Wasserentnahmen sollen in Niedersachsen ab 2024 teurer werden

Landauf, landab wird gefordert, dass Wasserentnahmen aus Brunnen und Flüssen teurer werden. So sollen die Wassernutzer an den Kosten für den Wasserschutz beteiligt werden und die Gebühren Anreize setzen, das Wassersparen zu fördern. Dafür werden von den Bundesländern Wasserentnahmeentgelte erhoben. In Niedersachsen sollen die erst 2021 gesteigerten Gebührensätze aufgrund der Inflation zum 1.1.2024 erneut erhöht werden. Der Verordnungsentwurf der Landesregierung sieht eine Erhöhung um zwei Cent vor. Zahlen müssen auch die Wasserversorger. Sie holen sich das Geld von ihren Kunden zurück, denn diese sollen im Gegenzug zur Wassernutzung an den Kosten für den Gewässer- und Naturschutz beteiligt werden. Aber nicht allen Versorgern wird das kurzfristig gelingen. Auch die Industrie und die Landwirtschaft werden mehr für das Wasser zahlen müssen.

Schon seit 1992 erhebt Niedersachsen die Wasserentnahmegebühr

Die Wasserentnahmegebühr – auch bekannt als der sogenannte „Wasserpfennig“ oder „Wassercent“ – ist für das Entnehmen von Wasser aus oberirdischen Gewässern oder aus dem Grundwasser zu zahlen. Sie wird seit 1992 in Niedersachsen erhoben und soll den wirtschaftlichen Vorteil abschöpfen, der durch die Nutzung des Allgemeingutes Wasser in bestimmten Bereichen erlangt wird. „Grundsätzliches Ziel dieser Umweltabgabe ist ein sparsamer Umgang mit der lebenswichtigen Ressource Wasser“, so Minister Meyer.

Die Entgelte, die die Wasserversorger für die Trinkwasserversorgung zu zahlen haben und über die Wasserpreise an die Verbraucher weitergeben, betragen aktuell 0,15 Euro je Kubikmeter. Sie waren zum 1.1.21 verdoppelt worden. Die Industrie zahlt aktuell für Oberflächenwasser, das nicht zur Kühlung eingesetzt wird, eine Gebühr in Höhe von 0,06 Euro und für Grundwasser 0,08 Euro je 1.000 Liter. Bei der Beregnung und Berieselung zu landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder erwerbsgärtnerischen Zwecken werden 0,14 Euro fällig. Jetzt soll es 0,02 Euro je Kubikmeter teurer werden.

Die Inflation soll auch die Wasserentnahmen verteuern

Wegen der Inflation sollen die Gebührensätze steigen. Im Wassergesetz wird die Landesregierung ermächtigt, durch Verordnung die Gebührensätze und die Bagatellgrenze in Anlehnung an die Preisänderungsrate nach dem Verbraucherpreisgesamtindex gemäß Statistischem Bundesamt zu ändern. Voraussetzung ist, dass am Ende eines Kalenderjahres die Verbraucherpreise seit der letzten Änderung der Gebührensätze um mindestens zehn Prozent gestiegen sind. Da die Indexwerte zwischen der letzten Erhöhung zum 1.1.2021 und dem Jahresende 2022 um 13,4 Prozent gestiegen sind, will die Landesregierung nun die Erhöhung vornehmen. Aber noch wartet die finale Umsetzung.

Auf meine Anfrage bei der niedersächsischen Staatskanzlei, wann die Verordnung final beschlossen sein wird, antwortete ein Ministeriumssprecher, „nach den geltenden Verfahrensregeln hat das Kabinett am 22.8. beschlossen, den Entwurf für eine entsprechende Verordnung zur Verbandsbeteiligung zu versenden. Die sechswöchige Frist der Verbandsbeteiligung läuft bis Anfang Oktober. Danach werden die Rückäußerungen ausgewertet und es bedarf einer zweiten Kabinettsbefassung zur endgültigen Entscheidung. Da eine Änderung der Wasserentnahmegebühr jeweils für ein ganzes Kalenderjahr gilt – also zum 1.1. in Kraft tritt -, wird der Abschluss des Verfahrens noch im Jahr 2023 angestrebt.

Die Anpassung zum Zwecke des Inflationsausgleichs ist erforderlich, um die wirtschaftliche Anreizwirkung der Umwelt­abgabe aufrechtzuerhalten“, so Minister Meyer. Eine über die Maße spürbare Mehrbelastung für Privathaushalte ergebe sich daraus allerdings nicht. Wenn die Wasserversorgungsunternehmen die geplante Erhöhung von zwei Cent pro Kubikmeter Wasser weitergeben, müsste ein Privathaushalt mit einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Wasserverbrauch von rund 46 Kubikmetern Wasser künftig etwa ein Euro im Jahr mehr bezahlen, ist der Mitteilung der Staatskanzlei zu entnehmen. Aus meiner Sicht dürfte auch eine vierköpfige Familie bei zusätzlichen vier Euro im Jahr keinen Kostenschock erleiden, der sich nennenswert auf das Wassersparverhalten auswirkt. Vermutlich werden sie die Erhöhung ehedem nicht spüren.

Doppelte Anreizeffekte: Industrie wird für das Sparen doppelt belohnt

Aber wie siehts bei der Industrie als Wasserentnehmer aus? Der Umweltminister will mit der Erhöhung der Abgabe einen höheren Anreiz zum Wassersparen in der Industrie setzen. Klar, wer weniger Wasser entnimmt, spart die Gebühren. Aber schon jetzt gibt es weitere Sparanreize. So kann die Wasserbehörde für die industrielle Wasserentnahme zur Herstellung eines Erzeugnisses die Gebühr um 75 Prozent senken, wenn alle zumutbaren Maßnahmen zur Wassereinsparung getroffen worden sind. Nicht zu finden war eine Erklärung, woran die „Zumutbarkeit“ von Wassersparmaßnahmen eigentlich festgemacht wird. Ich habe daher bei einer Wasserbehörde nachgefragt. So richtig gut kam die Frage nicht an. Es handele sich um einen Ermessensspielraum, den die Behörden hätten, bekam ich zur Antwort. Außerdem könnten ja die Wasserentnahmen über die Jahre verglichen werden. Dies könne ja auch die veränderte Produktion bedingt sein, gab ich zu Bedenken. Ja, aber mehr könne die Behörde leider nicht leisten. Im übrigen gäbe es diesem Landkreis nicht viele Industriebetriebe, da stelle sich das Thema gar nicht.

Sparmaßnahmen der Industrie wären bei der Wasserentnahmegebühr also doppelt lohnend – durch Ersparnis der Gebührenzahlung und durch Senkung der Gebührensätze. Fraglich nur, ob die das auch weiß. Anzeichen dafür habe ich keine gefunden.

Rechtfertigt der Nutzen den Aufwand?

„Sparen soll sich wieder lohnen!“, könnte das Motto in Niedersachsen lauten. Jedenfalls müsste die bevorstehende Erhöhung der Wasserentnahmegebühren von den niedersächsischen Wasserversorgern an die Kunden durchgereicht werden, wollten sie nicht auf den Gebühren „sitzen zu bleiben“. Sie müssen aber andere Mehrkosten verkraften, wenn es nur um die 2 Cent je Kubikmeter geht. Die neuen Entgelte müssen sie in die Abrechnungssysteme einstellen, ggf. Abgrenzungen vornehmen, Preisblätter überarbeiten und veröffentlichen, Websites anpassen, Kundendeninformationen erstellen etc. etc. Peanuts sind die Beträge aber auch nicht. Für einen mittelstädtischen Versorger mit Haushalts- und Gewerbekunden würden Wasserentnahmegebühren in Höhe von 50.000 Euro fällig. Das Problem: bis zum 1.1.2024 wird eine Preisanpassung unmöglich, denn noch ist die Erhöhung ja nicht beschlossen. Die höheren Gebühren könnten dann erst bei einer späteren regulären Anpassung in die Wassertarife einfliessen. Aber jeder zweite niedersächsische Wasserversorger hat meinen Analysen zufolge erst in den vergangenen zwei Jahren seine Preise erhöht. Erfahrungsgemäß finden Tarifanpassungen in längeren Abständen statt. Wer jetzt nicht ehedem die Wasserentgelte anpassen muss, wird die Erhöhung auf eines der nächsten Jahre verschieben müssen.

Zudem ist fraglich, ob die erwarteten Anreizeffekte bei lediglich zwei Cent tatsächlich wirken werden. Insgesamt 10 Millionen der erwarteten 14 Millionen Euro Einnahmesteigerungen durch erhöhte Entnahmegebührensätze steuern nach meinen Berechnungen die Wasserversorger bei. Die restlichen 4 Millionen Euro teilen sich dann Industrie und Landwirtschaft. Dazu zählen Unternehmen der Automobilindustrie, Chemieindustrie, Energiewirtschaft und aus Branchen, bei denen derart kleine Erhöhungen kaum die Nachfrage nach Wasser verändern dürften. Untersuchungen zur Preiselastizität der Wassernachfrage in der Industrie rechtfertigen die Skepsis. Klar, vier Millionen Kostenbeteiligung sind bei den klammen Kassen für den Natur- und Gewässerschutz nicht zu verachten, aber da gibt es bessere Lösungen.

Wägt man also ab, zwischen Sparenreizwirkung sowie Kostenbeteiligung durch die Erhöhung auf der einen Seite und dem administrativem Aufwand bei den Versorgern auf der anderen, könnte man die Sinnhaftigkeit der Erhöhung in dieser Größenordnung bezweifeln. Wäre es nicht zielführender, sich nicht auf die „Gebührengleitklausel“ aus dem Wassergesetz zu beziehen und anstelle dessen eine politische Anpassung vorzunehmen?

Es zeigt sich offenkundig ein Bedarf, bei den Wasserentnahmeentgelten nicht nur an kleinen Schräubchen zu drehen, sondern das Thema ganzheitlich aufzunehmen. Denn wie die Nachfragen bei Wasserbehörden zeigen, verpuffen die Instrumente, weil sie zu wenig bekannt sind oder nicht wahrgenommen werden. Oder sie erzeugen einen Adminstrativaufwand in Wasserversorgern und in den Wasserbehörden, der angesichts der Ergebnisse kaum zu rechtfertigen sein wird.

Vielleicht erleben wir ja doch einmal eine beherzte Reform der Wasserentnahmeentgelte. Ich bin gespannt, welches Bundesland den Anfang macht.

Quellen / Weiterführendes

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  1. Kommunen fordern stärkere Kontrolle der Wasserentnahmen und wirksamere Entnahmeentgelte - LebensraumWasser Der Wasser-Blog

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