Mit neuer „Wasserverbrauchssteuer“ will die Stadt Wiesbaden Haushaltslöcher schließen

Da hat sich die Stadt Wiesbaden ja etwas Tolles einfallen lassen: eine kommunale Wasserverbrauchssteuer. Während die hessische Landesregierung mit dem Wasser-Cent noch zu hadern scheint, hat die Landeshauptstadt schon Nägel mit Köpfen gemacht. 90 Cent je 1.000 Liter Wasser sollen Bürger und Betriebe ab Beginn diesen Jahres für das Wasser aus der Leitung bezahlen. Damit will die Ratsmehrheit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die „kommunale Verbrauchssteuer“ soll Haushaltslöcher stopfen und ein „Nachhaltigkeitsbeitrag zum Wassersparen und für den Klimaschutz“ sein. Offensichtlich glaubt die Mehrheit im Wiesbadener Stadtrat einen Weg gefunden zu haben, um mit dem gesellschaftlich akzeptierten Potpourri aus „Wassersparanreizen“, „Nachhaltigkeit“ und „Klimaschutz“ das wahre Ziel der Haushaltssanierung verschleiern zu können. Zwar erhält die Stadt schon Konzessionsabgaben und Steuern, die der Wasserversorger über die Wasserpreise erhebt, aber anscheinend wollen die Wiesbadener mit Wasser noch mehr Geld einnehmen.

Wenige Tage vor Weihnachten hat die Stadtverordnetenversammlung in Wiesbaden den Haushaltsplan 2024 beschlossen. Neben der angesichts der Haushaltslage kaum überraschenden Erhöhung der Friedhof-, Abfall und Abwasser-Gebühren, hat die Mehrheit aus Bündnis90/Die Grünen, SPD, Die Linke und Volt einen sogenannten Nachhaltigkeitsbeitrag für den Wasserverbrauch und Klimaschutz verabschiedet. Das Entgelt, so ist der Beschlussvorlage zu entnehmen, soll aber nicht nur die Kasse füllen, sondern auch eine Lenkungswirkung beim Wasserverbrauch entfalten. Denn die Koalition verspricht sich zwar Mehreinnahmen beim Geld, aber zugleich Minderverbrauch beim Wasser. Letzteres ist angesichts der Trockenjahre und knapper werdenden Wasserstände im „Hessischen Ried“, von wo Wiesbaden etwa 40 Prozent des Wassers bezieht, sogar angebracht. Immerhin verbrauchten die Wiesbadener im Jahr 2022 durchschnittlich täglich 141 Liter Wasser und lagen damit sehr deutlich über dem Durchschnitt der Nachbarstädte im Regierungsbezirk Darmstadt, der bei 129 Litern lag. Hinzu kommen Wasserverluste, die in ihrer Höhe laut aktueller Wasserbilanz des RP Darmstadt ein deutliches Optimierungspotenzial aufweisen. Ob allerdings eine Wasserverbrauchssteuer dazu beitragen kann, ist zumindest fraglich. Wenn Verbraucher tatsächlich auf Preisanreize reagieren würden, hätte man bei der Höhe des Wasserverbrauchspreises in Wiesbaden eigentliche geringere Verbräuche erwarten dürfen. Reaktionen dürfte es geben, allerdings anders als von der Politik erhofft.

So wird das Vorhaben in der Sitzungsvorlage für die Stadtverordnetenversammlung beschrieben

25 Prozent höhere Wasserkosten

Was den Wiesbadener Bürgern diese Maßnahme kostet, ist in den Sitzungsunterlagen nicht mit einer Zeile zu lesen. Das verschweigen die Politiker den Bürgern. Der Verbrauchspreis für Wasser liegt bei 3,42 Euro je Kubikmeter. Durch die 0,90 Euro Wasserverbrauchssteuer, die aus umsatzsteuerlichen Gründen nicht vom Wasserversorger erhoben wird, steigt der Wasserpreis um über 26 Prozent.

Dass diese Steigerung schon schmerzhaft werden könnte, belegt die folgende Rechnung: Eine Familie, die im Jahr 150 Kubikmeter Wasser abgenommen hat, muss wegen der Wasserverbrauchssteuer eine Mehrbelastung von 135 Euro im Jahr verkraften. Hinzu kommt natürlich der Wasserpreis, den der örtliche Wasserversorger erhebt. Dieser setzt sich aus dem Verbrauchspreis und einem jährlichen Grundpreis in Höhe von rund 26 Euro zusammen. Zusammengerechnet kommt die Familie auf Frisch-Wasserkosten in Höhe von 674 Euro.

Ein vierköpfiger Haushalt mit dem täglichen Durchschnitts-Pro-Kopfverbrauch von 141 Litern landet so bei 915 Euro im Jahr. Damit nähert sich Wiesbaden einem Spitzenplatz in Hessen. Hinzugerechnet werden muss noch die Gebühr für die Abwasserentsorgung. Das sind weitere 567 Euro. Insgesamt zahlt die Familie für Frisch- und Abwasser künftig fast 1.500 Euro im Jahr.

Einkommensstarke sollen für Einkommensschwache die Mehrkosten übernehmen

Mit Einführung der Wasserverbrauchssteuer, also dem „Nachhaltigkeitsbeitrag“, erhofft sich die Stadt Mehreinnahmen in Höhe von 16 Millionen Euro im Jahr. Eigentlich dürften es nur 14,5 Millionen sein, würde man den Wasserabsatz in Höhe von 16 Millionen Kubikmeter zugrunde legen. Aber die Maßnahme muss von der Stadt „sozial abgefedert“ werden, wie es heißt. Da das Sozialgesetzbuch sozial Schwache bei den „Kosten der Unterkunft“ entlasten wird, so die Planung, müssen dadurch erforderliche Entlastungen in Höhe von rund 0,8 Millionen Euro von der Allgemeinheit getragen werden. Ein durchaus übliches Verfahren, aber wie wenig die Stadt mit den Verbrauchsgewohnheiten und Gegebenheiten vertraut sind, zeigt die Einschätzung, wonach „statistisch der individuelle Wasserverbrauch vom Einkommen abhängig (ist), sodass die Belastung von einkommensstarken Haushalten höher ausfällt„. Diese Erkenntnis läßt sich bestenfalls auf eine politisch motivierte anekdotische Evidenz zurückführen – Belege dafür gibt es jedenfalls nicht.

Wie geht es wohl weitergehen wird?

Bevor jetzt bundesweit die Kämmerer auf ähnliche Ideen kommen, sollten sie erstmal abwarten wie es weiter gehen wird. Das Wiesbadener Rechtsamt hatte schon vorsorglich eingeräumt, dass mit der Wasserverbrauchssteuer Neuland beschritten wird. Nicht nur das, sondern auch ein dünnes Eis, möchte man vorsorglich warnen. Die oppositionelle CDU hat bereits die Kommunalaufsicht angerufen. Vielleicht sollten die Wiesbadener auch mal ins ebenfalls hessische Kassel schauen. Da wurden die überhöhten Wassergebühren erst kürzlich vom Verwaltungsgericht kassiert und müssen nicht nur gesenkt werden, die Gebührenzahler werden sogar Rückerstattungen erhalten.

Früher waren hessische Kommunen, wie sich manche Experten noch zu erinnern wissen, bei den Wasserpreisen ständig in den Schlagzeilen. Damals standen die Versorger, zumeist mit nicht unmaßgeblichem kommunalen Anteil und noch mehr Einfluß, wegen überhöhter Wasserpreise am Pranger. Dem Zugriff der Landeskartellbehörde haben sich viele durch die „Flucht ins Gebührenrecht“ entzogen. Offensichtlich meinen die Kommunen, sich mit der gewonnenen Freiheit auch neue Einnahmequellen erschließen zu können. Wenn sie sich das mal nicht täuschen….

Quellen


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