Braucht NRW eine Strategie für die Zukunft des Wassers?

Bekommt NRW jetzt eine „Zukunftsstrategie Wasser“? Die Landtagsdebatte am 13.2.2020 drehte sich um die „Großen Antwort“ auf die „Große Anfrage“ der Grünen zur Zukunft des Wassers in NRW. Am Ende schlug deren umweltpolitischer Sprecher, Norwich Rüsse, eine Zukunftsstrategie vor. Die bisher bekannten Schritte auf dem Weg dahin beschreibt dieser Beitrag.

Umweltministerin ist stolz auf den Bericht zur Zukunft des Wassers

171 Antwortseiten folgten den 196 Fragen der Grünen. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser zeigte sich zufrieden über die Ergebnisse der Aufbereitung der wasserwirtschaftlichen Fragestellungen ihre Ministeriums. Es sei ein Abschiedsgeschenk ihres früheren Abteilungsleiters gewesen, des im November ausgeschiedenen Gerhard Odenkirchen, und seinem Team. Anfang Januar hatte ich mit Redaktionskollegen Gelegenheit mit ihr über die Wasserpolitik im Land zu sprechen. Auch wenn sie noch keine Antwort auf die Frage hatte, wann die Novelle des Landeswassergesetzes kommt, war sie dagegen stolz auf die Aufarbeitung der Wasserwirtschaft in NRW. Dabei gibt es in der Wasserpolitik des Landes noch viele „offene Baustellen“. Eine hat das Landeskabinett heute bereinigt: den Entwurf zur Novellierung der Landesdüngeverordnung. Dennoch gibt es an der Ressourcenseite noch viel zu tun.

Prioritäre Handlungsbedarfe für die Wasserwirtschaft in NRW belegen Dringlichkeit

Einem Gemeinschaftswerk der führenden wasserwirtschaftlichen Institute ist es zu verdanken, dass wir wissen was zu tun ist. In ihrer „Studie zum Stand und zu prioritären Handlungsfeldern der Wasserwirtschaft in NRW“ zeigen IWW, FiW und IKT im Sommer 2019 auf, wo der Schuh drückt. Dabei geht es sowohl um die Bewältigung der Versäumnisse aus der Vergangenheit („Handlungsfeld 1: Alternde Infrastruktur und fehlende Investitionen“), als auch um die Gestaltung der Zukunft der Wasserwirtschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland („Handlungsfeld 6: Innovation und Digitalisierung in der Wasserwirtschaft beschleunigen“).

Den Institutionen der Wasserwirtschaft wird von den Autoren „ein hohes Maß an Fachkompetenz und Zuverlässigkeit zugeschrieben“. Doch bei den Schwächen sparen die Institute nicht mit Warnungen: „Die begrenzte Anpassungs- und Innovationsfähigkeit vor allem kleinerer Wasserversorgungsunternehmen und Abwasserbetriebe ist insbesondere mit Blick auf den zunehmenden Wandlungsdruck als Schwäche der Wasserwirtschaft in NRW auszulegen. Die fehlende Finanzkraft vieler Kommunen, rechtliche Hürden, ein komplexer werdender Ordnungsrahmen und eine stetig wachsende Anzahl von Umweltschadstoffen und die Anpassungserfordernisse aufgrund der großen Veränderungen verschärfen dieses Problem und können auch bei größeren Kommunen die Wahrnehmung der ohnedies bestehenden Aufgaben der Wasserwirtschaft beeinträchtigen.“ Auch wenn die Wasserwirtschaft gemeint ist, die Landespolitik kann dabei nicht entspannt zur Tagesordnung übergehen und die nur diskutieren.

Landesregierung liefert viele Antworten, läßt aber noch offene Baustellen erkennen

Das tut sie auch nicht. In ihrer „Großen Antwort“ zeigt die Regierung zahlreiche Handlungsfelder auf und anerkennt deren Priorität, konkrete politische Leitplanken oder gar Ziele läßt sie in weiten Teilen noch vermissen. So erklärt sie zwar dass wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Verunreinigungen direkt beim Verursacher ansetzen sollten und durch diesen mitfinanziert werden müssten. Da es aber nicht möglich sei, eine konkrete Kostenbelastung für den einzelnen Versorgungsfall verursacherbezogen auszuweisen, könnten nicht alle Verursacher adäquat an eventuellen Zusatzkosten beteiligt werden.“ An dem vorstehenden Beispiel erkennen wir ein grundsätzliches Dilemma der Landespolitik: Handlungsbedarf beim Verursacherprinzip wird anerkannt, die Konkretisierung scheitert dagegen an der Datengrundlage und Identifikation der Verursacher. Dabei wäre es sicher zu einfach, nur auf die Landwirtschaft zu zeigen, zumal sich viele Landwirte umweltkonform verhalten. Vielleicht sollte es gerade deshalb darum gehen, die „Schwarzen Schafe“ zu identifizieren und sie zur Kasse zu bieten. Denn am Ende müssen die Falschen dafür gerade stehen.

Klimafolgen werden Nutzungskonflikte verschärfen

Ein ähnliches Problem ergibt sich aus den Klimafolgen für das Dargebot und die Verteilung der Ressourcen. Auch wenn die Regenfälle der vergangenen Wochen die Anspannung in den Grundwasserkörpern entschärft und die Talsperren wieder aufgefüllt haben, der nächste trockene Sommer dürfte die Gräben bei der Verteilung der knappen Ressource Wasser wieder aufbrechen lassen. Den Begriff „Nutzungskonkurrenzen“ kannten wir bisher nur aus Auslandsberichten, mittlerweile finden wir ihn in den Lokalzeitungen. Darauf muss auch die Landespolitik eine Antwort liefern.

Mehr Regulierung könnte Interessenskonflikte ausgleichen, meinen die Grünen

Das sahen auch die Grünen im Landtag ähnlich und erklären in einer Stellungnahme auf die „Große Antwort“, dass Eingriffe in den Grundwasserhaushalt, Schadstoffeinträge, aber auch die Nutzung gemäß Wasserentnahmeentgeltgesetz durch die Privatwirtschaft nicht nur aus Umweltgesichtspunkten konsequent reguliert werden müsse, sondern auch, um Klimafolgen abzuwenden und die Wasserversorgung dauerhaft zu sichern. Ich fragte daraufhin bei Norwich Rüsse, dem umweltpolitischen Sprecher der Grünen, nach. Seine Antwort: „Die Antwort auf die Große Anfrage Wasser hat verdeutlicht, dass uns die Ressource Wasser im Zuge des Klimawandels nicht mehr so selbstverständlich zur Verfügung stehen wird wie bisher. Nutzungskonflikte könnten sich dementsprechend zuspitzen, das schließt neben der Industrie auch die Landwirtschaft mit ein.“

Wissensdefizite bei den Wasserentnahmen als grundsätzliches Problem

Das bringt uns zurück zu einem Problems dass auch die Institute aufgezeigt hatten: die Datenlage. Auch die Landesregierung räumt ein, dass es keine amtliche Erhebung der Anzahl der Betriebe mit Bewässerungen in der Landwirtschaft gäbe. Gleichzeitig werde deutlich, so seine Einschätzung, dass die bei den unteren Wasserbehörden eingehende Anträge auf Wasserentnahme seitens der Landwirtschaft überwiegend genehmigt würden. Das kann natürlich so nicht sein, wenn die Wasserressourcen nachhaltig genutzt werden sollen.

Wenn das so ist, dürfte man darauf schlussfolgern, müssen Hausaufgaben gemacht werden. Das sieht auch Rüsse so, „zum Schutz unserer Ressourcen muss umgedacht werden. Genehmigungen zur Wasserentnahme sind daher neu zu bewerten, damit unser Wasserverbrauch nicht die Grundwasserneubildungsrate übersteigt.“ Mit anderen Worten, wer Wasser entnimmt und damit maßgeblich zum Absenken der Grundwasserstände beiträgt, der muss erfasst werden. Vielleicht auch reguliert. Nur so können wir die Wasserressourcen in NRW strategisch planen.

Einigkeit bei fast allen Landtagsfraktionen

In der Landtagsdebatte zur Antwort der Landesregierung am 13.2.2020 griffen die verschiedenen Redner, die sich abgesehen vom AfD-Vertreter, durch Kompetenz und Sachlichkeit auszeichneten, die Handlungsbedarfe auf.

André Stinka nutzt für die SPD-Fraktion die Handlungsfelder der Institute: Sicherstellung der Ver- und Entsorgung auf dem Land, mehr Investitionen in alternde Infrastruktur, neue Fachleute und eine Schutzstrategie für Wasserkreisläufe. Dabei macht er mit dem Hinweis auf die in der Debatte vorangegangenen Ausführungen der Ministerin Heinen-Esser ein „Fass auf“. Stinka zitiert die Ministerin in der Debatte, die darauf verwiesen hat, „dass wir neue Fragen auch auf der kommunalen Ebene werden diskutieren müssen, nämlich wer wann wie mit Wasser versorgt werden soll. Das ist eine Debatte, die bislang in Deutschland so intensiv nicht geführt wurde.“ Daher mache es aus seiner Sicht aber Sinn, dass sich der Landtag frühzeitig mit den Herausforderungen auseinandersetze, damit Sorgen und Planungsunsicherheiten in Bevölkerung, Landwirtschaft und Wirtschaft nicht aufkommen.

Ähnlich der Tenor von Dr. Ralf Nolten, der für die CDU-Fraktion der Landesregierung attestierte, dass die Probleme gut beschrieben worden seine, es aber noch ein bisschen an konstruktiven Vorschlägen fehle. „Diese“, so Nolten, „hätte man mehr ausführen können. Das ist unsere Aufgabe, wie wir sie auch im Ausschuss begreifen sollten.

Grüne schlagen Zukunftsstrategie Wasser NRW vor

Norwich Rüsse fasst für die Grünen-Fraktion die Diskussion zusammen und schlägt vor, eine Zukunftsstrategie Wasser für NRW zu entwickeln (übrigens ein Punkt über den wir wenige Tage zuvor bei meinem Besuch in Düsseldorf gesprochen hatten). Drei Handlungsfelder seien dabei zu identifizieren:

  1. Grundwasserneubildung,
  2. Schutz des Wassers vor Verunreinigungen und
  3. Sicherung der Wasserversorgung und der Verfügbarkeit von Wasser für die unterschiedlichen Inanspruchnehmer. In dem YouTube-Video unten findet man den O-Ton (Q.: Landtag NRW).

Die den Vorschlägen vorangegangene Debatte läßt hoffen, dass die Landtagsfraktionen dem Vorschlag folgen und sich mit der Zukunft des Wassers im Rahmen einer Strategie auseinandersetzen werden. Mehrere Bundesländer sind diesen Weg bereits gegangen. Sei es Brandenburg, mit ihrem auf die Siedlungswasserwirtschaft bezogenen Leitbild oder Hessen vor dem Hintergrund der Probleme in der Metropolregion. Niedersachsen steckt gerade knöcheltief im strategischen Prozess. Vorarbeiten für eine NRW-Strategie liegen auch in NRW bereits vor: die kommunalen Wasserversorgungskonzepte. Alle Kommunen haben ihre Konzepte in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet. Eine Vernetzung der Konzepte zu einer regionalen oder auch landesweiten Strategie macht ganz sicher Sinn. Vor dem Hintergrund der klimatischen Entwicklung braucht es Denken in Verbünden, dafür bedarf es einer Klammer im Land. Die Politik – nicht allein auf kommunaler Ebene – und die Behörden benötigen eine gleichermaßen aktuelle wie umfassende Datenbasis. Hier sind Hausaufgaben überfällig. Die Kompetenz und der Wille sind im Land vorhanden. Wasserversorger und Naturschutzinstitutionen fordern ein Handeln der Politik.

Am 4.3.2020 tagt erstmalig nach der Debatte der Umweltausschuss des Landtages. Die Wasserstrategie steht da noch nicht auf der Tagesordnung. Aber wir wollen nicht ungeduldig werden, die erkennbare Einigkeit der Debattenredner wird sicher darin münden, dass sich der Landtag sehr bald und umfassend mit der Wasserstrategie für NRW befassen wird. Die Zeit ist reif!

Quellen und Weiterführendes