Defekte Wasserleitungen, die tickenden Zeitbomben in deutschen Häusern?

Alle 30 Sekunden platzt ein Rohr oder löst sich eine Dichtung: Mehr als eine Million Schäden wegen berstender, undichter oder leckender Wasserleitungen werden jedes Jahr aus deutschen Häusern gemeldet. Erneuert werden die Leitungen meist erst, wenn etwas passiert – und der Versicherer dafür zahlt. Die Gebäudeversicherer schlagen jetzt Alarm und haben die Verträge angepasst. Ein Bericht des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft hat mit Schadenstatistiken soeben für Aufmerksamkeit gesorgt. Das Thema könnte dank der Digitalisierung auch Geschäftschancen für Wasserversorger mit sich bringen.

Mit Wartung wären viele Schäden vermeidbar

Mehr als eine Million Schäden an Wasserleitungen werden Jahr für Jahr in Deutschland gemeldet. Statistisch gesehen platzt alle 30 Sekunden ein Rohr, löst sich eine Dichtung oder leckt eine Armatur. Mehr als 2,6 Milliarden Euro kosten allein solche Wasserschäden die Wohngebäude- und Hausratversicherer in Deutschland. Tendenz: steigend. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Sanierung meist teurer wird als geplant.

„Viele Schäden wären vermeidbar, wenn die Wasserleitungen regelmäßig gewartet würden“, so Oliver Hauner, Leiter der Abteilung Sach- und Technische Versicherung beim GDV in einem Dossier des Versicherungsverbandes (siehe unten). „Eigentlich müssten Hausbesitzer nach rund 30 Jahren ihr Rohrleitungssystem überprüfen, wenn nicht sogar bereits sanieren lassen“, erklärt der GDV-Experte. Je älter die Gebäude, desto häufiger sind Leitungswasserschäden. Je jünger, desto teurer der Schaden (siehe Grafik). „Doch viele Hausbesitzer schrecken wegen der hohen Kosten vor einer Sanierung zurück“ bedauert Hauner.

Die Leckage-Hotspots (Quelle GDV)
Die Leckage-Hotspots (Quelle GDV) – Der Osten ist wegen der „Nachwende“-Sanierungen weniger auffällig

Vermeidung ist möglich. Billigware ist gefährlich. 

Bei Wasserschäden sind die Folgen und damit auch die Kosten für die Betroffenen nur schwer abschätzbar. Und auf die Frage, ob und wie sie das Malheur hätten verhindern können, gibt es keine eindeutige Antwort, zu vielfältig sind die Ursachen. „Häufig sind falsche Materialen verbaut worden, Eckventile falsch angebracht oder die Installationsanleitung von Geräten nicht richtig gelesen worden“, sagt Thorsten Pfullmann, der beim Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung (IfS) im Auftrag der Versicherer jährlich rund 600 Schäden untersucht. Mangelhafte Rohrverbindungen, kaputte oder falsche Dichtungen sorgen IfS-Statistiken zufolge für jeden vierten Schaden. Auch Armaturen an Waschtischen, die häufig von Heimwerkern selbst eingebaut werden, können schnell zu einem überfluteten Bad führen. Ein echter Rohrbruch ist nur in 21 Prozent der Fälle die Ursache für feuchte Wände und nasse Fußböden. Wer Billigware im Baumarkt und sogar im 1-EURO-Laden kauft, der sollte nicht überrascht sein, wenn die Leitung platzt.

Geiz mag geil sein, in jedem Fall wird er teuer - Duscharmaturen im 1-EURO Shop (Foto Gendries)
Geiz mag geil sein, in jedem Fall wird er teuer – Duscharmaturen im 1-EURO Shop (Foto Gendries)

Wartung hilft vor Schaden schützen. Trinkwasser-Check wird zu selten angeboten

Es gibt aber auch kaum Hilfestellung für die Hausbesitzer. Bei der Frage nach einer Wartung oder nach einem Trinkwasser-Check, um den Zustand der Trinkwasserinstallation zu kontrollieren, zucken nach meinen Erfahrungen viele Installateure die Schultern. Entweder haben sie keine Zeit, auch weil die Aufträge sind nicht lukrativ genug sind oder die Hausbesitzer argwöhnen bei solchen Installateuren, die von sich aus aktiv werden, „übertriebenen Geschäftssinn“. Im Ergebnis kommt es zu selten zu Kontrollen des Leitungssystems. Erst wenn der Schaden da ist und die Leitung leckt, bricht hektische Betriebsamkeit aus. Aber dann ist es meist zu spät und der Keller oder die Wohnung steht unter Wasser.

Versicherer wollen an der Beitragsschraube drehen

Die häufigsten Schäden in der Verbundenen Wohngebäudeversicherung resultieren aus den defekten Wasserleitungen, wenngleich die andere Elementarschäden drastisch zunehmen. Von den 46 Milliarden Euro, die Versicherer zwischen 2002 und 2013 auszahlten, entfiel knapp die Hälfte auf Leitungswasserschäden. Noch 2013 konnten die deutschen Versicherer mit der Verbundenen Wohngebäudeversicherung bei 6 Milliarden Euro für die Schadensregulierung, denen Beiträge von 5,6 Milliarden Euro gegenüberstanden, ihre Kosten nicht decken. Aber die Versicherer haben in den letzten Jahren auf die steigenden Schadensereignisse und steigenden Kosten reagiert. Schon in 2015 sanken die Leistungen auf 4,7 Milliarden Euro, weil viele Versicherer die bisherigen Verträge gekündigt oder mit neuen Konditionen versehen hatten, so dass die Beitrage auf 6,3 Milliarden Euro anstiegen. „Rentabel kann das Geschäft aber nur werden, wenn die Assekuranz die Prämien stark erhöht, weniger Schäden reguliert oder aber Versicherungsnehmer mit hohen Risiken bestraft oder gar hinauswirft. Der Versicherte kann sich dagegen kaum wehren,“ berichtete schon DIE WELT vor zwei Jahren (siehe unten).

Smarte Leckagewarnsysteme: LEWAS reagiert schneller als der Mensch

Immer mehr Versicherer unterstützen ihre Kunden aber auch bei der Schadenprävention. Innovative Anbieter haben Sensoren entwickelt, die im Keller, unter der Küchenspüle oder im Bad angebracht werden und sofort sichtbar wie lautstark Alarm auslösen – und parallel eine Nachricht aufs Handy oder an einen Wartungsdienst schicken. Einige dieser Sensoren sperren gleich die Hauptleitung zu. Das funktioniert über intelligente Wasserabsperrventile, die direkt an der Hauptleitung angeschlossen werden. Die Geräte messen die durchfließende Wassermenge und können so mögliche Leitungsschäden feststellen.

SMARTE SYSTEME VERHINDERN ZWAR KEINEN SCHADEN, ABER SIE VERMINDERN DAS AUSMASS“
Georg Scholzen, Experte für Schadenverhütung bei der Westfälischen Provinziell Versicherung, Münster 

Die Westfälische Provinzial Versicherung (WPV) testet gerade mit der RWW Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft deren Leckage-Warnsystem LEWAS in Turnhallen, Schulen und Schwimmbädern der RWW-Partnerstadt Gladbeck. Rund um die Uhr wird jeder kritische Punkt mit einem intelligenten Zähler kontrolliert. Sobald Leckagen gemeldet werden, wird das Serviceteam des Wasserversorgers aktiv und verhindert größere Schäden. „In einem Schwimmbad haben wir mithilfe eines solchen Leckagesystems zum Beispiel feststellen können, dass ein Druckknopf bei den Duschen kaputt war“, erzählt Georg Scholzen, Experte für Schadenverhütung bei der WPV im GDV-Magazin. Auch in einer Turnhalle lässt sich ein undichtes Rohr früher feststellen. Statt abzuwarten, bis die Feuchtigkeit sichtbar wird, weil sich der Boden wellt oder die Wand feucht wird, zeigt das System die Leckage an. „Das könnte uns einen Zeitvorteil von zwei bis drei Wochen verschaffen und so einen Schimmelschaden viel unwahrscheinlicher machen“,erklärt der Leitungswasserexperte Scholzen.

Was kann getan werden? Neues Geschäfts- und Kundenzufriedenheitspotenzial für die Wasserwirtschaft!

„Alle paar Tausend Kilometer mir dem Auto zur Inspektion, aber um die Leitungen für das Lebensmittel Trinkwasser im Wohnhaus kümmert sich keiner“, könnte man das Problem zusammenfassen. Aber damit ist es nicht getan, es muss auch jemand Hilfestellung geben. Viele Hauseigentümer wissen gar nicht, was zu tun ist. Viele Installateure sind überfordert oder desinteressiert. Wer allerdings als Hausbesitzer seine Armaturen im Billig-Markt kauft, muss sich über undichte Armaturen oder kaputte Leitungen nicht wundern. Die meisten Hausbesitzer sind unwissend oder überfordert.

Ist das nicht die Chance für Wasserversorger? Sie sind die Experten für Leitungen und Trinkwasserqualität. Wäre dies nicht ein Geschäfts- und Kundenzufriedenheitspotenzial. Zumal neue Zählersysteme Daten liefern, die für diese Zwecke genutzt werden können. Die englischen und viele spanische Wasserversorger sind hier schon viel weiter. Die deutsche Versicherungswirtschaft stünde als Partner bereit. RWW und die Westfälische Provinziell sind längst kein Einzelfall mehr. Die Kunden würden solche Angebote ihrer Wasserversorger ohne Zweifel begeistern. Vielleicht müssen wir auch nur warten, bis sich die digitalen Funkwasserzähler durchgesetzt haben. Sie haben die Leckagewarnung quasi im Gepäck. Bei der Diskussion um deren Akzeptanz sind die Wasserversorger gut beraten, diesen Kundennutzen in ihre Argumentation aufzunehmen.

Weiterführende Informationen und Quellenhinweise

  • „Alle 30 Sekunden ein Leitungswasserschaden in Deutschland“, GDV, 2017, Klick hier! 
  • Fachbeitrag „Dürfen häusliche Trinkwasserinstallationen stiefmütterlich behandelt werden?“ Klick hier!
  • Fachbeitrag “Risiken in der Hausinstallation: Beim Leitungswasser kommt es auch auf den letzten Meter an!“ Klick hier!
  • „Statistisches Taschenbuch 2016“, GDV, (S. 67 Geb. Wohngebäudeversicherung) Versicherungswirtschaft
  • Fachbeitrag „Internet der Dinge“ beim Leitungswasser Klick hier!
  • Das unsichtbare Risiko der deutschen Hausbesitzer, DIE WELT, 2015

Fotoquellen

  • GDV
  • Gendries
  • Beitragsfoto Santhosh Kumar, Bangalore, India, http://freeimagescollection.com/categories/water.php (CC)

3 Kommentare

  1. Ich wusste nicht, dass sich einige Klempner weigerten, die Rohre zu inspizieren. Ich denke, dass es besser ist, seine Rohre von Zeit zu Zeit zu überprüfen, als zu warten, bis der Schaden entstanden ist. Einige Dinge können rechtzeitig behoben werden, während, wenn es zu spät ist, alles geändert werden muss.

    • Sie haben sooo sehr recht, leider lohnt sich für viele Installateure die Inspektion nicht, und wenn sie es aktiv vorschlagen, wird ihnen mit Skepsis begegnet. Viele Verbraucher sind unwissend, was sie für ein Risiko eingehen und als Vermieter sogar haften. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

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  1. Mil­li­ar­den­schä­den durch geplatzte Rohre. Alle 30 Sekunden ein Leitungswasserschaden in Gebäuden | LebensraumWasser Der Wasser-Blog

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