„Sommerinterview“ mit dem Bund der Steuerzahler zu Wasserentgelten

Der Sommer 2018 bietet angesichts der Hitze reichlich Anlass, um über Wasser zu reden. Wasserpreise sind ein Dauerbrenner, um bei dem Bild zu bleiben. Viele Versorger sind bei Wasserpreisen verunsichert und unentschlossen bei der Preiskommunikation. Also fragen wir die Experten: Der Bund der Steuerzahler NRW e.V. (BdSt NRW) ist ein gleichermaßen sachkundiger wie kritischer Begleiter der öffentlichen Finanzpolitik. Der Verein zeigt regelmäßig Verfehlungen bei kommunalen Gebühren und Abgaben auf, um die Öffentlichkeit zu unterrichten, aber letztendlich auch, um Missstände abzustellen. Auch Trinkwasserpreise- und gebühren hat der BdSt NRW „auf dem Radar“. LebensraumWasser.com hat den Wasserentgelt-Experten Jens Ammann zum Thema „Wasserentgelte und Kommunikation“ befragt.

Der Bund der Steuerzahler e.V. NRW analysiert regelmäßig die Trinkwassergebühren und – preise in NRW. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Jens Ammann: „Wir verfolgen mehrere Ziele.

Zunächst müssen wir sehen, dass die Versorgung mit Frischwasser eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge ist. Nach unserer Satzung hat der Verein unter anderem das Ziel, dass die Steuer- und Abgabenlast auf das Notwendige begrenzt und gerecht verteilt werden muss. Die Daseinsvorsorge muss zu angemessenen Preisen gestaltet sein. Deshalb interessiert uns die Frage, wie und zu welchen Preisen die Trinkwasserversorgung organisiert wird. Dabei haben wir als erstes festgestellt, dass diese oft einem schwer durchschaubaren Dickicht von Unternehmen mit diversen Investoren und Beteiligungen übertragen wurde. Die klassischen kommunalen Stadt- oder Wasserwerke gibt es oft nicht mehr. Auch komplettieren wir so unsere über viele Jahre gehende Analyse der Müll-, Straßenreinigungs- und Abwassergebühren. Entgelte für Frischwasser sind ebenso bedeutend für die Kosten der Ver- und Entsorgung.

Ein weiterer Aspekt: Wohnen wird durch staatliche und kommunale Initiativen für die Bürger immer teurer. Insbesondere die Grundsteuer, aber auch so manche kommunale Gebühr haben sich zu einer großen Belastung für die Bürger entwickelt. Wir möchten aufzeigen, welche Rolle die Entgelte für Frischwasser in diesem Zusammenhang spielen.“

Sie haben in Ihrer jüngsten Analyse deutliche Unterschiede bei den Wasserentgelten festgestellt? Was ist aus Ihrer Sicht am auffälligsten?

Jens Ammann: „Zunächst sehen wir, dass Preisunterschiede schon wesentlich durch die Entscheidung beeinflusst wird, welches Preismodell angewendet wird.

So bezahlen die Bewohner eines Mehrfamilienhauses in Solingen 42 Prozent mehr als der Durchschnitt der nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden mit mehr als 60.000 Einwohner. Die Bewohner eines Einfamilienhauses bezahlen 6 Prozent mehr. Der Grund liegt im alleinigen Verbrauchspreis.

In Essen bekommen die Bewohner von Einfamilienhäusern die Kombination eines hohen Verbrauchspreises mit einem hohen Grundpreis zu spüren. Sie bezahlen 29 Prozent mehr als der Durchschnitt.“

Was sollten die Versorger tun, damit die Preise verursachungsgerecht sind?

Jens Ammann: „Zunächst sollten Wasserversorger grundsätzlich auf die Quersubventionierung anderer Geschäftsfelder, wie z.B. öffentlicher Nahverkehr, verzichten. Das gilt nicht nur für direkte Unterstützungen, auch für latente Hilfen. Wir haben zwar keine belegbaren Unterlagen, ein Insider hat jedoch berichtet, welche Praxis häufig anzutreffen sei: Wenn ein Versorger weitere Geschäftsfelder hat, sollen Kosten, die nicht eindeutig zuzuordnen sind, in nicht nachvollziehbaren Anteilen aufgeteilt werden. Ein Beispiel: Welcher Anteil der Vorstandsgehälter wird dem Wasserverbraucher in Rechnung gestellt und welcher Anteil findet sich im Busticket oder im Strompreis wieder? Hier kann auf Kosten der Wasserverbraucher getrickst werden.

Auch können Wasserversorger ihre Preisstruktur hinterfragen und der Kostenstruktur anpassen. Wir lesen regelmäßig, dass rund 80 Prozent der Kosten der Wasserversorger Fixkosten sind. Unterstellt, dass diese Angabe im Wesentlichen richtig ist, sollten sie sich auch in der Preisstruktur bemerkbar machen.

Bei dem Wasserpreis können auf erzieherische Elemente verzichtet werden. Hohe Verbrauchspreise sollen Haushalte oft zum Wassersparen zwingen. Unabhängig von der Frage, ob das sinnvoll ist oder nicht, dieser politische Wille hat nichts mit einer verursachungsgerechten Bepreisung zu tun. Darüber muss man sich im Klaren sein.“

Zwei Versorger hatten bisher gar keinen Grundpreis, die Stadtwerke Solingen und die Stadtwerke Ratingen. Letzteres hat gerade das Tarifsystem umgestellt. Halten Sie den Verzicht auf einen Grundpreis für angemessen? 

Jens Ammann: Auf keinen Fall. Wer den Wasserhahn aufdreht, möchte ja, dass dort Wasser herauskommt, egal wie oft oder wie lange.

Deshalb ist es gerechtfertigt, auf jeden Verbraucher die anteiligen Kosten für den Bau und die Kosten für die ständige Betriebsbereitschaft der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zu übertragen. Das heißt: Die Kosten der Betriebsbereitschaft der öffentlichen Wasserversorgungsanlage, ohne dass im Einzelnen ein Wasserbezug stattgefunden hat, wird ganz oder teilweise durch eine Grundgebühr gedeckt.

Demgegenüber genügt eine reine Verbrauchsgebühr bei einem nur geringfügigen Wasserbezug nicht, um die anteiligen Kosten für die Vorhalteleistung (Bau- und Betriebsbereitschaft der Wasserversorgungsanlage) zu decken. Die nicht gedeckten Kosten der Vorhalteleistung bei geringem Wasserverbrauch werden durch „Großverbraucher“, etwa Familien mit Kindern bezahlt. Das ist weder angemessen noch fair.

Was halten Sie vom Systempreis, den beispielsweise die Stadtwerke Velbert, Stadtwerke Krefeld, RheinEnergie und RWW erheben?

Jens Ammann: „Der Systempreis ist aus unserer Sicht empfehlenswert. Er gibt Kosten der Wasserversorgung verhältnismäßig fair an die Verbraucher weiter und vermeidet die einseitige Belastung einzelner Haushaltstypen. Der Systempreis kann zum Vorbild anderer Wasserversorger werden.“

Wie nehmen Sie die Preiskommunikation bei Wasser in NRW wahr? Stellen Sie fest, dass Wasserpreise und die Gründe für deren Höhe und Entwicklung ausreichend transparent dargestellt werden?

Jens Ammann: „Die Höhe eines Preises lässt sich im Internet in der Regel schnell recherchieren. Wenn kein Preisrechner hinterlegt ist, kann der Taschenrechner leicht helfen. Wer jedoch die Gründe für die Preishöhe wissen möchte, stößt schnell an eine Mauer.

Schöne Worte und Argumente haben Versorger parat, ökonomische Kennzahlen wie Gewinn oder Eigenkapitalverzinsung sind dann tabu. Deshalb fordern wir mehr Transparenz.“

Was vermissen Sie bei der Preiskommunikation? Erläuterung und Darstellung der Wasserpreis-Zusammensetzung, Tarifrechner, Musterrechnungen, FAQ, … ?

Jens Ammann: „Eine konkrete und ehrliche Darstellung und Erläuterung des Wasserpreises wäre wünschenswert. Ebenso würden wir es begrüßen, wenn die Wasserversorger aufzeigen würden, warum sie sich für ein Modell entschieden haben und anhand von unterschiedlicher Haushaltstypen Beispielsrechnungen veröffentlichen. Dem gegenüber sollten dann die Kosten für die jeweiligen Haushaltstypen gestellt werden. So kann ein Bürger nachvollziehen, ob ein erhobener Preis gerecht ist.“

Wobei können Sie als Bund der Steuerzahler e.V. NRW die Verbraucher unterstützen?

Jens Ammann: „Der Bund der Steuerzahler kann ein Preismodell bewerten und aufzeigen, welche Vor- oder Nachteile es hat. Immer wieder wechseln Versorger ihre Preisstruktur. Natürlich gibt es hier immer „Gewinner“ und „Verlierer“, wobei letztere naturgemäß am lautesten protestieren. Wir können zu einer Versachlichung beitragen.“

Ich danke Herrn Ammann für die deutlichen Worte und die Bereitschaft, Verbraucher und Versorger bei verursachungsgerechten und transparenten Preisen zu unterstützen.

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