Welche Folgen hat der Braunkohle-Ausstieg in der Lausitz für die Wasserwirtschaft? (Gastbeitrag)

Die Energiewende in Deutschland hat auch gravierende Auswirkungen auf die Wasserwirtschaft in ihren vielfältigen Facetten. Der „Energie-Wasser-Nexus“ Deutschland stellt sich mit großer Vehemenz das Ziel, bis zum Jahr 2038 vollständig aus der Braunkohleverstromung auszusteigen. Dazu gibt es vielfältige gesellschaftliche Diskussionen, staatliche Gesetzesinitiativen und finanzielle Regelungen. Vollkommen unterbelichtet scheinen dagegen die enormen wasserwirtschaftlichen Herausforderungen, die damit verknüpft sind, zu sein. Diese sind in den verschiedenen Revieren und Regionen zwar sehr unterschiedlich. Mit großem Besorgnis stellen aber Wissens- und Erfahrungsträger in den Revieren fest, dass die vielfältigen Aspekte der damit im Zusammenhang stehenden Vorsorge- und Nachsorgemaßnahmen (einschließlich der finanziellen Vorsorge) entweder gar nicht oder vollständig unzureichend in die bundes- und landespolitischen, partei- und regionalpolitischen sowie medialen Darstellungen eingehen. Die folgenden Ausführungen versuchen, aus der Sicht eines über mehrere Jahrzehnte vor allem in der Region Lausitz tätigen Fachwissenschaftlers und Hochschullehrers für Hydrologie und Wasserwirtschaft im Sinne eines ausgewogenen Risikomanagements (Risikoanalyse: Was kann passieren?; Risikobewertung: Was darf nicht passieren bzw. welche Sicherheit zu welchem Preis?; Risikoumgang: Wie kann mit dem Restrisiko bestmöglich umgegangen werden?; Risikokommunikation: Bestmögliche Vermittlung an die Öffentlichkeit) zur Aufhellung und Problembewältigung beizutragen. Ein Gastbeitrag von Dr. Uwe Grünewald.

Dieser Beitrag ist nach Der Steinkohlebergbau geht, das Wasser bleibt. Die Folgen für die Ewigkeit und ihre Bewältigung der zweite Artikel zum Thema „Energie & Wasser“.

Welche wasserwirtschaftlichen Probleme folgen dem Braunkohle-Ausstieg?

Ausstieg aus der Braunkohle in Deutschland – politisch gewollt, juristisch fixiert, aber auch finanziell, planungs- und genehmigungsrechtlich ausreichend durchdacht und vorbereitet sowie organisatorisch-technisch gesichert? Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern mit nennenswerten Braunkohlevorkommen – nicht nur Europas – hat sich die Bundesregierung Deutschlands im November 2016 im ›Klimaschutzplan 2050‹ das ehrgeizige und anspruchsvolle Ziel gestellt – neben dem relativ kurzfristigen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022 – zur Sicherung von Klimazielen auch einen solchen Ausstieg aus der Kohleverstromung zu realisieren. Um das ›Wie‹ dieses Kohleausstiegs zu präzisieren, nahm Anfang Juni 2018 eine ›Kommission für Wachstum. Strukturwandel und Beschäftigung – KWSB‹ (kurz: ›Kohlekommission‹) ihre Arbeit auf.

Nach einem teilweise außerordentlich kontroversen, aber letztlich demokratisch legitimierten Abstimmungsprozess, legte dieses Gremium aus 28 stimmberechtigten Mitgliedern am 26.01.2019 seinen Abschlussbericht – nicht einstimmig und unter Vorbehalten einiger Mitglieder – vor. Auf der Basis dieser Empfehlungen ergaben sich daraus eine Reihe von juristischen Fixierungen, die von ›Eckpunkten zur Umsetzung der Empfehlungen der KWSB‹ (Mai 2019) über das ›Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen‹ (August 2019), dem ›Kohleausstiegsgesetz 2038‹ (Januar 2020) bis zum ›Kohlestrombeendigungsgesetz‹ (August 2020) reichen.

»Flankiert wird das Paket von einer Bund-Länder-Vereinbarung zur Durchführung der damit verknüpften Investitionen. Einen von der Bundesregierung ausgehandelten Vertrag, der die Braunkohlebetreiber entschädigen soll, hat der Bundestag am 13.Januar 2021 zugestimmt« [1].

Für ersteres will der Bund den Strukturwandel bis 2038 mit bis zu 40 Milliarden Euro unterstützen. Für letzteres stellt er als Entschädigung 4,35 Milliarden Euro für die vorzeitige Stilllegung der Braunkohlekraftwerksblöcke zur Verfügung. Im Raum stehen darüber hinaus »für bedeutsame Investitionen … bis 2038 vom Bund Finanzhilfen von bis zu 14 Milliarden Euro (43% Lausitzer Revier, 37% Rheinisches Revier, 20% Mitteldeutsches Revier) … für wirtschaftsnahe Infrastruktur, öffentlichen Nahverkehr, Breitband- und Mobilitätsinfrastruktur…« [1]. Braunkohleabbau in Deutschland muss aber seit jeher in engem Zusammenhang zur Bewältigung wasserwirtschaftlicher Herausforderungen gesehen werden.

Ehe die Kohletagebaue aufgeschlossen werden können, bedarf es z.B. jahrzehntelanger Vorarbeiten zur Planung der großflächigen und tiefgreifenden Grundwasserabsenkungen. Während des aktiven Tagebaubetriebes müssen diese Absenkungen durch ständige Sümpfungswasserförderungen aufrecht gehalten werden, so dass sich (kumulativ) in den Bergbauregionen und in den betroffenen Flusseinzugsgebieten langfristig sehr große Wassermengendefizite aufbauen, In diesen Grundwasserabsenkungsphasen werden aber auch die Oberflächengewässer stark beeinflusst. Einige fallen trocken, andere werden durch die Zuleitung von Grubenwasser quantitativ und qualitativ stark beeinflusst.

Das Wissen um den Zusammenhang zwischen Bergbau und Wasserwirtschaft ist unzureichend – auch in der Politik

Zur Vorbereitung der Stilllegungs- und Nachbergbauphasen bedarf es (normalerweise) wiederum eines langen planerischen, genehmigungsrechtlichen, technischen und technologischen usw. Vorlaufes. Gegenwärtig kann niemand voraussagen, wie sich die oben genannten energie- und klimapolitischen Weichenstellungen auf den Wasserhaushalt, die Wasserwirtschaft, die Wasserversorgung, die Gewässerökosysteme …in den vom beschleunigten Kohleausstieg betroffenen Regionen und Flusseinzugsgebieten auswirken. Auch nicht, ob die oben zitierten – scheinbar erheblichen – Finanzmittel ausreichen, um die Regionen vor katastrophalen Auswirkungen zu bewahren. »Euros kann man bekanntlich nicht trinken und auch nicht zur unmittelbaren Aufrechterhaltung von Gewässerökosystemen verwenden«.

Bergbau und Wasserwirtschaft – eine sich immer wieder in den Revieren neu bildende Symbiose, über die in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt ist. Seit Jahrhunderten hat der Bergbau in Deutschland eine lange Tradition. Regionen wie Sachsen (Erz- und Silberbergbau), das Mansfelder Land (Kupferbergbau), das Ruhrgebiet (Steinkohlebergbau) oder das Erzgebirge und Teile Thüringens (Uranabbau) verdanken ihm Wohlstand, Reichtum, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung – erlitten aber auch Ausbeutung und Raubbau.

Seit alters her spielen Wasserhaltung und bergmännische Wasserwirtschaft sowohl bei der Erschließung und dem Betrieb als auch in der Stilllegungs- und Nachbergbauphase eine entscheidende Rolle. Nicht von ungefähr entwickelten sich aus der von ›Wasserknechten‹ manuell vorgenommenen Wasserhebung im 13. Jahrhundert schrittweise durch Wasserkraft getriebene ›Wasserkunstanlagen‹ mit Kunstgräben und Kunstteichen sogenannte ›Revierwasserlaufanstalten‹ (RWA), die noch heute z.B. im Erzgebirge wichtige wasserwirtschaftliche Bedeutung besitzen.Nicht von ungefähr stammt daher auch das von Bergmannsstolz getragene Sprichwort: ›Was der Bergmann nicht über sein Wasser weiß, weiß auch kein anderer.‹

Je nach Art des Bergbaus (z.B. Stollen oder Tiefbau, Untertagebau oder Tagebau), regionalen Gegebenheiten (z.B. landschaftliche, geologische, hydrogeologische, hydrologische Rahmen- und Randbedingungen), abzubauenden Rohstoffen usw. sind die zu bewältigenden wassergebundenen Herausforderungen (z.B. zu hebende und zu reinigende Wassermengen; Beschaffenheit der ›Sümpfungswässer‹; Gefälle- und ›Vorflutverhältnisse‹) sowie die dabei erforderlichen Anlagen und Kosten sehr unterschiedlich. So fiel im Rahmen der ersten – durch die Treuhand verordneten – ungeplanten und abrupten Stilllegungen einer Vielzahl ostdeutscher Braunkohletagebaue im Jahr 1990 im Lausitzer Revier in einem Grundwasser-Absenkungsbereich von 2100 Quadratkilometer (2,4fache der Fläche des Landes Berlin oder etwa der Fläche des Saarlandes) ein kumulativ entstandenes Wasserdefizit von 13 Milliarden Kubikmeter an. Im Mitteldeutschen Revier mit rund 1100 Quadratkilometer Absenkungsfläche waren es 6 Milliarden Kubikmeter. Und wenn ab dem Jahr 2038 die kumulierten Volumen der Rheinischen Tagebauseen zu füllen sind, dann werden das für den jetzigen Tagebau Hambach 5,5 Milliarden, für den Tagebau Garzweiler 2 Milliarden und für den Tagebau Inden 0,8 Milliarden Kubikmeter Wasserdefizit sein (Seevolumina zum Vergleich: Starnberger See: rund 3, Müritzsee: rund 0.75, Müggelsee: 0,037 jeweils Milliarden Kubikmeter).

Spreewald-Idylle im Biosphären-Reservat – wie lange noch (Foto: Gendries)

Der Ausgleich der Wasserdefizite ist ungeklärt

In der Lausitz gelang es in den Jahren nach 1990 im Bereich des Sanierungsbergbaus das anteilige Wasserdefizit von 7 Milliarden Kubikmeter zu 90% auszugleichen. Jetzt stellt sich mit der zweiten Stilllegungswelle, vor allem die Frage, wie die restlichen 6 Milliarden Kubikmeter Wasser im Bereich des gegenwärtig noch aktiven Bergbaus mit welchen Wasserressourcen, mit welchen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen und in welchen Zeiträumen usw. auszugleichen sind [2].

Im vollständig im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegenden Rheinischen Revier gibt es dazu Überlegungen und Hoffnungen, durch Wasserüberleitungen aus dem Rhein und der Rur in überschaubaren Zeiten [3] von bis zu 60 Jahren eine Fremdflutung der Tagebaufolgeseen realisieren zu können. Nach geltendem Recht hat diese Gestaltung der Seen der Bergbaubetreibende – einschließlich der Gestaltung der Böschungen, der Befüllung, der Ausgestaltung der Abläufe u. ä. – zur Sicherung selbsttragender wasserwirtschaftlicher Verhältnisse – umzusetzen [3], wobei dort zusätzlich auf die jahrzehntelangen Erfahrungen der in der Region agierenden Wasserbewirtschaftungs-Verbände und -Genossenschaften – hier vor allem den Erft-Verband – zurückgegriffen werden kann. Eine solche Institution fehlt in Ostdeutschland vor allem in der Lausitz.

In der Lausitz und Mitteldeutschland ist möglichst umgehend durch den Träger des Sanierungsbergbaus zu eruieren und sicherzustellen, dass die in den letzten 30 Jahren unter großem finanziellem, organisatorischem, technischem Aufwand erzielten Sanierungsfortschritte [4] nicht durch Struktur- und Klimawandel wieder gefährdet oder vernichtet werden.

Bewältigung dieser Herausforderungen in den von drei Bundesländern geprägten Lausitzer Gewässereinzugsgebieten – es mangelt an gemeinsam getragenen Konzepte, Ressourcen und Strukturen! Erweist sich der Föderalismus (auch hier) als Hemmschuh?

Seit 1990 ist es im engen, basisdemokratischen und kollegialen Zusammenwirken vor allem von Sanierungsbergbau und Landesbergbau- sowie Landeswasserbehörden in Sachsen, Brandenburg und Berlin – unter Einbeziehung auch der vom aktiven Bergbau im Durchschnitt 1 Million Kubikmeter Wasser pro Tag geförderten Sümpfungswassermengen – gelungen, den Nutzern und Nutzungen im Einzugsgebiet der Spree weitgehend gerecht zu werden. Seit längerem ist dies im Einzugsgebiet der Schwarzen Elster nicht mehr gegeben. Vor allem in den aufeinanderfolgenden Trockenjahren 2018, 2019 und 2020 wurde das mehr als deutlich: Muschel- und Fischsterben sowie z.B. unter die zulässigen Sicherheitsstauziele abgesenkte Tagebauseen mit drastischen Einschränkungen für die Gewässer- und Wassernutzungen waren nur die sichtbaren Zeichen dieses Dilemmas [2].

Schwarze Elster mit Fisch- und Muschelsterben im Trockenjahr 2018 bei Senftenberg (Foto: Grünewald)

Während an Oder, Elbe und Rhein in diesen Perioden die Schifffahrt strecken- und zeitweise total eingestellt werden musste, konnten dagegen z.B. im Spreewald durch einen Sümpfungswasseranteil von bis zu 75% am Spreedurchfluss die dortigen Nutzungsansprüche im hohem Maße befriedigt werden. Wenn diese zukünftig wegfallen, werden auch dort die Wasserdefizite gravierend.

Dazu kommt, dass eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen zum möglichen Einfluss des Klimawandels in der zwar gewässerreichen, aber wasserarmen Regionen Nordostsachsen, Südbrandenburg, Ostbrandenburg und Berlin und dessen Überlagerung mit einem damaligen Kohleausstiegsszenario (um das Jahr 2045) unmissverständlich aufgezeigt haben, dass auf der Basis gegenwärtiger länderübergreifenden Planungen, Konzepten – ja sogar Strukturen – keine Chance besteht, die sich abzeichnenden fatalen ökologischen Folgen für das Biosphärenreservat und Tourismusgebiet Spreewald sowie die wassergebundenen Nutzungen (beginnend bei den ökologischen Mindestabflüssen) bis in die Metropolregion Berlin zu verhindern [5]. Es gibt in der Region keine so stabile Wasserressource wie den Rhein. Vorschläge zur Überleitung z.B. von Wasser aus der Elbe liegen zwar in unterschiedlichster Ausführung vor, aber der sächsische Staatsminister für Umwelt – Herr Wolfram Günther – stellt vor allem deren Finanzierung in Frage. »Wir arbeiten gemeinsam mit Brandenburg an einem neuen Gesamtkonzept für das Wasserregime in der Lausitz. Ohne das ist der Strukturwandel insgesamt gefährdet. Es wird eine Generationsaufgabe werden, einen natürlichen Wasserhaushalt in der Lausitz wieder herzustellen. …Unsere Fachleute schätzen die Kosten auf 10 Milliarden Euro. Sie sind im Kohleausstiegsgesetz noch nicht abgedeckt« [6]. Da stellt sich sofort die Frage, mit welchen Mitteln, Methoden und Werkzeugen dieses ›Auffangen‹ realisiert werden soll und kann.

Wie unabhängig sind die Experten, die an den Lösungen arbeiten?

Lösungsansätze könnte vielleicht eine gegenwärtig in Bearbeitung befindliche Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) ›Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz‹ liefern. Hier melden sich aber erhebliche Bedenkenträger [7]. Sie glauben kritisieren zu müssen, dass jahrelang erfahrene, in der Region tätige Fachleute eines von einem Tochterunternehmen des aktiven Bergbaus geleiteten Bearbeiter-Konsortiums Mitglieder dieser Studie sind. Darüber hinaus seien einige auch Mitglieder in einem gemeinnützigen Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, durch Bildung, Beratung und Wissensbewahrung – unter anderem durch öffentliche Ringvorlesungen und Kolloquien an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg – »den mit dem Strukturwandel einhergehenden Transformationsprozess in der Lausitz im Bereich Wasserwirtschaft zu unterstützen« [8]. Aber: Wie heißt der im obigen zweiten Abschnitt zitierte alte Bergmannsspruch aus dem 13. Jahrhundert?!

Diese Konstellation und nicht zuletzt die der gegenwärtigen weltweiten Pandemie führt uns die Bedeutung eines anderen (der Freifrau Marie von Ebner-Eschenbach zugesprochenen) Sinnspruch: ›Wer nichts weiß, muss alles glauben‹ vor Augen. Unwissenheit, Unsicherheiten und nicht ausreichende Kommunikation von – und die Sensibilisierung für – Risiken führen zu gesellschaftlichen Auswüchsen, einschließlich der Unterschätzung von Risiken oder zu überhöhten Schutzansprüchen und Schutzversprechen und letztlich zur Erhöhung – anstatt der Minderung – von Risiken [9] für die gesamte Gesellschaft. Nach wie vor tut sich offensichtlich die Gesellschaft schwer, mit extremen Ereignissen wie Hochwassern, Starkregen, Stürmen aber auch Krankheiten und Pandemien umzugehen.

›Wir glauben nicht mehr, was wir wissen‹

Inzwischen drängt sich diesbezüglich in Weiterführung dieser Zusammenhänge im Spreegebiet die fatale Erkenntnis: ›Wir glauben nicht mehr, was wir wissen‹ auf. Wie sonst lässt sich z.B. erklären, dass ein wasserwirtschaftlicher Großnutzer in der zwar besonders gewässerreichen, aber wasserarmen Region ›Östliches Berliner Umland/Ostbrandenburg‹ installiert werden soll, ohne den Standortfaktor Wasser nur annähernd vorher zu prüfen. Wir wissen z.B., dass zur Produktion eines PKW durchschnittlich 400 000 Liter Wasser benötigt werden (siehe z.B.: [10])

Bei einer verkündeten Produktionszahl von 500 000 PKW pro Jahr käme ein astronomischer Wasserbedarf zustande. Geht man davon aus, dass der benötigte Stahl (virtueller Wasserbedarf: 200 000 Liter pro Tonne) nicht im Spreegebiet hergestellt wird, so sollen aber in der 2. Ausbaustufe der Produktion 2 Millionen PKW pro Jahr hergestellt werden. Wie man die Illusion haben kann, dies durch eine regionale, ministerielle Arbeitsgruppe ›Wasserperspektiven im östlichen Berliner Umland‹ [11] bewältigen zu können, ist rätselhaft. Hier können nur großräumige und übergreifende Lösungsansätze, die ggf. Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel im Gesamtgebiet der Elbe, zu dem ja sowohl die Einzugsgebiete der Schwarzen Elster als auch der Spree/Havel gehören, weiterhelfen. Vielleicht ergeben sich Ansätze, den in der PKW Produktion überwiegenden Wassergebrauch (und nicht Wasserverbrauch) zur Erhöhung des prekären regionalen Wasserangebots im Spreegebiet beitragen zu lassen.

Transparenz ist gefordert, damit die Glaubwürdigkeit der Politik nicht verloren geht

Hier wäre dringend angebracht, das vom sächsischen Umweltminister angekündigte ›neue Brandenburg/Sachsen Gesamtkonzept Wasserregime Lausitz‹ wenigstens andeutungsweise dar- bzw. offenzulegen. Gut wäre es dabei, mindestens die Berliner Wasserbetriebe, die Berliner Senatsverwaltung und die Berliner Senatorin für Umwelt, einzubinden. Die Zeit und der Handlungsbedarf drängen – schon einmal mussten wir in diesem Jahrhundert im Elbegebiet erleben, wie mangelnde Vorsorge, ungenügende Zusammenarbeit von Bundesländern und Behörden usw. zu hohen Schäden und vielfältigem persönlichen Leid führten [12]. Oder schwebt dem sächsischen Umweltminister gemeinsam mit seinem Amts- und Parteikollegen in Brandenburg (Herrn Axel Vogel) ein Stiftungsmodell zur Finanzierung der wasserwirtschaftlichen Ewigkeitskosten, ähnlich dem der RAG-Stiftung zur Bewältigung der Folgen des deutschen Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet [13] vor? Wo soll da aber im finanzschwachen Osten Deutschlands das dafür nötige gewaltige Stiftungskapital herkommen?

Der Gastautor Dr. Uwe Grünewald trat am 01.04.1993 an der damaligen neu gegründeten Technischen Universität Cottbus (Gründungsrektor: Professor Dr. Günter Spur) die Leitung des neu geschaffenen Lehrstuhls und der Professur „Hydrologie und Wasserwirtschaft“ an. Er kam von der „Sektion Wasserwesen“ der Technischen Universität Dresden und konnte in den Folgejahren seine dort erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen zum Wasser- und Stoffhaushalt von Gewässereinzugsgebieten auf bergbaubeeinflusste Gebiete erweitern und in die Erarbeitung vielfältiger Lösungsansätze einbringen.

Weiterführendes/Quellen:

[1] Presse und Informationsamt der Bundesregierung: »Von der Kohle hin zur Zukunft« ; 14.01.2021
[2] Grünewald, U.: »Kohleausstieg 2.0 in der Lausitz – eine gewaltige Herausforderung für die einzugsgebietsbezogene, länderübergreifende Wasserbewirtschaftung«, Korrespondenz Wasserwirtschaft, Heft 4, 2020
[3] Forkel, Ch. et.al.: »Restseen und Kippenwasserentwicklung im Rheinischen Braunkohlerevier«; WASSERWIRTSCHAFT, Heft 4, 2017
[4] Drebenstedt, C. und M. Kuyumcu (Hgg.): »Braunkohlesanierung – Grundlagen, Geotechnik, Wasserwirtschaft, Brachflächen, Rekultivierung, Vermarktung«; Springer Vieweg Verlag, 2014
[5] Pohle, I. et.al.: »Analyse von Wassermenge und Wasserbeschaffenheit für Klima- und Bewirtschaftungsszenarien: Aufbau und Nutzung einer Modellkaskade für das Spreeeinzugsgebiet«; Hydrologie und Wasserbewirtschaftung, Heft 3, 2016
[6] Günther, W.: »Wir müssen das Wasser auffangen, statt es abzuleiten«; Sächsischer Staatsminister für Umwelt (Bündnis 90 / Die Grünen); Sächsische Zeitung, letzter Teil der »Savanne Lausitz Serie«,25.09.2020
[7] Götze, S. : »Umweltbundesamt vergibt sensible Studie an Kohlekonzern LEAG – Renaturierung der Tagebaue, Umweltbundesamt vergibt Studie an Kohleunternehmen«; Spiegel online, 08.01.2021
[8] Wasser-Cluster-Lausitz: »Über uns«; www.wasser-cluster-lausitz.de. 24.01.2021
[9] Merz, B. et.al.: »Management von Hochwasserrisiken«; Schweizerbart Science Publishers, 2011
[10] www.waterfootprint.org
[11] Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) Brandenburg: »Arbeitsgruppe Wasserperspektiven im östlichen Berliner Umland – Beratung am 27.08.2020«
[12] Grünewald, U. et.al.: »Hochwasservorsorge in Deutschland – Lernen aus der Katastrophe 2002 im Elbegebiet«; Schriftenreihe des Deutschen Komitee für Katastrophenvorsorge, Heft 29, November 2003
[13] www.rag-stiftung.de: »Zukunft stiften ist eine Ewigkeitsaufgabe«

Beitragsphoto: Bild von Jörg Peter Rademacher auf Pixabay

1 Kommentar

  1. Bis vor zwei Jahren galt das Sanierungsziel des „sich selbst erhaltenden Wasserkreislaufs“. Von diesem Ziel müsse man sich verabschieden, so der Leiter der LMBV vor dem Brandenburger Braunkohlenausschuss. Was seit Jahrzehnten klar war, aber nicht benannt werden durfte, lässt sich nicht mehr verleugnen – die Ewigkeitskosten!!! Man muss Herrn Grünewald zugute halten, dass sein Lehrstuhl sich nicht so dem Regionalen Kohleverstromer angedient hat, wie der Lehrstuhl Bodenschutz/Rekultivierung – „Wissensvermittler“ waren u.a. Kurt Häge – damals im Vorstand der LAUBAG. (https://www.presseportal.de/pm/9341/560735)

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