Droht Deutschland eine „Wasserkrise“?

Was waren das noch für Zeiten in Deutschland? Die Sommer verregnet, die Quellen und Grundwasserspeicher unerschöpflich und „Wasserkonflikte“ ein Thema für die internationale Presse. Das Thema „Wasser“ war etwas für Experten. Wassersparen machte man wegen des schlechten Gewissens und weil man glaubte, die Haushaltskasse zu schonen.

Und heute? Der Klimawandel treibt die Trockenheit in die heimischen Gefilde. Flüsse und Seen werden wasserärmer und wärmer. Regen oder besser Regenmassen kommen schlagartig und versickern wegen der Versiegelung immer schlechter. Während die Grundwasserspiegel in vielen Regionen weiter sinken, steigen dafür im Gegenzug die Wasserstände in den Kellern. Damit dies nicht wie andere Krisen zur Normalität wird, haben die Naturschützer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die drohende „Wasserkrise“ ausgerufen. Sie fordern ein grundlegendes Umdenken, einen Paradigmenwechsel im Umgang mit unseren Gewässern! Oberstes Prinzip in Zeiten des Klimawandels muss es sein, Wasser in der Landschaft zu halten und Bächen und Flüssen ihre natürliche Dynamik innerhalb ihrer Auen zurück zu geben“, erklären sie in einem Grundsatzpapier, das wie eine Bestandsaufnahme des wasserpolitischen Scheiterns in Deutschland wirkt.

Wasserversorger stecken in der Zwickmühle

Auch Trinkwasserversorger mahnen an, die Wasserressourcen besser zu schützen und ihre Nutzung gerechter zu verteilen. Sie warnen vor einer zunehmenden Konkurrenz und sich abzeichnende Konflikte. Die Anzahl und Härte der Interessengruppen, die mit den öffentlichen Versorgern um die – auch kommerziell – begehrter werdenden Ressourcen, nehmen zu. Die Wasserversorger stehen vor einem Dilemma. Während die Anforderungen der Verbraucher insbesondere in den Hitzeperioden steigen und die Gesetze strenger werden, nehmen die Verunreinigungen zu und vielerorts die Wasserressourcen ab. Wie sollen sie ihre Leistungsfähigkeit halten oder steigern, wenn sie mit anderen um die knappen Ressourcen kämpfen müssen.

Auch die Wasserwirtschaft warnt

Wo nicht genug Wasser für alle Interessenten da sei, müsse die Trinkwasserversorgung Vorrang haben, fordert der Verband Kommunaler Unternehmen (vku). Bei der Erteilung der Wasserrechte dürften die Wasserversorger nicht benachteiligt werden, stimmt der BDEW in die Diskussion ein. Schließlich gehe es bei der Trinkwasserversorgung um eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Den Beispielrechnungen für den volkswirtschaftlichen Kollateralschaden und die Gebührenentwicklungen, wenn Vorsorgemaßnahmen vernachlässigt werden, füllen allenfalls die Schlagzeilen, nicht aber die Plenarsitzungen in den politischen Gremien. Die Entwicklung geht in die falsche Richtung. Nicht erst seit Corona dürfte allen Bürgern die Bedeutung systemrelevanter Infrastrukturen bewusst sein.

Nach der „Klimakrise“ droht die „Wasserkrise“

Deutschland war mal Vorreiter beim Umweltschutz, mittlerweile liegen wir auf den hinteren Plätzen. Nur knapp acht Prozent unserer Flüsse und Bäche erreichen den von der europäischen Wasserrahmenrichtlinie geforderten guten ökologischen Zustand. „Wir heizen die Erde weiter auf, gleichzeitig entwässern wir die Landschaft. Deshalb ist es keine Überraschung, dass es unseren heimischen Gewässern so schlecht geht“, betont Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND mit Blick auf eine aktuelle Auswertung zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Gewässer und die darin lebende Flora und Fauna. Die Strafzahlungen wegen andauernden Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie sei hier nur stichwortartig erwähnt.

Die Grundwasserneubildung geht in einigen Regionen derzeit schon zurück und das Grundwasserdargebot nimmt in Zukunft voraussichtlich weiterhin ab. Sinkende Grundwasserstände können zum Trockenfallen eines Gewässers führen. Damit kehren sich vielerorts die hydraulischen Gradienten um: Statt die Fließgewässer mit page13image2120vergleichsweise page13image2360sauberem Grundwasser zu speisen, sickert nun belastetes und erwärmtes Oberflächenwasser ins Grundwasser, womit aus einem Quantitätsproblem auch ein Qualitätsproblem wird.

Müssen wir uns an „Wasserkonflikte“ gewöhnen?

Extreme wie Dürren und Hochwasser treten vermehrt auf. Temperaturen der Oberflächengewässer steigen. Bäche und Seen trocknen immer häufiger aus. Durch Starkregen werden Nähr- und Schadstoffe in die Gewässer gespült. Eine geringere Wasserqualität und Wasserverfügbarkeit vor allem im Sommer wirkt sich nachteilig auf die Ökosysteme sowie deren biologische Vielfalt aus. Auf etwa einem Fünftel der Gesamtfläche Deutschlands befindet sich das Grundwasser gegenwärtig in einem schlechten chemischen Zustand. Der Grund: zu hohe Nitratwerte. Die Konfliktlinien zwischen dem vorsorgenden Gewässerschutz und Teilen der intensivbewirtschaftenden Landwirtschaft werden hier überdeutlich.

Es ist längst überfällig, dass die Bundesregierung den Verpflichtungen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie nachkommt. Dazu gehört ein verbessertes Wassermanagement, fordert Lilian Neuer, BUND-Gewässerexpertin und Mitautorin des Papiers: „Die Landschaft darf mit Drainagen nicht immer weiter entwässert werden, auch versiegelte Flächen in der Stadt leiten Regenwasser lediglich in die Kanalisation ab. Wasser muss aber in der Fläche bleiben, um in trockenen und heißen Zeiten dort zur Verfügung zu stehen, wo es gebraucht wird. Noch gibt es Wasserreserven, doch wir stecken mitten in der Klimakrise – und müssen jetzt handeln“, wird sie in der Presseerklärung zitiert. Recht hat sie!

Was braucht unsere Gesellschaft noch, um wach zu werden?

Es ist zweifellos ein wichtiger Anstoß, den der BUND hier gibt. Das 40-seitige Papier steckt voller Fakten und Quellenangaben. Die darin enthaltenen Vorschläge können überzeugen. Aber bewegen sie die Politik auf Landes- und Bundesebene auch zum Handeln?

Wir arbeiten seit mehr als einem Jahr im „Nationalen Wasserforum“ für das Bundesumweltministerium an einer „Wasserstrategie 2050″. Dem Verhaltenskodex folgend berichte ich hier nicht über Inhalte und Erreichtes. Die Hoffnung, dass wir im diesem als „Wasserdialog“ bezeichneten Prozess die Chance nutzen, um einen interessenübergreifenden Konsens bei der Bewältigung der drohenden Wasserkrise zu erreichen, darf man sich sicher öffentlich wünschen.

In NRW steht die Novelle des Landeswassergesetzes kurz vor der letzten Hürde. Der Blick in den Text und auf die Expertenanhörung läßt Böses ahnen. Da sollen Gewässerrandstreifen, die Gewässer schützen sollen, verringert (!) werden. Statt „Düngemittel und Pflanzenschutzmittel“ ist plötzlich nur noch von „Düngemitteln“ die Rede. Ist das die Form von Schutz, die unsere Gewässer brauchen? Auch die Wasserschutzgebiete stehen zur Disposition. Der Referentenentwurf sieht eine Streichung des Verbots des Abbaus oberirdischer Bodenschätze in Wasserschutzgebieten vor. Gleichzeitig wird der Vorrang der Trinkwasserversorgung betont. Wie soll das gelingen, wenn plötzlich andere Nutzer rechtlich fundierte Ansprüche erheben. Wie sollen die in ihrer Qualität und Quantität bedrohten Wasserressourcen geschützt werden, wenn selbst ein „Wasserschutzgebiet“ seine Bezeichnung nicht mehr verdient?

Schon die jetzigen Schutzniveaus bei den Gewässern sind nicht ausreichend für die Überlebensfähigkeit von Fauna und Flora und die Versorgungssicherheit der Menschen. Was, so sollten wir uns und insbesondere unsere Politiker fragen, wollen wir unseren Gewässern noch zumuten? Wenn die Gewässerpolitik nicht umgehend eine Kehrtwende macht, werden wir die „Wasserkrise“ als unvermeidbare Konsequenz eines gesellschaftlichen Scheiterns akzeptieren müssen. Niemand kann später sagen, er hätte es nicht gewußt.

Quellen

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