Wie sieht’s in deutschen Abwasserkanälen aus? Befragung liefert Einblicke

„Alles gut“ in den deutschen Abwasserkanälen? „Geht so!“, könnte man antworten, wenn man die Befragung der DWA zugrunde legt. Zwar befindet sich über ein Viertel des deutschen Kanalnetzes aktuell in einem sehr guten Zustand, denn 27 Prozent der Kanäle weisen keine Mängel auf. Dem stehen aber 18 Prozent der Kanäle gegenüber, die kurz- bis mittelfristig saniert werden müssen. Die marginale Verbesserung gegenüber 2013, als es noch 19 Prozent waren, darf man getrost vernachlässigen.

Sanierung reicht nicht aus, Gebühren könnten steigen

Prof. Uli Paetzel, Präsident der DWA Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall erklärt in einer Pressemitteilung des Fachverbandes: „Die Daten belegen die erfolgreiche Arbeit der deutschen Abwasserwirtschaft. Sie zeigen aber auch, dass der finanzielle Aufwand für die Sanierung in den nächsten Jahren noch weiter gesteigert werden muss, um die Substanz auch für die kommenden Generationen zu erhalten.“ Daher ist es nicht überraschend, dass 60 % der Befragten eine finanzielle Aufwandserhö­hung für erforderlich halten – damit sind Steigerungen der Abwassergebühren gemeint. Die unterirdische Infrastruktur zählt zu den größten Vermögenswerten Deutschlands. Allein das öffentliche Abwassernetz weist einen Wiederbeschaffungswert von rund einer Billion Euro auf. Um die Zahl zu verdeutlichen: das ist etwa die Hälfte der deutschen Staatsverschuldung in Höhe von 2,1 Billionen Euro.

Jährlich saniert die deutsche Abwasserwirtschaft rund ein Prozent des öffentlichen Kanalnetzes, erklärt die DWA ausgehend von den Befragungsergebnissen. Bezogen auf die Gesamtlänge von knapp 600 000 km bedeute dies die Sanierung von rund 6 000 km Abwasserkanal; in etwa die Strecke Bonn – New York. Doch selbst dieser Aufwand reiche langfristig nicht aus. Die jährliche Sanierungsrate von rund einem Prozent würde eine durchschnittliche Nutzungsdauer von etwa 100 Jahren voraussetzen. Die Mehrheit der Branche plädiert daher aktuell dafür, den finanziellen Aufwand für die Sanierung und Instandhaltung künftig zu erhöhen.

Bemerkenswert ist diese einprozentige Sanierungsrate, die die DWA vermittelt. Schaut man nämlich in die Berichte von Landesrechnungshöfen oder in die Ergebnisberichte von Benchmarkingprojekten ist von deutlich geringeren Werten die Rede – übrigens auch beim Trinkwasser. So berichtet beispielsweise der Abschlussbericht des bayerischen Abwasserbenchmarkings von einem Sanierungswert von 0,55 Prozent im 10-Jahresdurchschnitt. So hält dieser Bericht als Empfehlung fest: „Die Kanalsanierungsraten sind deutlich zu steigern; im Durchschnitt ist eine Verdopplung anzustreben – erst dann können die 1 Prozent erreicht werden.“ Auch wenn der letztverfügbare Benchmarkingbericht aus Thüringen aus dem Jahr 2016 mit 1,8 Prozent auf 10 Jahren gesehen einen besseren Wert aufweist, zumal dies dem guten Zustand aus der Wendezeit geschuldet sein dürfte, es scheint eine Verstärkung der allgemeinen Anstrengungen bei der Sanierung der Kanalnetze dringend erforderlich.

Jetzt müsste noch gefragt werden, ob es nur die Finanzen sind, oder auch auch die fehlenden Personalressourcen oder andere organisatorische Hindernisse, denen die „Sanierungsbremse“ zu verdanken ist. Egal warum, da kann man sich den Berichten nur anschliessen, an der Zukunftssicherung der Kanalnetze muss dringend gearbeitet werden.

Nicht genehmigte Einleitungen bereiten zunehmend Probleme

Zunehmende Probleme bereiten den Kanalnetzbetreibern nicht genehmigte Einleitungen von Dränagewasser über private Entwässerungsanlagen in das öffentliche Netz, erklärt die DWA. Betroffen von dieser Problematik seien laut der aktuellen Umfrage rund zwei Drittel des deutschen Kanalnetzes. Dabei sei lediglich bei knapp 15 Prozent der Kommunen ein Anschluss der privaten Dränagesysteme an die öffentliche Kanalisation genehmigungsfähig. Bei knapp der Hälfte der Kommunen könnten diese Ableitungen zumindest in Ausnahmefällen genehmigt werden.

Die Folgen der Ableitung des Dränagewassers über das öffentliche Entwässerungssystem seien gravierend, sowohl technisch als auch ökonomisch, erklärt die DWA. Insbesondere bei der Einleitung in Misch- und Schmutzwasserkanäle führe der hohe Anteil des eingeleiteten Dränagewassers zu einer schlechteren Reinigungsleistung der Kläranlagen. Dazu komme eine Überlastung des aufnehmenden Kanals und eine Nichtgewährleistung des rückstandfreien Anschlusses. Und nicht zuletzt gestalte sich die verursachergerechte gebührentechnische Abrechnung äußerst schwierig. Das Thema Verursachungsgerechtigkeit scheint sich wie ein roter Faden durch die ökonomischen Fragen unserer Infrastrukturen zu ziehen. Egal, ob Abwasser oder Trinkwasser, einige Nutzer profitieren von der „Solidarisierung der Kosten“. Auch wenn in manchen Regionen Drainagewasser für den Abfluss in den Kanälen sorgen wird, die Probleme überwiegen. Auch hier müsste mehr getan werden. Die Kommunen müssten konsequenter diese illegalen Einleitungen aufdecken. Aber wie? Da war doch mal was mit „Dichtheitsprüfung von Grundstücksentwässerungsanlagen“…

Hinweise zur Befragung

Basis der Daten ist die aktuelle Umfrage der DWA zum „Zustand der Kanalisation in Deutschland 2020“. Die Daten wurden im Jahr 2018 erhoben. Für die Umfrage hat die DWA die Daten von 423 Kanalnetzbetreibern in Deutschland ausgewertet, die knapp 30 Mio. Einwohner repräsentieren. Auf dieser repräsentativen Datenbasis konnte eine Hochrechnung für ganz Deutschland durchgeführt werden. 

Q: DWA

Weitere Informationen:

Beitragsfoto: CC Amrei-Marie (contribs)

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