Regionen in Frage stellen können. Da hilft auch nicht der Verweis auf die Quellen und Informationen des Robert-Koch-Institut und des Bundesumweltamtes. André Dinzler, der Pressesprecher der BKM reagierte zwar prompt auf meinen kritischen Hinweis, dass die Werte in die Irre führen und das Trinkwasser schlecht machen, er verwies aber auf die zuständige Agentur, von die Angaben stammen. Na warten wir einmal ab, ob die Agentur den Unterschied zwischen Grundwasser und Trinkwasser versteht…. Vielleicht findet sie ja diesen Beitrag.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nicht an das Trinkwasserversorgungssystem angeschlossene Eigenbrunnen-Nutzer ein Problem mit dem Nitrat haben. Das ist aber bei der BKM-Analyse nicht gemeint. Auch sei darauf hingewiesen, dass Nitrat auch im Grundwasser nichts zu suchen hat. Hierzu findet der interessierte Leser mehrere Beiträge auf Lebensraumwasser.

Hier geht es zur „Gesundheitskarte“ der Bausparkasse Mainz

2 Kommentare

  1. In Sachen Trinkwasserqualität-Monitoring übrigens ein interessantes Pilotprojekt: http://www.wasserqualitaet-online.de Die eingebundenen Wasserversorger stellen ihre Analysenergebnisse sofort nach Ermittlung im TW-Labor online zur Verfügung, eine GIS-basierte Software-Plattform im Hintergrund matched die Labordaten mit den zugehörigen Verbraucheradressen im Versorgungsgebiet. Bundesweit noch im Aufbau, im Landkreis Fulda / Hessen schon flächendeckend verfügbar.

  2. Hahaha. Nach dem ersten Absatz wusste ich schon in welche Richtung sich der Beitrag bewegen wird. Hat mir ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert. Da haben sich so einige Banker bis auf die Knochen blamiert. Aber am aller peinlichsten ist die schwache Recherchearbeit des Handelsblatts.

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