Was drohende Wasserengpässe mit steigenden Wasserpreisen zu tun haben

Schon wird über erste Wasser-Entnahmeverbote berichtet. Die Wasserversorger kündigen bereits wieder typische „Sommerverbräuche“ an. Gerade erst gestern warnten die Chefs des DVGW und der Berliner Wasserbetriebe. Jetzt müsse verstärkt investiert werden, um die Wasserversorgung resilienter zu machen, so ihre Botschaft. Aber Investitionen in zusätzliche Absicherungen kosten Geld. Damit müssten auch die Wasserpreise steigen. Dürfen sie aber kommunalpolitischen Gründen in vielen Regionen nicht. Ein paar Argumente, weshalb sich sich ökonomische Gesetzmäßigkeiten und politischer Opportunismus nicht immer vertragen, will dieser Beitrag aufzeigen.

Berliner Wasserbetriebe und DVGW warnen vor den Sommerspitzen

Jeder fünfte deutsche Wasserversorger hatte 2022 mit Engpässen zu kämpfen. Die Situation dürfte der fortschreitende Klimawandel verschärfen. Das ist das Ergebnis einer Befragung des DVGW unter Wasserversorgungsunternehmen. Die Ergebnisse und daraus resultierende Forderungen wurden gestern vom Vorstandsvorsitzenden der Berliner Wasserbetriebe, Professor Dr. Christoph Donner, und Dr. Wolf Merkel, Vorstand des DVGW, vorgestellt. „Sommerverbräuche“ sind nicht so sehr in der Gesamtabnahme auffällig, schmerzhafter ist der durch sie erzeugte „Stress in den Anlagen“. So hatte der Rückmeldung aus der Branche zufolge 2022 jedes dritte Unternehmen extrem hohe Auslastungen von über 90 Prozent am Spitzentag zu verkraften. So etwas kommt zustande, wenn gleichzeitig Pools gefüllt, Rasen und Gärten oder landwirtschaftliche Flächen mit Trinkwasser bewässert werden. Die Entwicklung kann bedrohlich werden, denn deutlich höhere Spitzenbedarfe können zu Einschränkungen in der Versorgung führen – zumal wenn es bei den Ressourcen knapp wird. Vorsorglich kündigte Berlin bereits Rationierungen beim Wasser an. Dann kommt es nicht nur zu Bewässerungsverboten der Gärten, sondern auch zu Mengenbeschränkungen bei Großverbrauchern. Hier werden bereits Forderungen nach eigenen Großverbraucherpreisen hörbar. Viel zu oft stellt man allerdings immer noch in der deutschen Wasserwirtschaft fest, dass Großverbraucher günstigere Sondertarife erhalten. Das machen die Versorger nicht aus Gutmütigkeit, wie sie erklären, sondern weil ihre Preissysteme ihnen dies quasi aufnötigen. Die hohen Abnahmemengen sichern die Deckungsbeiträge, um die Investitionen bewältigen zu können. Die Zähler-Grundpreise wären bei vielen Versorger dafür einfach zu niedrig. Zu geringe Grundpreise hat auch schon das Bundeskartellamt bemängelt. Wie man sieht und hört, liegt ein Grundübel in den Wasserpreisen.

Die Experten machen klar, dass Ausfall-Szenarien bei Hitze und Trockenheit nur dann nicht auch in Deutschland Realität werden, wenn die Trinkwassernetze an die veränderte Verfügbarkeit und Nachfrage angepasst werden. „Es gilt, die Versorgungsinfrastruktur zunehmend redundant auszulegen. Dies kann durch die Erschließung neuer Gewinnungsgebiete, durch den Bau neuer Talsperren, unterirdischer Wasserspeicher oder durch den Ausbau des Fernleitungssystems bzw. den Ausbau von Verbundsystemen zu benachbarten Versorgern geschehen. Hierbei muss jedes Versorgungssystem individuell betrachtet werden – eine one-fits-all-Lösung gibt es nicht“, erklärt Wolf Merkel. Zwar zeigen sie auch auf, dass dies mit hohen Investitionen verbunden sein muss, nicht aber, dass daraus auch angemessen steigende Wasserpreise und -gebühren resultieren. Zu viele Unternehmen, das zeigen meine laufenden Expertengespräche, fahren ihre Infrastruktur „auf dem Zahnfleisch“. Man möge mir diese Metapher nachsehen, aber vielerorts schmerzt es wirklich schon. Wer mehr Sicherheit will, muss auch höhere Preise akzeptieren. Wir fahren mit unseren Autos zum TÜV und nehmen es widerstandslos hin, wenn dieser teure Reparaturen verordnet, damit unser „geliebtes“ Auto seine Betriebserlaubnis nicht verliert. Wenn aber die Wasserpreise steigen sollen, ist das Geschrei groß. Erstaunlicherweise ist das sogar dort der Fall, wo Gebühren nach klar geregelten Kommunalabgabengesetzen erhoben werden.

Ohne Preisanpassungen kann es nicht mehr Sicherheit geben

Und auch das ist klar. Wenn 80 Prozent der Erlöse vom Wasserverbrauch der Kunden abhängen, weil den höchsten Anteil nun mal die Zählergrundpreise stellen, kann sich jeder Wasserversorger ausrechnen, wann das Wassersparen bei ihm zu wirtschaftlichen Engpässen führen wird. Schon sinken die Verbräuche je Einwohner und Tag wieder auf das Niveau von vor 2018. Nur 125 Liter waren es 2022, in Ostdeutschland sind es unter 100 Liter. Auch deshalb empfiehlt die „Sächsische Grundkonzeption für die Trinkwasserversorgung 2030“, die Einführung robusterer Entgeltsysteme zu prüfen. Mit Prüfen wird es nicht getan sein. Höhere Grundpreise sind unvermeidbar. Die „Eierlegende Wollmilchsau“ mag es in der Politik geben, definitiv aber nicht in der Wasserwirtschaft. Wer Wassersparen, Versorgungssicherheit und niedrige Wasserpreise gleichzeitig fordert, hat die Zusammenhänge, die unsere Infrastruktur am Leben erhalten, nicht verstanden.

Und auch mit einem weiteren Unverständnis gilt es aufzuräumen. Damit Wasserpreise zum Wassersparen anreizen, müssen sie richtig hoch sein, so hoch, dass ihre Erschwinglichkeit für Normalverbraucher fraglich ist. Denn sonst werden sie nicht wahrgenommen. In Befragungen zeigt sich bei der Hälfte der Rückmeldungen, dass die Wasserpreise überschätzt werden. Die Kunden haben die höheren Preise schon längst verinnerlicht – auch schon vor der Inflation. Ich behaupte mal ganz frech, wenn sie sie wüssten, wie niedrig die Wasserpreise wirklich sind, würden sie womöglich mehr verbrauchen. Also muss es die Großverbraucher treffen. Die, so zeigen Analysen der Preiselastizität der Wassernachfrage reagieren auf die Preise zumindest im geringen Maße. Wie aber will man in einem „vermaschten“ Verteilnetz die Großverbraucher an den Anschlüssen oder gar in gemischt-genutzten Immobilien als Wasserversorger ausfindig machen? Brauchen wir wirklich eine Wasserpolizei oder wollen wir „aufmerksame Nachbarn“ zu Hilfssheriffs für Wasserverstösse ernennen? In NRW wollte die letzte Regierung die Wasserabnahme zugunsten der Haushalte „priorisieren“. Die aktuelle Regierung beißt sich an der angekündigten Verwaltungsvorschrift wohl immer noch die Zähne aus. Wir hatten sie gewarnt. Jetzt warten wir seit drei Jahren auf die Umsetzung.

Liebe Politik im Bund, in den Ländern und Kommunen, noch gehören in Deutschland Wasserversorgungsausfälle zur Seltenheit. Wasser ist allerdings schon jetzt nicht mehr überall im ausreichenden Maße vorhanden. Das UBA hat bedrohliche Bilder für Berlin/Brandenburg gezeichnet, wenn der Bergbau in der Lausitz beendet sein wird. Ostwestfalen rüstet sich schon wieder für den trockenen Sommer, Unterfanken steht bald auf dem Trockenen. Wie viele Hiobsbotschaften braucht es eigentlich, damit ein Umdenken einsetzt? Versorgungssicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Es brauchte Wasserpreise, die das gestiegene Kosten- und Anforderungsniveau abbilden. Während alle anderen Preise und Gebühren wie selbstverständlich steigen (dürfen), wird mit Wasserpreisen ein perfide erscheinender Wettbewerb ausgefochten: wer hat längste Zeit die stabilsten Tarife. Irgendwann bersten die Rohre oder sprudeln die Keime. Dann wird auf die Verantwortlichen in den Unternehmen gezeigt. Doch dann ist es zu spät! Und Euch, liebe Geschäftsführer, Werkleiter, Verbandsvorsteher wehrt Euch! Ihr dürft es am Ende ausbaden – es sei denn, es gibt kein Wasser.

PS: Gerne diskutiere ich die Zusammenhänge und Herausforderungen mit Betroffenen

Weiterführendes

Beitragsfoto: Gendries

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