Viel Ärger trotz Rekommunalisierung: Wassergebühren bei Kasselwasser rechtswidrig

Erneut ist die Stadt Kassel mit ihren Wassergebühren vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. In dem aktuellen Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtshofes (HessVGH) wurden die Kasseler Wassergebühren wegen der einkalkulierten Konzessionsabgaben und damit zu hohen Gebühren für rechtswidrig erachtet. So zahlten über 70.000 Hauseigentümer jährlich mehr als vier Millionen Euro zu viel für ihr Wasser.

„Flucht ins Gebührenrecht“

Der Eigenbetrieb Kasselwasser wurde im Jahr 2012 im Zuge der damals so bezeichneten „Flucht ins Gebührenrecht“ und der Sorge vor dem wirtschaftlichen Druck zur „Privatisierung der Wasserversorgung“ begründet. Ein erklärtes Ziel der Politik war, sich mit der Neugründung der Preiskontrolle durch die Landeskartellbehörde zu entziehen. Diese ist für kommunale Eigenbetriebe, wenn sie Gebühren erheben, nicht zuständig. Vorausgegangen war eine Aufforderung der hessischen Landeskartellbehörde an den damaligen Vorgänger als Wasserversorger, die Städtische Werke, die aus ihrer Sicht überhöhten Wasserpreise zu senken. Es kam zu einer Einigung, bei der die Städtischen Werke 17,8 Millionen Euro für den Zeitraum 2008 bis 2012 an ihre Kunden zurückzahlen mussten. Pikanterweise hatte man das zweite Ziel, die Privatisierung verhindern zu wollen, mit der Sorge vor überhöhten Wasserentgelten begründet. Das Urteil belegt, dass man hiermit gescheitert war – trotz Rekommunalisierung oder besser „wegen“.

Um sich dem weiteren Zugriff des Kartellamtes zu entziehen, und weil die Stadt Kassel das Trink- und Abwassernetz bei geringeren Einnahmen in der Substanz gefährdet sah, stimmten die Stadtverordneten 2012 für die Gründung des Eigenbetriebs Kasselwasser. Dabei gibt es eine Aufgabenteilung: Kasselwasser stellt seitdem die Gebühren in Rechnung, der Betrieb des Wassernetzes läuft über die Städtische Werke Netz und Service GmbH (NSG), der auch die Infrastruktur gehört. Kasselwasser bezahlt die NSG aus ihren Gebühren für die Pacht und den Betrieb des Netzes.

Als unzulässig bewertete es nun der HessVGH, dass die Stadt Kassel über ihren Eigenbetrieb Kasselwasser seit 2012 eine 15-prozentige Konzessionsabgabe auf die Gebühren aufschlägt, was einem städtischen Betrieb aber nicht gestattet ist.

Konzessionsabgabe hätte gebührenmindernd berücksichtigt werden müssen

In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Ansatz der Konzessionsabgabe unter Berücksichtigung der insoweit bindenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zwar nicht aus preisrechtlichen Gründen zu verneinen sei. Die von der Stadt vereinnahmte Konzessionsabgabe habe aber jedenfalls auch auf der Einnahmenseite gebührenmindernd berücksichtigt werden müssen. Es sei insoweit eine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise hinsichtlich der bei der Stadt im Zusammenhang mit der Wasserversorgung stehenden Ein- und Ausgaben geboten.
Da die Stadt Kassel die Einnahmen durch die Konzessionsabgabe im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht gebührenmindernd in Ansatz gebracht habe, liege insoweit ein beachtlicher Fehler vor, der zu einer erheblichen Kostenüberschreitung und zur Unwirksamkeit der Wasserversorgungssatzung führe.
Die schriftlichen Urteilsgründe liegen derzeit noch nicht vor.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden hätte. Es könnte also noch eine Fortsetzung geben…

Hat das Urteil Auswirkungen auf andere Eigenbetriebe?

Es gibt zu diesem Urteil eine Vorgeschichte: Erst das Verwaltungsgericht Kassel und danach der HessVGH hatten zuletzt mit Urteil vom 11.12.2018 (5 A 1307/17) die Heranziehung von Grundstückseigentümern zu Wassergebühren durch die Stadt Kassel für das Jahr 2012 für rechtswidrig erklärt. Sie sahen die Konzessionsabgabe nicht als Bestandteil der Gebühren an. Dann allerdings hob das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 23.03.2021 die Entscheidung des HessVGH auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den HessVGH zurück. Dessen Urteil liegt jetzt vor.

Rekommunalisierung mit unerwünschten Nebenwirkungen

Juristen gehen davon aus, dass die Entscheidung auch für weitere Rekommunalisierungs-Eigenbetriebe mit vergleichbaren Vertragsgestaltungen Bedeutung haben wird. Denn sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, wird nicht nur das Kasseler Kalkulationsmodell zu überprüfen sein. Die Kasseler Bürger werden sich aber fragen, wann es endlich Klarheit und Rechtskraft bei den Wassergebühren geben wird. Seit mehr als zehn Jahren wird um jährlich vier Millionen Euro gefochten, die entweder die Kasseler Wassernutzer über ihre Gebühren zu zahlen haben, oder die Kasseler Steuerzahler aufzubringen haben – kurzum „linke Tasche oder rechte Tasche?“ – wenn die Gerichtskosten, die Unsicherheit und der Ärger nicht wären. So hatten sich das die Bürger bei der Rekommunalisierung genau sicher nicht vorgestellt.

Foto: Pixabay

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