Starkregen und Extremhitze kommen nicht nur in den subtropischen Regionen vor. Angesichts des Klimawandels müssen wir uns auch in hiesigen Breiten auf Wetterextreme vorbereiten. Während bei Starkregen in den ländlichen Regionen die Gräben, Bäche und Flüsse für den natürlichen Abfluss sorgen, benötigen Städte eigene Lösungen für den urbanen Raum. Ihnen fehlt nicht nur der Abfluss, dort verhindert auch die zunehmende Versiegelung, dass sich die Wassermassen gleichmäßig verteilen und zurück in den natürlichen Wasserkreislauf gelangen.
Ein Blick in unsere Hauptstadt zeigt nicht nur, was sich in diesem Sommer in Berlin ereignet hat, sondern auch welche Antwort die Berliner Wasserbetriebe darauf haben. Während in den früheren Jahren in den Sommermonaten bis zu 80 Millimeter Niederschlag monatlich fielen, waren es in diesem Jahr im Juni mit 261 Millimeter mehr als das Dreifache, auch der Juli war mit 163 Millimeter unwesentlich weniger extrem. Das hat nicht nur die Berliner Schüler geärgert, deren Sommerferien sprichwörtlich ins Wasser fielen, auch die Hauptstadt-Straßen standen häufig unter Wasser. Das ist aber nicht der einzige negative Effekt. Die Gewässer werden durch direkte Regenwassereinleitungen erheblich belastet. Regenwasser ist das Transportmittel für Reifenabrieb und Motorenöle, die sich auf den Straßenoberflächen ansammeln. Zudem wird durch die hohe Versiegelung im Stadtgebiet die natürliche Grundwasserneubildung beeinträchtigt, denn das Wasser kann nicht einsickern. Daher ist „ein schonender und umsichtiger Umgang mit der Ressource Wasser zur Sicherung der Trinkwasserversorgung der Stadt deshalb gerade im Ballungsraum Berlin wichtig. Die Abkehr von der traditionellen Regenwasserbeseitigung und direkten Ableitung zur Regenwasserbewirtschaftung ist dafür eine wichtiges Standbein der Wasserwirtschaft“, erklärt die Umweltverwaltung der Stadt auf ihrer Website.
Wohin mit den Regenmassen?
Die Berliner Wasserbetriebe haben unter dem Motto „Regen auf den richtigen Wegen“ Lösungen entwickelt, um den Niederschlag in der Stadt zu halten. Dort soll er in neuen Stadtquartieren dezentral versickern oder auf grünen Dächern für ein gutes Mikroklima sorgen. Dazu betreiben sie nicht nur das sogenannte „Stauraumprogramm“, sondern haben mit großen Speicherkapazitäten in den Klärwerken und einem Leitsystem zur integrierten Steuerung des Abwassersystems anforderungsgerechte Lösungen entwickelt.
Zudem werden die intelligente Bewirtschaftung des in der Kanalisation selbst vorhandenen Stauraums durch Drosseln, Wehre und höhere Schwellen sowie die dezentrale Versickerung des Regenwassers von Straßen und Plätzen immer wichtiger.
Daten sind eine wichtige Ressource
Die zielgerichtete Steuerung der Regenmassen und der Anlagen benötigt Ressourcen, die erst im Zuge der Digitalisierung der Abwassersysteme entstehen: Daten. Sie sind die Voraussetzung, um die Wechselwirkungen in den immer komplexer werdenden Systemen zu verstehen. Dazu gehören auch Fragestellungen wie etwa: Welche Regenmengen mit welchen Frachten gelangen bei welcher Niederschlagsintensität in bestimmte Gewässer und was löst das dann dort genau aus? Was können wir über den Zustand der Abwassernetz erfahren? Aber Voraussetzung dafür sind Sensorien und IT und damit Daten für Modelle und Simulationen. So gibt es beispielsweise Überlegungen, die dezentralen Regendaten bei Kraftfahrzeugen zu erfassen, um lokal schnell und zielgerichtet reagieren zu können. „Regenwasserbewirtschaftung ist ein Smart-City-Projekt, das die Wasserbetriebe steuern, an dem aber viele Akteure mitwirken. Die geplante Berliner Regenwasseragentur ist hierbei ein wichtiger Baustein“, erklären die Berliner Wasserbetriebe in einem Informationspapier.
Ohne Geld geht es nicht
100 Millionen Euro bringen das Land Berlin und die Berliner Wasserbetriebe auf, um dem Regenwasser die Schranken zu weisen. Zusammen mit dem sog. „Stauraumprogramm“ steht bis 2024 ein rund 400.000 Kubikmeter fassender „Abwasserparkplatz“ zur Verfügung, womit man das Olympiastadion zu knapp zwei Dritteln füllen könnte.
Die zielgerichtete Regenwasserbewirtschaftung macht die Stadt lebenswerter. So können Verdunstung und Beschattung die Hitzeinseln im urbanen Raum deutlich reduzieren. Aus Sicht der städtischen biologischen Vielfalt erhöhen viele kleine Maßnahmen die wichtige Vernetzung mit größeren Grünflächen. Insofern dienen die Maßnahmen nicht nur dem Ausgleich von Eingriffen in den Wasserhaushalt, sondern auch der Verbesserung von Lebensqualitäten in den Quartieren. Das schützt die Gewässer und verbessert die Lebensqualität für ganz Berlin.
Eine innovative dezentrale Lösung für die Regenwasserbewirtschaftung im urbanen Raum hatte ich im September im israelischen Kfer Saba besichtigt und in diesem Beitrag beschrieben.
Kurz erklärt: Regenwasserbewirtschaftung
Regenwasserbewirtschaftung bezeichnet alle Maßnahmen des Umgangs mit Niederschlagswasser auf den Ebenen Gebäude, Quartier und Einzugsgebiet der Stadtentwässerung, die über eine Ableitung im Kanal hinausgehen. Bei der zentralen Regenwasserbewirtschaftung werden Niederschlagsabflüsse in der Kanalisation (Misch- oder Trennsystem) zurückgehalten und/oder gereinigt: z.B. Retentionsbodenfilter, Regenklärbecken, Speicherraum-Bewirtschaftung im Kanalnetz. Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung bewirtschaftet die Niederschläge dort, wo sie anfallen, den örtlichen Gegebenheiten entsprechend durch geeignete Maßnahmen und führt sie vorrangig wieder dem natürlichen Wasserkreislauf zu. Hierzu ist das Niederschlagswasser möglichst im Gebiet zurückzuhalten und zu verdunsten (z.B. künstliche Wasserflächen, Gebäudebegrünung), zu nutzen (als Betriebswasser) und / oder über die belebte Bodenschicht zu versickern.
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