DEW21 prüft Umstellung des Wasserpreissystems

Ge

Wird mit DEW21 ein weiterer Wasserversorger seine Trinkwasserentgelte auf eine nachhaltigere und versursachungsgerechtere Struktur umstellen? Um die Antwort geben zu können, werden in den kommenden Tagen alle DEW21-Wasserkunden angeschrieben und um eine freiwillige Selbstauskunft gebeten. Beim aktuell geltenden Wasserpreissystem hat sich Reformbedarf offenbart und dem will der Dortmunder Versorger nun nachkommen, wie er in einer Pressemeldung von heute mitteilt.

Dortmunder Wasserversorger will auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren

Auch wenn die Nutzungszeiten der Trinkwassernetze und -anlagen auf 50 und mehr Jahre ausgerichtet sind, die Rahmenbedingungen für die Wasserversorgung ändern sich neuerdings in bisher nicht gekannter Dynamik. Das gilt insbesondere in einer Stadt wie Dortmund, dem früheren Herz der Industrieregion Ruhr. So habe sich dort in den vergangenen Jahren das Verbrauchsverhalten der Trinkwasserkunden durch den Struktur- und Klimawandel aber auch durch demographische Entwicklungen nachhaltig verändert. Während die Bevölkerungszahl in Dortmund sich nur marginal geändert habe, wurde der Wasserverbrauch in den vergangenen Jahrzehnten nahezu halbiert. Das erscheint nicht überraschen, hält doch – ungeachtet der heißen Sommermonate – der Trend zum Wassersparen an. Insbesondere in der Industrie ist dies unverkennbar, wie noch vor wenigen Wochen die Vertreter der NRW-IHK in einer Anhörung des Landtages erklärten. Insoweit kann der Schritt sehr gut nachvollzögen werden.

Nur wenige Stellschrauben, mit denen die Versorger reagieren können

Trotz der vielfältigen Dynamiken ist das Wasserpreissystem der DEW21 nach wie vor das alte, es wurde bisher noch nicht auf diese Veränderungen hin angepasst. Warum das ein Problem werden könnte? Um das zu erklären, muss man zunächst auf die Kosten schauen.

Die Trinkwasserversorgung ist zu rund 80 Prozent durch Fixkosten gekennzeichnet. d.h. auch wenn die Nachfrage sinkt und die Netze geringer ausgelastet werden, bleiben die Kosten weitestgehend unverändert. Das liegt an dem hohen Anteil technischer Anlagen, die für die Wasserversorgung erforderlich sind – auch wenn weniger Wasser durch die Leitungen fließt, denn spätestens in heißen Sommertagen kann es darin eng werden. An dieser Stelle kommen die Wasserpreise ins Spiel. Sie müssen nicht nur die richtige Höhe, sondern auch die passende Struktur haben. Andernfalls mangele es an der Verursachungsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit der Wasserpreise. Genau da wollen die Dortmunder ansetzen. Der Vergleich von Kosten- und Preisstruktur macht den Handlungsbedarf sichtbar: Bei der Wasserpreisstruktur der DEW21 dominiert der mengenabhängige Verbrauchspreis gegenüber dem jährlichen Grundpreis. Im Vergleich zu den Kosten sind die Preise nahezu spiegelbildlich. Diese Systematik, die noch bei vielen Versorgern anzutreffen ist, kann zu einem Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Kundengruppen wie bspw. Ein- und Mehrfamilienhausbesitzern führen. Und genau da soll die Untersuchung der DEW21 ansetzen, wie die Dortmunder mitteilen.

So sieht das Problem bei den meisten Wasserversorgern aus. Hohen Fixkostenanteilen stehen geringe Grundpreisanteile gegenüber (Grafik: Gendries).

Sorgfältige Untersuchung der möglichen Preissystematik

Der Versorger der Ruhrgebietsmetropole will nun untersuchen, inwieweit die Wasserpreise, d.h. die Kosten auf Seiten der Wasserkunden durch eine Umstellung des Wasserpreissystems ausgewogener und verursachergerechter aufgeteilt werden können. Dabei zielen sie auf eine neue Bemessungsgrundlage für den jährlichen Grundpreis ab. Orientierte sich dieser bisher an der Zählergröße, könnte in Zukunft „Anzahl der Wohneinheiten in einem Gebäude“ maßgeblich sein. Mit der Anzahl der Wohneinheiten lassen sich die Kosten der Vorhalteleistung deutlich feiner und verursachungsgerechter auf die Nutzer verteilen als mit den Zählergrößen. Der kleinste Wasserzähler, der Qn2,5 oder neuerdings Q3=4, wird in 90 Prozent der Wohngebäude verwendet; technisch zulässig ist er vom Ein- bis zum 30-Familienhaus. Somit zahlen alle denselben Grundpreis. Wobei leicht nachzuvollziehen sein wird, dass sich die verursachten Kosten sehr deutlich unterscheiden. Um diese Verursachungsgerechtigkeit zu erhöhen, sollen die Wohneinheiten herangezogen werden. Dann würde das Einfamilienhaus einen eigenen Preis bezahlen und das 30-Familienhaus ein Mehrfaches davon. Wieviel das sein wird, soll beispielsweise mit Hilfe der Daten aus der Selbstauskunft ermittelt werden. Je genauer die sind, desto präziser das Ergebnis der Untersuchung.

Auch Gerichte haben bei derartigen Fragen den Versorgern den Rücken gestärkt: „Die Bemessung einer Grundgebühr nach Wohneinheiten trägt dem unterschiedlichen tatsächlichen Nutzungsmaßstab bei Einfamilienhäusern einerseits und großflächigen mehrgeschossigen Mietwohnungsobjekten andererseits hinreichend Rechnung“. und „Der Maßstab der Wohneinheit stellt gegenüber dem bisherigen, ebenfalls zulässigen Maßstab der Zählergröße sogar den „feineren“, zu einer größeren Gebührengerechtigkeit führenden Gebührenmaßstab dar“. Genau darum geht es offenkundig auch der DEW21.

Für die nun angekündigte Prüfung, ob das in Betracht gezogene Preissystem auch wirklich passt, muss DEW21 von den Kunden jedoch mehr über die Gebäudenutzung und -größe erfahren. Da dem Unternehmen dazu keine Daten vorliegen, müssen diese bei den Kunden erfragt werden. Nur so kann zuverlässig abgeschätzt werden, ob die in Betracht gezogene Preissystematik die gesetzten Ziele auch erreichen würde.

Start der Selbstauskunft am 7.12.2020. Entscheidung zum weiteren Vorgehen soll im Frühjahr 2021 erfolgen

Das Unternehmen teilt in einer Pressemitteilung heute mit, dass ab dem 7. Dezember alle Tarifkunden, die von DEW21 Trinkwasser beziehen, mit der Bitte um eine Selbstauskunft zur Versorgungssituation angeschrieben werden. Adressaten seien die privaten und gewerblichen Hausbesitzer bzw. deren Verwalter. In dem Schreiben würden die Kunden über das geplante Vorgehen sowie die Gründe dafür informiert und um freiwillige Informationen zur Gebäudenutzung und -größe gebeten. Um bei der Untersuchung einer möglichen Wasserpreisumstellung zu einem zuverlässigen Ergebnis zu gelangen, sei die Erhebung der Daten unumgänglich. Fehlende Angaben würden zunächst geschätzt, könnten von den Kunden jedoch später nachgereicht werden. 

Die finale Entscheidung über eine Umstellung und wie diese gestaltet sein könnte, könne erst nach dem Abschluss der Untersuchungen getroffen werden, teilt die Pressestelle der DEW21 mit. Dies werde frühestens im Frühjahr 2021 der Fall sein.

Zahlreiche erfolgreiche Umstellungen und breite Unterstützung

Die Dortmunder verweisen auf andere Stadtwerke und Wasserversorgungsunternehmen in NRW, die bereits ähnliche Umstellungsverfahren umgesetzt haben. Gute Beispiele für diese Systematik liefern die RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft, die vor acht Jahren ihr Preissystem umgestellt hatten und später auch die Kölner RheinEnergie, aber auch die Stadtwerke in Düren, Krefeld, Ratingen und Velbert, um nur einige zu nennen.

Wegen der höheren Verursachungsgerechtigkeit auf Kundenseite und der größeren Sicherheit auf Seiten der Wasserversorger empfehlen auch der Bund der Steuerzahler NRW, Vertreter der NRW-Landesregierung und die Landeskartellbehörde derartige Preisumstellungen. Die Vertreterin der Landeskartellbehörde NRW hat den Wasserversorgern sogar nahe gelegt, wegen der auch für das Dortmunder Projekt ursächlichen Asymmetrie von Kosten und Preisen, mögliche Preisumstellungen zu prüfen. Auf einer Fachtagung der rhenag in Köln erklärte sie vor einigen Jahren: „Um zukunftsfähig zu werden, sollten die Unternehmen ihre Tarifstruktur umstellen“ (u.a. der BGH). Daran will die DEW21 nun offenkundig anknüpfen.

Die Ergebnisse werden sicher mit Spannung erwartet

Es ist sehr gut nachvollziehbar, dass die DEW21 sich zunächst einmal die erforderlichen Grundlagen für eine derart umfassende Wasserpreisreform verschafft. Zugleich ist es begrüßenswert, dass sie ihre Kunden mit einbezieht. Dafür ist die Selbstauskunft und die damit verbundene Kommunikation ein hervorragendes Instrument.

Auch die Dortmunder haben „das Ziel, dass die weit überwiegende Mehrheit der Kunden durch die Umstellung des Preissystems nur geringfügig mehr oder weniger bezahlen muss“. Wie genau dies bei DEW21 aussehen wird, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen, dämpft der Versorger die Erwartungen. Erfahrungsgemäß nehmen derartige Untersuchungen mehrere Monate in Anspruch, schließlich soll ein mögliches neues Preissystem für eine sehr lange Zeit gelten und auf die lokalen Bedingungen passen. Bei allen anderen bisher erfolgten Wasserpreis-Umstellungen war dies meines Wissens der Fall.

Quellen/Weiterführendes

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Was meinen Sie dazu?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.