Die Wasserentnahmen sinken dank der Energiewende. Landwirtschaftliche Bewässerungsentnahmen steigen an. Diese Entwicklung hinterlegt das Statistische Bundesamt „alle Jahre wieder“ mit Zahlen. Nach erneut vierjähriger Wartezeit liegen jetzt die Daten aus 2019 vor. Viele sind dazu noch geschätzt. Das Wasserdaten-Dilemma wird uns auch die nächsten Jahre noch begleiten. Und dennoch lohnt ein genauerer Blick in die Veröffentlichung mit ihren statistischen Daten und in die Zusammenhänge.
Die Meldung: „Die Wirtschaft und die privaten Haushalte in Deutschland haben im Jahr 2019 rund 71 Milliarden Kubikmeter Wasser aus der Umwelt entnommen. Die Wasserentnahme sank damit gegenüber dem Jahr 2010 um 14 Prozent“, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am 18. Oktober 2023 mitteilte. Schauen wir uns dies einmal genauer an.
Rückgänge seit 2001 noch viel stärker
Das Statistische Bundesamt hätte noch viel größere Rückgänge vermelden können, wenn die Zeiträume länger bemessen und eine nur eingeschränkt beeinflussbare Größe ausgeklammert worden wären. Denn zeitgleich sind die Gesamtentnahmen im Vergleich zum Jahr 2001 sogar um – 20 Prozent zurückgegangen, wie die nachstehende Grafik basierend auf den Daten der Umweltökonomischen Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes (destatis) zeigt. Noch stärker als bei den Gesamtentnahmen (die auch das Bodenwasser enthalten) sind die Rückgänge, wenn nur die Oberflächen- und Grundwasser-Entnahmen betrachtet werden. Hier sanken die Mengen zwischen 2010 und 2019 um – 37 Prozent und im Vergleich zwischen 2001 und 2019 sogar um – 45 Prozent. Wie die Grafik beim Verlauf der letzten zwanzig Jahre bis 2019 zeigt, ist ein klar sinkender Trend zu erkennen, der durch die Energiewende in den Jahren 2020 bis 2023 noch verstärkt worden ist – wozu aber leider noch keine Zahlen vorliegen.
Aufschlussreich ist ein Blick auf die verschiedenen Wasseraufkommens- und Verwendungsarten. Wie die Verteilung in der nachstehenden Grafik für das Jahr 2019 zeigt. Demnach bietet wichtigste Aufkommen nicht das Grundwasser der tieferen Erdschichten oder das Oberflächenwasser aus Flüssen und Seen, sondern der Boden. Dieses Bodenwasser mit über 45 Mrd. Kubikmeter nutzen unter anderem die von der Landwirtschaft angebauten Kulturpflanzen für ihr Wachstum. Dabei ist Bodenwasser definiert als die Niederschlagsmenge, die auf landwirtschaftlich genutzte Felder fällt, von Kulturpflanzen über die Wurzeln aufgenommen wird und dann von diesen transpiriert oder in das Pflanzengewebe eingebaut wird. Somit schlägt sich die Verwendung in der landwirtschaftlichen Produktion neben der Produktion für Güterherstellung maßgeblich in der Verwendungsart Produktionswasser (47,5 Mrd. Kubikmeter) nieder. Noch eine weitere Beziehung zwischen Aufkommen und Verwendung ist von ihrer Bedeutung her interessant. Das von Kraftwerken und industriellen Anlagen verwendete Kühlwasser (13,3 Mrd. Kubikmeter)stammt zu einem ganz beträchtlichen Teil aus dem Oberflächenwasser (15,3 Mrd. Kubikmeter). Auf die beiden Verwendungsarten werde ich im Nachfolgenden noch einmal detailliert eingehen.
Wasserentnahmen sinken
Das Gute vorab: Von 2001 bis 2019 sank die Gesamt-Wasserentnahme um 20 Prozent. Dieser Rückgang ist hauptsächlich der Energieversorgung zu verdanken – oder besser gesagt: der Energiewende. Denn es war der deutlich niedrigere Bedarf an Kühlwasser, weil die Kernenergie- und Kohlekraftwerke stillgelegt wurden und dies zwischen 2010 bis 2019 zu einem Rückgang der Wasserentnahmen um mehr als die Hälfte führte.
Mit etwas mehr als 9 Milliarden Kubikmetern hatten die Wasserentnahmen des Sektors „Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung“ den höchsten Anteil der Entnahmen aller Wirtschaftssektoren einschließlich der Privathaushalte. Davon entfiel etwas mehr als eine Hälfte auf die Entnahmen der „Wasserversorgung“ mit 5,35 Milliarden Kubikmeter. Damit werden Haushalten und Gewerbe- und Industriebetriebe sowie die Landwirtschaft mit Trinkwasser versorgt. Die restlichen Entnahmen fallen maßgeblich auf die „Abwasserentsorgungen“.
Schauen wir auf zwei Bereiche etwas genauer:
Landwirtschaft benötigt Wasser für die künstliche Bewässerung, wenn das Bodenwasser fehlt
Wenn die natürlichen Wassermengen im Boden durch ausbleibenden Regen zu gering sind, mit anderen Worten nicht genügend Bodenwasser zur Verfügung steht, muss die Landwirtschaft künstlich bewässern. Genau das war im trockenen Jahr 2018 der Fall. Hier musste das Pflanzenwachstum mit 707 Millionen Kubikmetern mit künstlicher Bewässerung aus Grundwasser und Oberflächenwasser also Flüssen, Seen und Bächen unterstützt werden. Daher hat sich die Bewässerungsmenge im Vergleich zum Jahr 2010 verdoppelt. Wenngleich kein eindeutiger Trend feststellbar ist, weisen die Jahre 2018 und 2019 die stärksten Bewässerungsintensitäten der gesamten Zeitreihe seit 2001 auf (siehe Grafik).
Zu viel Aussagekraft sollte den Daten möglicherweise auch nicht beimessen werden, denn bekanntlich weisen insbesondere die Entnahmen der Landwirtschaft Erfassungslücken auf – das zeigt auch die Statistik. Erklärungsbedürftig ist zudem die Diskrepanz der Entnahmen aus Oberflächenwasser- und Grundwasserressourcen einerseits und der Bewässerungsmenge anderseits. So wurden der Landwirtschaft im Jahre 2019 insgesamt 1.065 Millionen Kubikmeter aus Oberflächen- und Grundwasser zugerechnet, aber nur 623 Millionen Kubikmeter d.h. rund 60 Prozent wurden für Bewässerungszwecke eingesetzt. Die restlichen Mengen, so antwortet die Behörde auf meine Anfrage, dass „dieses Wasser nicht nur zur Bewässerung einsetzt, sondern auch in Form von Produktionswasser (beispielsweise zu Reinigungszwecken oder als Trinkwasser in der Tierhaltung).“
Die Höhe der eingesetzten Bewässerungsmengen ist neben der Niederschlagsmenge auch abhängig von den angebauten Pflanzenarten, die sich in Wasserbedarf, Anbaufläche und Erntemengen unterscheiden. Veränderte Niederschlagsmuster mit feuchteren Wintern und teils trockeneren Sommern wirken sich direkt auf die klimatische Wasserbilanz und damit auf das pflanzenverfügbare Wasser im Boden aus. Welche Risiken damit für die Landwirtschaft einhergehen, hängt dann stark von der lokalspezifischen Wasserspeicherkapazität von Böden und der lagespezifischen Erosion in Hanglagen ab. Kritisch betroffen sind vor allem Standorte mit sandigen Böden, die künftig voraussichtlich mit noch weniger Niederschlag auskommen müssen.
Die Entwicklungen der letzten trockenen und heißen Sommer haben die Landwirte anspruchsvoller bei der Vergabe von Wasserrechten werden lassen. So ist mir aus NRW ein Wasserrechtsverfahren bekannt, wo die Landwirtschaft ihre Ansprüche im Vergleich zur davor liegenden Vergabe dreißig Jahre vorher, verzehnfacht.
Auch aus kommunalen Wasserversorgungskonzepten in Niedersachsen, wo wie in Diepholz, auch die landwirtschaftlichen Stakeholder im Hinblick auf den künftigen Bewässerungsbedarf gefragt worden waren, ist ein sehr deutlicher Bedarfsanstieg zu vernehmen.
Wasserbedarf für Energieversorgung infolge der Energiewende drastisch gesunken
Im Jahr 2019 bezog die Energieversorgung mit jeweils rund 9 Milliarden Kubikmeter ebenso große Wassermengen aus der Umwelt, wie die Wasserversorgung.
Die Wasserentnahme in der Energieversorgung gingen von 2010 bis 2019 drastisch zurück. Waren es 2010 noch 20,6 Milliarden Kubikmeter, so sanken die Mengen bis 2019 mit – 57 Prozent um mehr als die Hälfte auf 8,8 Milliarden Kubikmeter. Damit wies die Energieversorgung den mit Abstand stärksten Rückgang aller vom Statistischen Bundesamt betrachteten Wirtschaftszweige auf. Hier wirkt sich mit der Energiewende der Rückzug aus der Kernenergie und der verringerte Einsatz der Kohleverstromung in Deutschland auf die Wasserentnahme aus.
Ein Blick auf die Wasserbilanz des E.ON-Konzerns verdeutlicht diese Entwicklung. In den Jahren 2020 und 2021 entnahm die Kraftwerkstochter Preussen-Elektra (PEL) noch über 2 Milliarden Kubikmeter Wasser aus der Umwelt zur Kühlung ihrer Kernkraftwerke. Etwa 98 Prozent des Wassers wurden anschließend wieder zurückgeführt. Am 15. April 2023 wurden die letzten – wegen der Energiekrise vorübergehend noch im Steckbetrieb laufenden Kraftwerke – endgültig abgeschaltet. Nach dem Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland ist auch dieses Kapitel der Wasserentnahmen beendet. Dieser Ausstieg führte im Gegenzug zu einem Anstieg der Strom-Importe aus Frankreich. Von dort wurden 4,4 Milliarden Kilowattstunden Strom importiert. Das ändert nichts an dem Wasserfussabdruck des hierzulande verbrauchten Stroms, denn bekanntlich erzeugt Frankreich einen Großteil des Stroms aus Kernkraftwerken. Damit werden jene Wasserentnahmen aus deutschen Fließgewässern, die mit dem Ausstieg künftig wegfallen, auf Frankreich übertragen. Bedauerlicherweise stehen alle 14 Kernkraftwerke im Einzugsbereich der Rhône. Dieser Fluss litt zuletzt derart unter Niedrigwasser, dass der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke nur möglich wurde, weil die Beschränkungen für die Temperaturen des durch den Kühlungsprozess erhitzten Wassers gelockert wurden. Des einen Freud, des anderen Leid.
Ein weiteres Beispiel liefert der Rückzug aus der Kohleverstromung. Die RWE Generation hat an der Lippe in Hamm/Westfalen das gleichnamige Steinkohle-Kraftwerk „Westfalen“ betrieben. Mitte 2021 wurde es stilllegt. Die Wasserrechte zur Entnahme und Wiedereinleitung in die Lippe hat der Energieerzeuger aber, wie man dem Wasserbuch der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg entnehmen kann, vor zwei Jahren auf weitere zehn Jahre bis 2031 verlängert. Damit bleiben die genehmigten 16 Millionen Kubikmeter Flusswasser der Umwelt dem Energiekonzern mit der Verlängerung der Entnahmerechte bis auf weiteres erhalten.
Diese Entwicklung und Prognosen des Wasserbedarfs in der Energieversorgung waren 2019 in dem Gutachten Keine Energie ohne Wasser auf die Jahre 2030 und 2050 in entsprechenden Szenario-Rechnungen in Folge der Energiewende untersucht worden. Dabei prognostizieren die Gutachter, dass infolge von Kernenergie-Ausstieg und Reduzierung der Kohleverstromung sich bis 2030 in einem weniger ambitionierten Referenz-Szenario die benötigten Wassermengen um etwa 50 Prozent verringern werden. Ein ambitionierteres Szenario erkennt sogar einen Rückgang des Wasserbedarfs der Energiewirtschaft bis 2050 um über 90 Prozent – und dass, obwohl die Stromerzeugung bis dahin sogar noch um ca. 17 Prozent zunehmen soll. Den Prognosen lag das Bezugsjahr 2015 zugrunde, in dem der Wassereinsatz in der Energiewirtschaft noch 13,6 Milliarden Kubikmeter betrug.
Beim Wasserverbrauch, jener geringen Menge die nicht für Kühlzwecke eingesetzt, sondern in den Prozessen verwendet und nicht wieder in die Umwelt zurückgespeist wird, zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. Dort wird geschätzt, dass sich der Wasserverbrauch bis 2030 um 50 – 60 Prozent und bis 2050 um 70 – 85 Prozent verringern wird. Unberücksichtigt blieb übrigens in dem Gutachten die nationale Produktion von Wasserstoff. Bekanntlich gibt es hierzu in Deutschland bereits mehrere Projekte. Diese Form der energiewirtschaftlichen Wassernutzung dürfte den Bedarf signifikant verändern.
Die Datenerfassung muss verbessert werden und zeitnäher erfolgen
Die vom Statistischen Bundesamt in der Umweltökonomischen Gesamtrechnung gelieferten Daten sind eine aussagekräftige und sehr differenzierte Quelle, leider können sie nur in die Vergangenheit schauen – und das mit vierjähriger Verzögerung. Man darf sich wünschen, dass diese Abstände einmal kürzer sein werden. Daher ist fragwürdig, inwieweit die Daten für Planungszwecke wirklich hilfreich sein können.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Herkunft der Daten. Verständlicherweise müssen an einigen Stellen wie beim Bodenwasser Schätzungen vorgenommen werden. Das Verfahren erklärte mir das Statistische Bundesamt: „Zur Schätzung der Angaben für die Jahre, in denen die amtliche Wasserstatistik nicht erhoben wird, wird für die Wassergesamtrechnung als Schätzverfahren eine State-Space-Modell mit einem Kalman-Filter eingesetzt. Dieses Verfahren ist vor dem Hintergrund der geringen Datengrundlage und der vielen fehlenden Werte besonders geeignet.“
Die Zahlen aus dem Gutachten und am Beispiel von E.ON und RWE zeigen, wie sich die Energiewende in Deutschland auf die Wasserentnahmen auswirken. Man darf also feststellen, dass mit der hiesigen „Energiewende“ auch eine „Wasserwende“ bei den Entnahmen aus der Umwelt stattfinden wird – sobald die Umstellung auf regenerative Erzeugungsanlagen gelungen sein wird. Denn bis dahin verlagern sich die Entnahmen auf jene Länder, aus den wir den Strom aus konventionellen Kraftwerken beziehen werden. Blickt man dagegen auf die Entwicklungen in der Landwirtschaft wird der Optimismus beim Rückgang der Entnahmen aus der Natur schnell getrübt.
Übrigens: Im Mittelpunkt eines der nächste Beiträge stehen die Entnahmen und deren Entwicklungen sowie Einflussfaktoren der Wasserversorger.
Quellen und Weiterführendes
- Wasserentnahme aus der Umwelt zwischen 2010 und 2019 um 14 % gesunken, Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 414 vom 18. Oktober 2023 (Abruf 20.10.23)
- Umweltökonomische Gesamtrechnungen – Wassergesamtrechnung – Berichtszeitraum 2001 – 2019, Statistisches Bundesamt, 2023 (Abruf 20.10.23)
- Keine Energie ohne Wasser- Zukunftsszenarien und Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Wasserwirtschaft unter gravierend veränderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Clausthaler Umwelttechnik Forschungszentrum der Technischen Universität Clausthal u. Tuttahs & Meyer Ingenieurgesellschaft, 2019 (Abruf 20.10.23)
- E.ON Integrierter Geschäftsbericht 2022 (Abruf 20.10.23)
- Anpassungsstrategien für die deutsche Landwirtschaft, Umweltbundesamt, 2018 (Abruf 20.10.23)
- Abschaltung der Atomkraftwerke Isar 2, Emsland & Neckarwestheim 2, Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Abruf 27.10.23)
- Stromerzeugung im 1. Halbjahr 2023, Destatis, (Abruf 27.10.23)
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