Am 18. Februar 2022 wurde in Hessen der Entwurf des Wasserwirtschaftlichen Fachplans veröffentlicht und damit die Verbände- und Öffentlichkeitsbeteiligung gestartet. So soll die hessische Wasserwirtschaft auf ein solides Fundament gestellt werden. Bis April können Interessierte dazu ihre Stellungnahmen beim Umweltministerium abgeben, danach wird der endgültige Plan in Kraft treten. Darin enthalten sind einige Feststellungen und Maßnahmen, die auch über Hessen hinaus für Aufmerksamkeit sorgen dürften. Fünf davon habe ich aus meinem Blickwinkel kommentiert
Der Wasserwirtschaftliche Fachplan soll nach seiner Verabschiedung „als zentrale Richtschnur dienen, um die Wasserversorgung für Mensch und Natur in Hessen sicherzustellen“, erklärte Umweltministerin Priska Hinz und ergänzt: „Hessen hat ergiebige Grundwasserreserven. Die letzten heißen trockenen Jahre haben uns aber gezeigt, dass wir damit haushalten müssen. Gerade im Hinblick auf die Klimakrise müssen wir vorrausschauend die richtigen Schritte ergreifen. Der Wasserwirtschaftliche Fachplan benennt und priorisiert eine Vielzahl von Maßnahmen, die nun insbesondere vom Land sowie von den Kommunen zu ergreifen sind. Es ist wichtig, an verschiedenen Stellschrauben anzusetzen und jeweils vor Ort die passenden Maßnahmen zu ergreifen. Unser Fachplan stellt sicher, dass dieses Engagement Hand in Hand geht“.
Wasserwirtschaftliche Herausforderungen durch Klimawandel und Wachstum steigen
Vor wenigen Tagen erst hat die Metropole Frankfurt am Main ihr Wasserkonzept den kommunalen Gremien vorgelegt. Angesichts eines Klima- und Demografie-bedingt steigenden Wasserbedarfs werden hier neue Wege beschritten, wie die „Regelhafte Festsetzung von Bau und Nutzung von Betriebswassersystemen bei Aufstellung von Bebauungsplänen größerer Neubaugebiete“ und die „Prüfung der Nutzung von im Stadtgebiet befindlichen ehemaligen Anlagen der Trinkwasserversorgung für die Betriebswassergewinnung“. In Frankfurt kommen die Einflussfaktoren Wachstum und Klimawandel in besonderer Weise zusammen. Aber Frankfurt ist natürlich kein Einzelfall. Das schlägt sich auch im vorgelegten Wasserwirtschaftlichen Fachplan für das Land Hessen nieder. So heißt es dort: „Spitzenlast-Ereignisse in der öffentlichen Wasserversorgung deuten darauf hin, dass in einem Extremjahr mit länger anhaltendem heißen Sommerwetter oder einer über mehrere Jahre anhaltenden Trockenperiode zukünftig mit höheren Bedarfswerten hinsichtlich des Gesamtwasser- und des Tagesspitzenbedarfes zu rechnen ist. Wenn mit Veränderungen des Grundbedarfs durch Bevölkerungsrückgang und wassereffiziente Technologien gerechnet werden muss, ergibt sich eine Spreizung zwischen Grund- und Spitzenbedarf, der bei Planung, Bau und Betrieb der Versorgungsinfrastruktur zu berücksichtigen ist. Eine Zunahme des maximalen Tagesbedarfs erfordert größere notwendige Fassungs-, Aufbereitungs-, Transport- und Speicherkapazitäten. Eine Zunahme des maximalen Stundenbedarfs kann größere Wasserverteilungskapazitäten erforderlich machen.“ Wer hier einen steigenden Investitionsbedarf erkennt, dürfte goldrichtig liegen. In Frankfurt ist der Bau der sogenannten Neuen Riedleitung aus dem Hessischen Ried nach Frankfurt, ein 100-Millionen-Projekt von Hessenwasser, bereits voll im Gange. Es wird nicht überraschen, dass die hohen Investitionen in den Ausbau der Wasserwerke und Verteilnetze auch höhere Wasserpreise zur Folge haben werden.
Der Industrie wird keine wachsende Wassernachfrage zugeschrieben. Das Gegenteil ist der Fall. Die Wasserproduktivität (in EURO Bruttoinlandsprodukt je Kubikmeter Wassereinsatz) konnte demnach in Hessen in den letzten Jahren so weit gesteigert werden, dass der spezifische Wasserbedarf bei gleicher Leistung um rund 75 % zurückging, steht es im Fachplan. Dies sei der Anwendung innovativer Technologien und Wasserkonzepte geschuldet, derentwegen die Wassereffizienz im industriell-gewerblichen Bereich auch künftig weiter zunehmen wird. Anders wird die Bedarfsentwicklung in der hessischen Landwirtschaft prognostiziert. Der Klimawandel und die demzufolge zunehmenden Dürrezeiten führen zu Bodenfeuchtedefiziten, diese müssen durch Bewässerung ausgeglichen werden. „In Trockenjahren kann der Zusatzwasserbedarf von heute ca. 35 Mio. Kubikmeter jährlich bei unveränderter ackerbaulichen Nutzung und ohne Wechsel auf andere Kulturpflanzen auf über 50 Mio. Kubikmeter jährlich im Jahr 2050 steigen. Es wird zudem davon ausgegangen, dass für eine produktive Landwirtschaft eine Ausweitung der Bewässerungslandwirtschaft auch in Mittel- und Nordhessen unabdingbar wird“ (S. 66).
Vielzahl an Maßnahmen für die hessische Wasserversorgung
Zu den im Wasserwirtschaftlichen Fachplan benannten Maßnahmen zählen u.a.
- die Förderung der Grundwasserneubildung durch Retention und Versickerung;
- der Schutz des Grundwassers vor Schadstoffeinträgen, um Knappheit durch Verschmutzung zu verhindern;
- der Ausbau von kommunenübergreifenden Verbundsystemen, die zur Sicherstellung der Wasserversorgung in Trockenperioden beitragen oder
- die Mobilisierung von Einspar- und Substitutionsmöglichkeiten von Trinkwasser, wie beispielsweise die vermehrte Nutzung von Brauchwasser.
- Ergänzend umfasst der Plan Instrumente zur Unterstützung der Umsetzung, wie ein verbessertes integriertes Datenmanagement und die Durchführung von Stresstests für die Wasserversorgung unter den Bedingungen des Klimawandels.
Einige Maßnahmen möchte ich kurz darstellen – und nicht unkommentiert lassen:
- Bei den Wasserrechten könnte sich einiges tun, wenn der Plan umgesetzt wird. Für die Bemessung von Wasserentnahmerechten sind die Veränderungen ebenfalls relevant. „Dieser Aspekt ist zukünftig im Hinblick auf eine flexiblere Handhabung der wasserrechtlichen Festlegungen zu berücksichtigen“, stellt der Plan in Aussicht. Aber das muss nicht mehr Wasser bedeuten, denn als Maßnahme wird in Betracht gezogen „bei Bedarf die Absenkung des Schwellenwertes der genehmigungsfreien, nur anzeigepflichtigen Grundwasserentnahme“, der heute bei 3.600 Kubikmeter jährlich liegt, vorzunehmen (S. 94).
- Unter den zahlreichen „Maßnahmen für ein nachhaltiges Wasser-Ressourcen-Management“ finden sich beim Maßnahmenblock „Sicherstellung einer effizienten Ressourcennutzung und Ressourcenverwendung“ (9.3.) auch umweltökonomische Maßnahmen. Da Grundwasser zeitweise in betroffenen Teilregionen zu einem knappen Umweltgut werden kann, sollen „die Auswirkungen der Nutzung der Wasserressourcen, zum Beispiel im Vogelsberg und im hessischen Ried, in Form von Umwelt- und Ressourcenkosten durch einen zweckgebundenen Ausgleich Rechnung getragen werden.“ Damit werden Ökosystem-Dienstleistungen honoriert und die externen Kosten der Nutzung der knappen Ressource Wasser internalisiert (S. 98). Ich erinnere mich an einen Austausch, den ich im vergangenen Jahr mit einem kommunalpolitischen Vertreter aus dem Vogelsbergkreis hatte. Die spätere Erwähnung des von ihm genannten Ausgleichsbeitrages erzeugte in anderen Kreisen später kollektive Schnappatmung.
- Aufgrund der zukünftig zu erwartenden Zunahme des Wasserbedarfs in der Landwirtschaft ist die Einführung und Sicherstellung eines effizienten Wassermanagements von hoher Bedeutung. Dazu sollen integrierte Ansätze ausgewählt werden. „Neben einer Anpassung von Anbausystem, Fruchtfolge und Sortenwahl, sind unter anderem die effizienten Bewässerungstechniken auszubauen und Vorhersagen, Modelle sowie Sensortechnik in die Bewässerungsentscheidung mit einzubeziehen“ (S. 95). Hier gibt es gerade in Hessen einige sehr aussichtsreiche Pilotprojekte. Eines davon wird auf der am 3. März online stattfindenden Mülheimer Tagung vorgestellt: „IOTAqua“: Optimierte Wasserbereitstellung durch intelligente Wasserzähler-Systeme“
- Um diese Maßnahmen zu stärken und die technischen Potenziale der Trinkwassereinsparung in den Versorgungsbereichen Haushalte und Kleingewerbe, öffentliche Einrichtungen, Gewerbe und Industrie sowie in der Land- und Forstwirtschaft auszuschöpfen, sollen auch satzungsmäßige Anreiz- und Förderprogramme zur Mobilisierung herangezogen werden. Bei den Anreizelementen sieht der Plan auch eine entsprechende Ausgestaltung der Wasserentgelte als Hebel an (S. 95). Allerdings, das sei als Hinweis erlaubt, haben hohe variable Entgelte in anderen Regionen den gewünschten Erfolg vermissen lassen, aber anderseits – auch bei hessischen Kommunen – zu Planungsunsicherheit, Kostenunterdeckung und Verursachungsungerechtigkeit beigetragen. Beim hessischen Fachplan mag man berücksichtigten, dass die genannte Quelle zu dem Thema aus dem Jahr 1999 stammt. Da war die „Wasserpreis-Welt“ tatsächlich noch eine andere. Vielleicht nutzt man aber auch den Ansatz, um „Smarte Tarife“ oder „Dynamische Wasserpreise“ als Spitzenlastorientierte Anreizelemente zu nutzen. Diese können, wenn sie mit kommunikationsbezogenen Anreizelementen kombiniert werden, ein aller Voraussicht nach wirksamer Baustein sein, um die Verbrauchsspitzen preisreagibler Kundengruppen zu glätten. Auch hierzu wird es einen Vortrag auf der Mülheimer Tagung geben.
- Auch ein weiterer Aspekt ist bemerkenswert, wenn es um Kostendeckung und Ressourcenkosten geht: „In Deutschland erheben 13 Bundesländer im Rahmen der Umsetzung von Artikel 9 Wasserrahmenrichtlinie unterschiedlich ausgestaltete Wasserentnahmeentgelte. (…) In der Summe aller Bundesländer, die ein Wasserentnahmeentgelt erheben, wurde im Jahr 2020 ein Aufkommen von rund 430 Millionen Euro erzielt. Hessen erhebt kein Wasserentnahmeentgelt.“ Punkt! Ende! Warum Hessen Wasserentnahmeentgelte auch in Zukunft nicht erheben will – beispielsweise um Anreize zu setzen oder um Kosten zu decken – verschweigt der Fachplan.
Informationen zur Öffentlichkeitsbeteiligung
Der Wasserwirtschaftliche Fachplan wurde gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Wasserversorgung mit Unterstützung eines Beirats aus Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, Fachverbänden, Umweltverbänden und der Landwirtschaft erarbeitet. Der Entwurf des Wasserwirtschaftlichen Fachplans kann im Internet unter https://umwelt.hessen.de/Wasser/Grundwasser-und-Wasserversorgung heruntergeladen werden. Es besteht die Möglichkeit, vom 18. Februar 2022 bis zum 20. April 2022 Stellung zu dem Entwurf zu nehmen. Die Stellungnahme kann per Post oder per E-Mail an folgende Adresse an wfp-anhoerung@umwelt.hessen.de versandt werden.
Quellen / Weiterführendes
- Wasserwirtschaftlicher Fachplan Hessen, Schutz und Nutzung der Wasserressourcen, Entwurf, Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Stand: 14.02.2022
- Wasserkonzept der Stadt Frankfurt am Main, 9.2.2022
- Mülheimer Tagung – Wasserökonomische Konferenz, 3.3.2022, Online
Beitragsfoto: Canstock
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