Wie Bäume im Wald sich beim Wassermanagement gegenseitig helfen und was wir davon adaptieren könnten

Wie genau reagiert ein Waldsystem und seine einzelnen Pflanzen auf extreme Dürre? Um Wälder widerstandsfähiger gegen zunehmende Trockenheit im Klimawandel zu machen und auch um Klimamodelle weiter präzisieren zu können, braucht es ein Verständnis über das Zusammenwirken in der Natur. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Christiane Werner von der Universität Freiburg hat zu dieser Frage das bislang umfassendste Experiment unter Einsatz von stabilen Isotopen als Marker durchgeführt. Dafür haben sie einen künstlichen Regenwald für neuneinhalb Wochen einer künstlichen Dürre ausgesetzt. So konnten sie beobachten, welche spezifischen Strategien unterschiedliche Pflanzen gegen die Trockenheit anwenden und wie sie dabei mit anderen Pflanzen, dem Boden und der Atmosphäre interagieren. Insgesamt wurde ein komplexes Zusammenwirken von stark und schwach dürreresistenten Bäumen und Pflanzen sichtbar, das ausschlaggebend dafür war, die Stabilität des gesamten Waldsystems so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Zudem ergab das Experiment weitere Hinweise darauf, wie sich Dürre auf die CO2-Speicherung Waldes auswirkt und wie Gas-Emissionen von dürregestressten Pflanzen die Atmosphäre und das Klima beeinflussen können. Das Experiment das zusammen mit Dr. Nemiah Ladd (Universität Freiburg) und Dr. Laura Meredith (University of Arizona/USA) koordiniert wurde, fand in dem US-Forschungszentrum Biosphere 2 statt. 80 WissenschaftlerInnen waren in dem interdisziplinären und internationalen Team beteiligt. Ihre Forschungsergebnisse veröffentliche das Team in der Zeitschrift Science.

Die Forschenden identifizierten in ihrem Experiment vier Pflanzentypen mit unterschiedlichen Reaktionen auf die erzeugte Dürre: trockentolerante und trockenheitsempfindliche – und in diesen beiden Kategorien große, kronenbildende Bäume sowie Unterwuchsarten.

Durch das Zusammenwirken konnte das Wasser länger im System gehalten und dieses stabilisiert werden

„Eine der erstaunlichsten Reaktion beobachteten wir zwischen den großen, trockenheitstoleranten und -empfindlichen Bäumen“, erläutert Christiane Werner. Die empfindlichen sind diejenigen, die generell am meisten Wasser verbrauchen, insbesondere aus dem Oberboden. Da dieser auch am schnellsten austrocknete, litten sie am schnellsten und am intensivsten am Wassermangel. Zu vermuten sei gewesen, dass sie umgehend auch die Wasserressourcen im tiefen Boden anzapfen, um ihren hohen Verbrauch aufrecht zu erhalten. „Stattdessen aber“, so Werner, „drosselten sie ihren Wasserverbrauch drastisch und griffen erst unter sehr extremer Dürre auf ihre Tiefwasserreserven zurück. Damit schonten sie möglichst lange die tiefliegenden Wasserreserven, auch für die trockenheitstoleranten Bäume.“ Und diese hingegen erhielten durch ihren ohnehin geringeren Wasserdurchfluss länger ihr Blätterdach, was wiederum längere Feuchtigkeit im Unterwuchs unterstützte. Und ein geschonter Unterwuchs wirkt der Austrocknung im Oberboden entgegen, von dem die trockenheitsempfindlichen Bäume stark abhängen. Das Wasser blieb durch das komplexe Zusammenwirken also länger im gesamten System und das System damit länger stabil.

„Damit zeigt sich“, so Werner, „dass Pflanzen in einem Waldsystem unterschiedliche und gleichsam komplementäre hydraulische Strategien evolutionär entwickeln können – und mit diesem Zusammenspiel die Widerstandsfähigkeit des gesamten Waldes gegen Trockenheit erhöhen. Darüber genaueres Wissen zu erlangen, wird wesentlich dabei helfen können, Wälder resilienter gegen klimabedingte Dürre zu machen.“

Foto: Universität Freiburg

Was lernen wir für den menschlichen Wasserbedarf? Ein paar Gedanken zum Nachdenken

Man mag aus diesem symbiotischen Verhalten von unterschiedlich trockenresisten Pflanzen und den Überlebensstrategien von Wäldern auch Rückschlüsse auf das Zusammenspiel von Menschen untereinander und im Verhältnis zur Natur in einem Ökosystem unter Trockenstressbedingungen ziehen. Statt den Wasserbedarf bei Trockenheit zu Lasten anderer Nutzer allem voran der Natur beispielsweise durch Ausweitung der Entnahmerechte zu erhöhen, müsste es in Analogie zu den Wäldern gelingen, durch dargebotsorientierte Anpassungsstrategien wie beispielsweise Investitionen in wassersparende Technologien oder Mehrfachnutzungen den Wasserverbrauch dort zu reduzieren, wo die Grenzkosten der Maßnahmen gesamtgesellschaftlich am geringsten sind und teurere Maßnahmen – erst recht von weniger leistungsfähigen Nutzern – vermieden werden können. Ökosystemdienliche Verhaltensweisen könnten im Gegenzug honoriert werden. Dafür bedarf es Finanzierungstöpfe, in die alle einzahlen. Wenn schon die externen Kosten der Wassernutzung bei jenen in Ansatz gebracht werden, die sie verursachen, dürfte schon ein wichtiger Beitrag geleistet worden sein, entweder durch Reduzierung oder Einzahlung in den “Topf”. Wie bei den Bäumen im Wald wird einigen der Verzicht auf Wasserentnahmen ehedem leichter fallen wird als anderen, die gesellschaftlichen Gesamtkosten also sogar geringer sein. Eine einvernehmliche Koexistenz bei der Wassernutzung unter Bedingungen der Trockenheit sichert das Überleben des Systems, dazu gehören auch die Menschen – als Akteure und Betroffene. Das Anthropozän könnte auch durch das Adaptieren natürlicher Prozesse erfolgreich sein.

Weiterführendes

Zum Video-Interview mit Prof. Dr. Christiane Werner: https://videoportal.uni-freiburg.de/video/Biosphere-II-Prof-Dr-Christiane-Werner…

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Christiane Werner, Professur für Ökosystemphysiologie, Institut für Forstwissenschaften, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Tel.: 0761/203-8301, E-Mail: c.werner@cep.uni-freiburg.de

Originalpublikation:
Werner, C., Ladd, N., Meredith, L. et al. (2021): Ecosystem fluxes during drought and recovery in an experimental forest. In: Science. DOI: 10.1126/science.abj6789

1 Kommentar

  1. Einfach genial, wie natürliche Waldsysteme funktionieren! In der Tat können wir daraus etwas lernen: Zumindest jetzt endlich wegzukommen von der schädlichen Intensiv-Forstwirtschaft hin zu Waldgemeinschaften, die gut fürs Klima sind und auch beim Hochwasserschutz helfen.

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