Finanzminister bedient sich beim Wasserentnahmeentgelt. Und was sich noch ändern sollte…

Alter Wasserhahn mit tröpfelndem Wasser mit grünem Hintergrund

Die ganzheitliche Überprüfung der Wasserentnahmeentgelte in NRW ist überfällig! Die landwirtschaftliche Bewässerung muss nicht kostenlos bleiben – Landwirte könnten trotzdem profitieren. Der Finanzminister entnimmt jährlich mehrere Millionen Euro – trotz sinkender Einnahmen und steigender Ausgaben. Landesrechnungshof kritisiert unzureichende Datenlage. Fakten und Argumente aus einer Sachverständigenanhörung im NRW-Umweltausschusss.

Wenn es heiß wird, steigt der Bedarf an Wasser. Für die Entnahmen aus der Natur sind Wasserentnahmeentgelte zu bezahlen. In Rheinland-Pfalz gilt das künftig auch für landwirtschaftliche Bewässerungen. In NRW gibt es nach Aussage aus dem Umweltministerium (noch) keine konkreten Pläne. Nur das Entgelt einzuführen, ist womöglich auch zu kurz gesprungen. Besser wäre eine solide Überprüfung des gesamten Entgeltsystems in NRW und der technischen Erfordernisse zur Erfassung der Entnahmen aus den Bächen und Flüssen. Noch immer arbeiten die Behörden mit Eigenmeldungen auf analogem Wege. Was fehlt, sind digitale Zählersysteme, die die Entnahmen manipulationssicher an das Landesumweltamt meldet und den Abgleich mit den Entnahmerechten vornimmt. Aber nicht nur hier gibt es Handlungsbedarf. Der NRW-Finanzminister entnimmt jährlich mehrere Millionen Euro aus den schrumpfenden Topf des Wasserentnahmeentgelts in NRW, während die Aufwendungen für den Gewässerschutz ansteigen. Es gibt nämlich keine Zweckbindung….

Es zeichnet sich mit Klarheit ab, dass das Aufkommen an Wasserentnahmentgeltzahlungen ebenso sicher sinken wird, wie die Aufwendungen für die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umsetzung, wofür die Einnahmen verwendet werden, steigen werden. Es öffnet sich also eine Schere. Ungeachtet dessen greift der NRW-Finanzminister immer noch in den Topf und nimmt sich 4 Millionen Euro für den Allgemeinen Haushalt heraus. Das bestätigte das NRW-Umweltministerium auf meine Anfrage auch für das laufende Jahr 2023.

Im November 2020 war ich als Sachverständiger im Umweltausschuss des NRW-Landtages und habe auf die Handlungsbedarfe und Unzulänglichkeiten bei Wasserentnahmeentgeltgesetz NRW hingewiesen und eine Überprüfung des Wasserentnahmeentgelt-Systems in NRW empfohlen (Evaluierung). An der Begründung hat sich nichts geändert – im Gegenteil. Nachfolgend meine Manuskript mit den Fakten:

Meine Ausführungen in der Sitzung des NRW-Umweltausschusses am 9. November 2020:

Frage „Herr Gendries, begründen Sie doch bitte, weshalb jetzt der richtige Zeitpunkt die eine Evaluierung zum Wasserentnahmeentgelt ist“ (Norwich Rüsse, umwelt- und landwirtschaftspolitischer politischer Sprecher der Fraktion Bündnis90/DIE GRÜNEN in der letzten Legislaturperiode)

Meine Beantwortung:

(…..)

Einnahmen beim Wasserentnahmeentgelt

  • „Wir stellen zunächst fest, dass das Wasserentnahmeentgelt-Aufkommen in NRW seit Jahren kontinuierlich sinkt. Betrug das Aufkommen in 2017 noch 98 Mio. Euro, so werden im Haushaltsplanentwurf für 2022 nur noch 79 Mio. Euro veranschlagt. Im Jahr 2019 waren die WEE-Einnahmen im Zuge der „Energiewende“ um – 10 Mio. Euro auf nur noch 84 Mio. Euro gesunken, nachdem sie zwischen 2014 bis 2018 noch rd. 94 Mio. Euro betrugen.
  • Das Sinken des Mittelaufkommens bei Wasserentnahmeentgelt (WEE) hindert den NRW-Finanzminister aber nach wie vor nicht daran, von seinem Recht Gebrauch zu machen, die WEE-Mittel für den allgemeinen Teil des Haushalts zu verwenden. Waren es in den Jahren 2014 ff. noch bis zu 20 Mio. Euro, die in anderweitige Verwendungszwecke flossen, gab er sich 2019 mit nur noch 8 Mio. Euro zufrieden. Mittlerweile sind es immer noch 4 Mio. Euro die laut Landeshaushalt für 2022 den Wasserverwendungen entzogen werden.
  • Für die kommenden Jahre sind im ehemaligen „Industrieland“ NRW weitere Rückgänge der WEE-Einnahmen zu erwarten:
    • „Energiewende-Szenarien“ prognostizieren Rückgänge des Wasserbedarfs iHv. 50 % bis 2050. Das wird das aktuelle WEE-Aufkommen aus dem Bereich, der bei rund rd. 5,5 Mio. EUR liegt, dementsprechend halbieren. Mit dem Rückzug aus dem Kohlebergbau ist auch das WEE-Aufkommen aus diesem Sektor wegen des Wegfalls des Kühlwasserbedarfs drastisch gesunken.
      • Viele Industriebranchen, die heute wichtige Einzahler in den WEE-Haushalt sind, stellen auf Kreislaufführung und Mehrfachnutzung des Wassers ab. Sektoren wie die Automobilindustrie, Chemie oder Ernährung streben Null-Verbrauch bei Wassereinsatz an und geben diese Forderung zudem an ihre Zulieferer weiter. 

Hinweis: Bei der Sachverständigen-Anhörung des NRW-Umweltausschusses am 9.11.2020 hatte ich noch gemutmaßt, dass das WEE-Aufkommen bis 2030 um weitere bis zu – 10 Mio. Euro auf max. 74 Mio. Euro zurückgehen wird. Heute würde ich davon ausgehen, dass bis 2030 bei gleicher Entgelthöhe nur noch 68 Millionen Euro zur Verfügung stehen werden.

Mittelverwendung beim Wasserentnahmeentgelt

  • Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass der Mittelbedarf aus dem WEE in NRW kontinuierlich steigen wird. Denn aus dem Ministerium hört man „Die Vielzahl geplanter Maßnahmen zur Umsetzung der WRRL ist eine große logistische, fachliche und finanzielle Herausforderung“ (Aschemeier MLNUV, WRRL-Symposium, 2019).
  • Schon von 2010 bis 2019 hat sich die Mittelverwendung allein für die Wasserrahmenrichtlinie von 37,2 Mio. EUR auf mittlerweile 75,4 Mio. EUR mehr als verdoppelt. In 2022 werden die Mittel allerdings trotz steigender Anforderungen wiederum reduziert. So heißt es im Haushaltsplanentwurf 2022 „Zur gleichmäßigen Maßnahmenumsetzung werden in 2022 64,33 Mio. EUR Landesmittel zur Verfügung gestellt.“ Diese „werden aus dem Wasserentnahmeentgelt bereitgestellt.“
  • Um den finanziellen Bedarf deutlich zu machen, sei wiederum der Haushaltsplanentwurf 2022 zitiert: „Die fristgerechte Umsetzung des WRRL – Maßnahmenprogramms erfordert für den Bereich ökologische Gewässerentwicklung einen Investitionsbedarf von insgesamt etwa 3,9 Mrd. EUR.“ – das ist das 60-fache des Mittelaufkommens!

Fazit: Weniger Einnahmen bei steigenden Ausgaben! Was könnte getan werden?

Vervollständigung der Heranziehung auf Seiten der Verursacher 

  1. Den Basissatz von 5 ct/cbm beim WEE zu erhöhen, würde VerursachungsUNgerechtigkeit weiter verschärfen. Denn….
  2. …. die Kunden der Wasserversorger zahlen heute mit ihrem Trinkwasserverbrauch mit 48% fast die Hälfte des WEE-Aufkommens (netto: 41,3 Mio. €). 
  3. Fragen wir nach Verursachergerechtigkeit, dann fehlen die landwirtschaftlichen Bewässerungen.
  4. Landwirtschaftliche Bewässerungen mittels Grund- und Oberflächenwasser sind in NRW vom WEE befreit
  5. Als Grund werden nicht nur die Belastungen der Landwirte angeführt, sondern auch die Probleme bzw. der Aufwand bei der Erfassung 
  6. Jene Landwirte aber, die das Wasser vom Wasserversorger beziehen müssen, zahlen dafür wie alle Wasserkunden 5 Ct./cbm – und die Trinkwasserentgelte. 
  7. Das kritisieren neben mir auch andere Experten wie Prof. Gawel, der 2014 eine erstmalige Evaluierung des NRW-WEE durchgeführt hatte, die Umweltverbände sowie die Wasserwirtschaft schließen sich dieser Forderung an. Dass die Landesregierung eine solche Untersuchung eigentlich dem Gesetz nach hätte durchführen lassen müssen, hatte sie erst auf meine Anfrage hin bemerkt und dann kurz vor der heutigen Sitzung dem Plenum vorgelegt. Sie ist aber nicht ausreichend, da sie nicht auf die organisatorischen Aspekte eingeht.

Was wären die Vorteile eines WEE für die landwirtschaftliche Bewässerung?

  1. Auf 33.000 ha Fläche erfolgte 2015 IST-Bewässerung (IT.NRW Lt. „Landwirtschaftszählung)
  2. Bei rd. 2 Kubikmeter Wasser / ha, ermittelte die LWK-NRW rd. 60 Mio. Kubikmeter Bewässerungsentnahmen durch die Landwirtschaft.  
  3. Bei einer Bewässerungs-Potenzial-Fläche von rd. 60.000 ha (s. „Agrarstrukturerhebungen“ LT-Drs. 17/8021), kämen wird auf rd. 120 Mio. Kubikmeter Bewässerungspotenzial-Menge
  4. Bezogen auf die IST-Mengen wären bei 5 ct. weitere 3 Mio. € im WEE-Topf.
  5. IST und POTENZIAL erbrächten dann insgesamt 6 Mio. € für den WEE-Topf.
  6. Damit würden die Landwirte
    • nicht nur an den von ihnen mitverursachten Kosten iSd. der Internalisierung externer Kosten beteiligt,
    • sie erhielten auch einen ökonomischen Anreiz sich wassereffizienter zu verhalten.
  7. Landwirte könnten auch profitieren
    • Viele Landwirte, so ist zu hören, sind auf die Folgen des Klimawandels und die Erfordernisse der effizienten Bewässerung nicht ausreichend vorbereitet.
    • Daher könnte das Wasserentnahmeentgelt auch dafür verwendet werden, gezielte Bewässerungsberatung für die Landwirte zu finanzieren.
    • Denkbar wären auch erfolgsabhängige Subventionen für investive Maßnahmen zur Steigerung der Bewässerungseffizienz.

Damit könnte das Wasserentnahmeentgelt in NRW in Zukunft durch auf dem heutigen Niveau gehalten werden.

Meine Ausführen mögen als ein Impuls für ein verursachungs- und bedarfsgerechtes Wasserentnahmeentgelt in NRW verstanden werden, um die Finanzierung von Maßnahmen iZshg. mit der Wasserrahmenrichtlinie mit Blick auf die zukünftigen Herausforderungen auf ein sicheres Fundament zu stellen.

Und aus dem Grund sollte der Gesamtkomplex des WEEG in NRW einer umfassenden Überprüfung unterzogen werden!

Seit Inkrafttreten des WEEG in NRW, 

  1. haben die Klimawandelfolgen in NRW die Inanspruchnahmen des Wasserdargebots und damit einhergehende Nutzungskonkurrenzen und -ansprüche verschärft, 
  2. bietet die Digitalisierung die Möglichkeiten, die Datenerfassung zu intensivieren und Nutzungsarchitekturen mit Hilfe Künstlicher Intelligenz abzubilden und 
  3. zeichnen sich beim WEE-Aufkommen in Folge des Ausstiegs aus der Kohleverstromung Rückgänge ab.

Insoweit sollte eine Evaluation des WEE mit dem Ziel erstellt werden, die 

  1. die vorgenannten Entwicklungen der äußeren Rahmenbedingungen bei der Ausgestaltung des WEE zu berücksichtigen,
  2. die im Gawel-Gutachten festgestellten Unzulänglichkeiten einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen und
  3. den Erkenntnisraum der Evaluierung auf die Entwicklung einer Wasserstrategie für das Land NRW (überfällig!) zu erweitern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“

Was hörte man im Plenum zu dieser Frage?

Dr. Nolten CDU erklärte in der Debatte vom 26.6.2020, ich zitiere „Die Evaluation des Wasserentnahmeentgelts ist mit Blick auf die bisherigen abgabepflichtigen Nutzungen durchaus sinnvoll.“

Ministerin Heinen-Esser erklärte in derselben Sitzung: „Im Zusammenhang mit der Entwicklung einer Anpassungsstrategie spielt auch das Wasserentnahmeentgelt eine Rolle. Damit wird auf einen gemeinwohlverträglichen und sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser hingewirkt.“

Auch der Landesrechnungshof NRW hat sich mit dem Thema befasst: In seiner Überprüfung (veröffentlicht am 25.10.2022) hat er Anhaltspunkte gefunden, nach denen zumindest die Gefahr besteht, dass dem Landesamt für Umwelt, Natur- und Verbraucherschutz (LANUV) ein wesentlicher Teil der entgeltpflichtigen Wasserentnehmenden überhaupt nicht bekannt ist und es demnach in der Vergangenheit zu nicht unerheblichen Einnahmeausfällen gekommen sein könnte bzw. fortwährend immer noch kommt. Reicht das als Grund?

Und nun?

Weiterführendes

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