Weshalb die ARD-Doku „Durst – wenn unser Wasser verschwindet“ für Irritationen gesorgt hat (Interview)

Alles andere als ungeteilte Zustimmung hat die SWR-TV-Dokumentation „Durst – wenn unser Wasser verschwindet“ im Rahmen der ARD-Aktion #unserWasser aus der Fachwelt erhalten. Den Ergebnissen von Gravitationsmessungen zufolge, gäbe es in Deutschland dramatisch geringe Grundwasser-Dargebote, erklärte ein US-Wissenschaftler in dem am 16. März ausgestrahlten Beitrag. Dies sorgte in Wasser-Fachkreisen für Irritationen und auf Facebook & Co. für besorgte Nachfragen in der Bürgerschaft. Grund genug, in der Fachwelt nachzufragen. Daher habe ich deutsche Wasser-ExpertInnen um Ihre Einschätzung gebeten. Eine von ihnen war Frau Dr. Sabine Bergmann, Fachbereichsleiterin „Grundwasser, Wasserversorgung, Trinkwasser und Lagerstättenabbau“ im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV).

Beim Thema Grundwasser herrsche viel Unwissenheit – auch in den Medien. Zwar sei die Grundwasserneubildung in Nordrhein-Westfalen feststellbar rückläufig, aber beim Dargebot könne zumindest in der hiesigen Region nicht von einem „kritischen Niveau“ gesprochen werden. Das Grundwasserdargebot lasse sich nicht mit der Gravitationsmessmethode feststellen. Das sind einige der Kern- bzw. „kernigen“ Aussagen von Dr. Bergmann. Das Thema sei aus ihrer Sicht spannend, wichtig und in der Tat „erklärungsbedürftig“, bzw. erklärungswürdig. Während sie gleichzeitig inhaltliche Vorschläge für einen Beitrag zu diesem wichtigen Thema macht, äußert sie Kritik an der Art der Darstellung und an den Ausführungen in der ARD-Doku. Offensichtlich war dies der Steigerung der öffentlichen Wahrnehmung geschuldet. Dazu hatte der Regisseur der Doku, Daniel Harrich, mir im Vorfeld erklärt, dass durchaus die Absicht bestanden hätte, die Fernsehzuschauer wach zu rütteln. Vielleicht gibt es ja eine weitere Doku. Hierfür macht Dr. Bergmann zum Schluss einige Empfehlungen wie ein solcher Beitrag inhaltlich gestaltet werden könnte.

Nachfolgend nunmehr ihre Antworten auf meine Fragen zur die ARD-Doku und den darin getätigten Aussagen:

Frage: Was bedeutet eigentlich „Grundwasserdargebot“?

Antwort Dr. Bergmann: Das Grundwasserdargebot ist die Summe aller positiven Wasserbilanzglieder, z.B. Grundwasserneubildung aus Niederschlag und Zusickerung aus einem oberirdischen Gewässer, für einen Grundwasserabschnitt (z.B. Grundwassereinzugsgebiet, Grundwasserkörper oder –Teilgebiet). Der Teil des Grundwasserdargebots, der durch technische Maßnahmen gefördert werden kann, wird als gewinnbares Grundwasserdargebot bezeichnet. Das nutzbare Grundwasserdargebot ist dagegen der Teil des gewinnbaren Grundwasserdargebots, der für Wasserversorgungszwecke unter Berücksichtigung bestimmter Randbedingungen, z.B. ökonomischer oder ökologischer Art, genutzt werden kann. (nach: Lexikon der Geowissenschaften).

Wie ist eigentlich die Datenlage beim Grundwasserdargebot?

Das durchschnittliche Grundwasserdargebot wird in der Regel als Durchschnittswert in Millimeter/Jahr angegeben. Als Planungsgrundlage wird in der Regel der Durchschnittswert aus einer aktuellen 30-jährigen Zeitreihe zugrunde gelegt. Außerdem kann die Entwicklung des Dargebots unter dem Einfluss des Klimawandels oder unter dem Einfluss der Landnutzungsverteilung mittels Trendauswertung oder mithilfe von Modellrechnungen untersucht werden. Für Nordrhein-Westfalen finden Sie einige Publikationen auf den Internetseiten des LANUV (z.B. LANUV-Fachbericht 110, Teilbericht IX (Quelle s.u.)), die ermittelten Daten stehen auch unter www.opengeodata.nrw.de zur Verfügung. Außerdem werden vom LANUV landesweit verteilte Grundwassermessstellen hinsichtlich ihrer langjährigen Wasserstandsentwicklung untersucht und ausgewertet. Auch daraus lassen sich Rückschlüsse auf anthropogene und klimatische Einflüsse ziehen.

Es zeigt sich, dass die aus Klimadaten berechnete Grundwasserneubildung in den letzten 20 Jahren signifikant niedriger gewesen ist als in den Jahrzehnten davor. Besonders in den Jahren 2018 bis 2020 war sie gering. Korrespondierend dazu haben wir an vielen Grundwasserstandsmessstellen in den Jahren 2018 bis 2020 historische Tiefstände gemessen. Das Grundwasser füllt sich in der Regel im Winterhalbjahr (November bis April) wieder auf („Grundwasserneubildungsphase“), um dann im Sommerhalbjahr (überwiegend Mai bis Oktober) beständig abzunehmen. Im Februar 2022 waren die Grundwasserstände in NRW auf einem für Februar zumeist durchschnittlichen Niveau angekommen. Das heißt, die Grundwasserstände im obersten Grundwasserstockwerk haben sich seit den Trockenjahren wieder „erholt“.

Was kann (im Gegensatz dazu) mittels Satellitendaten oder „Gravitationsmessung“ bestimmt werden?

Mit Satellitendaten kann kein Grundwasserdargebot (obige Definition!) bestimmt werden. Es kann identifiziert werden, wo sich Wasser befindet (Tiefe, Mächtigkeit) – dadurch sind grobe Abschätzungen des Wasservorrats (Wassermenge pro Quadratkilometer), gespeichert im Boden und im Grundwasserleiter) möglich. Langfristig lassen sich Veränderungen / Verschiebungen detektieren. Das kann für einige Fragestellungen globaler Art definitiv von Interesse sein. Dabei muss man allerdings unterscheiden einerseits zwischen Wasser, welches in der Atmosphäre, in der Vegetation, im belebten Boden und in der ungesättigten Bodenzone unterhalb des durchwurzelbaren Bodens gespeichert wird (oberhalb des obersten Grundwasserstockwerkes), und anderseits Wasser, welches sich in der gesättigten Bodenzone (unterhalb der Sickerstrecke, im vollständig wassererfüllten Porenraum) befindet, also Grundwasser. Das Grundwasser wiederum unterteilt sich in diverse Grundwasserstockwerke, wobei i.d.R. nur das oberste Grundwasserstockwerk unmittelbar am Wasserkreislauf (aus Verdunstung, Niederschlag, Versickerung -> Neubildung) teilnimmt. In tieferen Grundwasserstockwerken befinden sich weitere Grundwasservorräte, dieses Grundwasser kann viele Jahrhunderte alt sein und vermischt sich natürlicherweise nur sehr langsam durch Zuflüsse / Zusickerung von jüngerem Grundwasser. Werden diese alten Grundwasservorräte genutzt (Trink-/Brauchwasserentnahmen, Bergbau), können diese langzeitlichen Vorräte „verbraucht“ werden, die sich nicht unmittelbar erneuern können (Exploitation). Dies geschieht anthropogen bedingt durch Tiefbrunnen und Bergbau.

Durch den Klimawandel wird primär nur der oberflächennahe Wasserkreislauf beeinflusst (Intensiviert, beschleunigt). Verdunstung wird angekurbelt, in der wärmeren Atmosphäre wird mehr Wasserdampf gespeichert, es kann dementsprechend auch zu ergiebigeren (Stark-)Regenereignissen kommen. Wasser liegt zu einem höheren Anteil gasförmig vor, wenn man so will, wird es dadurch „weniger nass“.

Bemerkenswert, und auch logisch ist, dass der Wasservorrat, der in der Vegetation und im Boden gespeichert ist, durch die Erderwärmung zurückgeht. Das ist allerdings nicht gleichzusetzen mit den Grundwasservorräten. Ein Zusammenhang besteht insofern, als bei anhaltend ausgetrocknetem Boden bzw. erhöhter Evapotranspiration (Gesamtverdunstung von einer natürlich bewachsenen Bodenoberfläche) und längerer Vegetationsperiode weniger Wasser versickert, oder das versickernde Wasser erreicht gar nicht die Grundwasseroberfläche. Dadurch kann die Grundwasserneubildung tatsächlich in einigen Jahren oder Regionen zeitweilig niedriger ausfallen, was aber durch vermehrte Winterniederschläge (zumindest im westlichen Teil Europas) oftmals kompensiert werden kann. In Summe wird ja das Wasser nicht „verbraucht“ – der Kreislauf wird nur beschleunigt, und es kann zu räumlichen und zeitlichen Verschiebungen kommen.

Trifft es zu, dass das Grundwasser-Dargebot in Deutschland mittlerweile auf einem kritischen Niveau liegt?

Es ist zu vermuten, dass hier gar nicht das Grundwasserdargebot gemeint ist bzw. gemeint sein kann. Ja, einige Brunnen sind (temporär) im Sommer oder längerfristig trocken gefallen, das gab es auch in der Vergangenheit. Ein Blick in die NRW-Daten zur Grundwasserneubildung zeigt, die Grundwasserneubildungsraten in den letzten Jahren war in der Tat unterdurchschnittlich. Die mittlere jährliche Wasserbilanz in den Grundwasserkörpern in NRW (ermittelt aus Grundwasserneubildung und Entnahmen pro Grundwasserkörper) ist durch diese klimatische Veränderung aber nicht ins Minus geraten. Nach EU-rechtlicher Regelung (EG-WRRL, Grundwasser-Richtlinie) und Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in Deutschland dürfen die Entnahmen und Abflüsse in einem Grundwasserkörper nicht größer sein als die jährliche Neubildung, die Wasserbilanz muss ausgeglichen sein. Dies wird auch von den Wasserbehörden und Landesumweltämtern überprüft, damit keine Übernutzung der Grundwasserressourcen hierzulande stattfindet. Mit Ausnahme der durch Bergbau beeinflussten Grundwasserkörper ist diese Anforderung in NRW auch in den letzten Jahren weiterhin erfüllt worden. Folglich kann hier nicht von einem „kritischen Niveau“ gesprochen werden. Das zeigen auch die Grundwasserstände, die sich nach den trockenen Sommern im Winter 2020/2021 wie auch im Winter 2021/2022 wieder auf Normalniveau „erholt“ haben.

Problematisch ist es global gesehen. In Ballungsräumen (Bevölkerungswachstum) und Industrieregionen sowie durch Rohstoffgewinnung und intensive Landwirtschaft (Bewässerung, Abholzung) findet zum Teil eine erhebliche Ausbeutung der tiefen Grundwasservorkommen (plus Verschmutzung und Versalzung) statt, es handelt sich bei den tiefen Grundwasservorkommen um Ressourcen, die sich im Rahmen des natürlichen Wasserkreislaufs nicht „erholen“. Auch hierzulande müssen die tiefen Grundwasservorräte vor einer Ausbeutung und Verschmutzung bewahrt werden, da sie in menschlichen Zeiträumen (Anthropozän…) nicht erneuerbar sind.

Findet die in der ARD-Doku beschriebene Methode hierzulande bereits Anwendung? In dem Fernsehbeitrag heißt es, die Methode sei „in Deutschland bisher unbekannt“.

Nun ja, dass man Wasservorkommen global gesehen bzw. deren globale Verteilung aus dem Weltall mit Satelliten feststellen und anhand der Aufzeichnungen auch räumlich / mengenmäßig auswerten kann, ist nicht überraschend. Übrigens wurde das Verfahren der „Gravitation“ zur Ermittlung von Grundwasservorkommen von oben schon in der Vergangenheit mit der Wünschelrute mit ausreichendem Erfolg angewendet. Heutzutage macht man es eben aus etwas größerer Flughöhe und etwas größerem technischen Aufwand, die raum-zeitliche Auflösung ist daher etwas ungenauer als beim Wünschelrutengehen, dafür ist der raum-zeitliche Überblick deutlich größer und die Ergebnisse sind besser darstellbar.

Können Sie beurteilen, inwieweit aus Ihrer Sicht die gezeigten Daten mit den Gegebenheiten beim Grundwasser-Dargebot in Deutschland übereinstimmen?

Da in dem Beitrag die Begrifflichkeiten derart durcheinander gehen, keine „Methode“ erklärt wurde und weder Daten noch Fakten dargestellt wurden, sind keine Vergleiche und ist keine „Validierung“ möglich. Der „Hokuspokus“ entzieht sich jeder wissenschaftlichen Deutungsmöglichkeit.

Wo sehen Sie ggf. Schwachstellen bei der Verwendung der Gravitationsmessung bei der Bestimmung des Grundwasser-Dargebots?

Wie oben ausgeführt, beginnt die erste „Schwachstelle“ bereits dabei, dass unter keinen Umständen hier das „Grundwasser-Dargebot“ gemeint sein kann (obige Definition). Das würde ich bereits als eine erhebliche methodische Schwäche bezeichnen, so dass eine wissenschaftliche Verwertbarkeit fehlt. Das Grundwasserdargebot lässt sich keinesfalls mit einer entsprechenden „Gravitations“-Methode ermitteln. Jedenfalls finden sich keine Anhaltspunkte, wie das gemeint sein soll. Wasservorräte (bzw. deren Verteilung) können mit einer groben bis sehr groben räumlichen und zeitlichen Auflösung mit „so einer Methode“ bestimmt werden, wobei unklar ist, inwieweit dabei zwischen dem in der Atmosphäre, in der Biosphäre, im Boden, im oberflächennahen Grundwasser und tiefen Grundwasservorkommen unterschieden werden kann.

Anmerken möchte ich, dass das Thema durchaus ein Ernstes ist, und deshalb ist die Art der Darstellung aus meiner Sicht leider sehr missraten. Gut wäre ein auf Daten und Fakten basierender Beitrag zur Frage: – Wie wird der Wasserhaushalt durch menschliche Tätigkeiten, Industrie, Bergbau, Landwirtschaft, Bevölkerungsentwicklung beeinflusst – hierzulande und global? Wie wird der Wasserhaushalt durch den Klimawandel hierzulande und andernorts beeinflusst? Was ist für einen nachhaltigen Umgang mit den Wasserressourcen zu tun, worauf ist hierzulande zu achten, worauf ist global gesehen zu achten… ? Spannend wäre so ein Beitrag durchaus, nach meinem Fürhalten aber völlig anders aufzubauen.

Mit dieser Empfehlung – zweifellos adressiert an das Redaktionsteam von #unserWasser bzw. der ARD-Doku – enden die kritischen Erläuterungen von Frau Dr. Bergmann. Ich habe mir nicht erlaubt, den Text zu kürzen, da er in seiner Gesamtheit ein aus meiner Sicht sehr schlüssiges Bild bietet.

In nachfolgenden Blogbeiträgen werde ich die Herren Professor Dr. Thomas Himmelsbach von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und Professor Dr. Frank Flechtner vom Helmholtz Zentrum Potsdam zu Wort kommen lassen. Einige der Aussagen von Frau Dr. Bergmann finden sich auch in deren Rückmeldungen wieder. Damit ergibt sich ein schlüssiges Bild der Grundwassergegebenheiten in Deutschland. Dessen ungeachtet muss – und auch das wird in den Fachmeinungen deutlich – die Verteilung und Nutzung der Grundwasserressourcen in einigen Regionen mit deutlich mehr Zurückhaltung betrieben werden. Wenn diese Botschaft in der breiten Bevölkerung und bei den politischen Entscheidungsträgern ankommt – und so gehandelt wird, dann ist viel erreicht.

Danksagung

Ich danke Frau Dr. Bergmann, Herrn Professor Dr. Flechtner (GFZ) und Herrn Professor Dr. Himmelsbach (BGR) für die freundliche Unterstützung und die spontane Bereitschaft, für ein Interview zur Verfügung zu stehen.

Hier geht es zu den beiden anderen Interviews zur ARD-Doku:

Weiterführendes

  • Durst – Wenn unser Wasser verschwindet, ARD-Dokumentation Folge 1 (ARD-Mediathek – bis 15.3.2023 abrufbar)
  • Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)
  • Projektionen der Grundwasserneubildung unter dem Einfluss des Klimawandels in Nordrhein-Westfalen mit dem Wasserhaushaltsmodell mGROWA und dem Regionalen Klimaprojektionen Ensemble (ReKliEs) für Deutschland, LANUV-Fachbericht 110
  • Kritische Gedanken „Bis zum letzten Tropfen“- dem ARD-Event mit „Investigativ-Spielfilm“ und „Dokumentation“, (Gastbeitrag) Leonardo van Straaten in LebensraumWasser
  • Vom ARD-Wasserevent zum Straßenfeger: #unserWasser – Interview mit dem Investigativ-Regisseur Daniel Harrich“, LebensraumWasser

3 Kommentare

  1. Eines vorab: Ich freue mich über jeden Beitrag, der sich konstruktiv mit dem Schutz des tiefen Grundwassers und der Sicherung der Versorgung aus dieser Ressource auch für künftige Generationen beschäftigt. Daher bin ich auch interessierter Leser dieses Blogs. Was mir aber sehr auffällt ist das Plädoyer für „Verbundlösungen“… Ist es nicht so, dass bereits große Teile der „ortsnahen Versorgung“ längst in den Händen großer Konzerne zusammenlaufen? Wer sind denn – zum Beispiel in der viel diskutierten Region Lüneburg oder auch insgesamt im Norden der Republik – die „lokalen“ Versorger?
    Ortsnah – wunderbar! Lokale Strukturen – toll! Aber Abhängigkeiten von Konzernen…???

    • Verantwortlich für die öffentliche Wasserversorgung im Raum Lüneburg sind zwei „lokale Versorger“ (die Wasserbeschaffungsverbände Lüneburg Süd und Elbmarsch als Körperschaften öffentlichen Rechts) und ein privatrechtlich organisierter regionaler Dienstleister, die Purena GmbH, die für Lüneburg Süd auch Betriebsführungsaufgaben übernimmt. Eine Übersicht, in welchem Umfang die Wasserversorgung in Deutschland öffentlich-rechtliche bzw. privatrechtlich organisiert ist, können Sie der Abbildung auf Seite 33 des „Branchenbildes Wasser“ (https://www.dvgw.de/leistungen/publikationen/publikationen-wasser/branchenbild-wasser-2020/) entnehmen, wobei privatrechtlich organisierte Wasserversorger sich mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand befinden können (Beispiel Hamburger Wasserwerke GmbH). Abhängigkeiten von Konzernen kann ich da nicht erkennen.

      Das Örtlichkeitsprinzip des Deutschen Wasserrechts hat Vorteile, aber auch Nachteile. So kann es z.B. sein, dass die lokale Wasserversorgung aus hydrogeologischen Gründen an Grenzen stößt. In solchen Fällen tragen lokale oder regionale Verbundlösungen zur Versorgungssicherheit bei. Durch den Klimawandel wird das an Bedeutung zunehmen.

  2. In Niedersachsen wird das Grundwasserdargebot differenziert betrachtet. Vereinfacht ausgedrückt: Die langjährige mittlere Grundwasserneubildung eines Grundwasserkörpers wird als „Gesamtdargebot“ bezeichnet. Nach Abzug eines Trockenwetterabschlags, eines Ergiebigkeitsabschlags und eines Salzwasserabschlags verbleibt das sog. „gewinnbare Trockenwetterdargebot“. Davon werden alle bereits genehmigten Entnahmen abgezogen. Es verbleibt die „Trockenwetterdargebotsreserve“. Sie steht jedoch nicht vollständig für die Wassergewinnung zur Verfügung, weil auch die Natur Grundwasser benötigt. Es muss also zunächst noch ein Ökoabschlag berücksichtigt werden, um die „nutzbare Dargebotsreserve“ zu erhalten.

    Die genannten Mengen können in erster Näherung abgeschätzt werden (siehe https://www.umwelt.niedersachsen.de/download/78608).

    Wenn die Ausgangsgröße „Grundwasserneubildung“ durch den Klimawandel abnimmt (was nicht unbedingt der Fall sein muss) und / oder der Bedarf an zusätzlichem Grundwaser aus dem gleichen Grund steigt, wird die rechnerische Größe „nutzbare Dargebotsreserve“, um die verschiedene Nutzergruppen konkurrieren, zwangsläufig kleiner. Aus diesem Grund wird aktuell über Nutzungshierarchien nachgedacht und diskutiert.

    Je angespannter die Lage wird, desto weniger werden Entscheidungen auf der Grundlage von Schätzverfahren akzeptiert werden. Deshalb brauchen wir ein wesentlich verbessertes Langzeit-Monitoring, das belastbare Daten liefert. Die Grace-Methodik kann dafür ein Baustein sein. Außerdem werden weiterentwickelte Modelle benötigt, die den Wasserbehörden mit Hilfe dieser Daten die fluktuierende nutzbare Dargebotsreserve in kürzerer zeitlicher Auflösung als bisher zur Verfügung stellen.

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