„Wir sind in der Situation: NRW trocknet aus“, warnt Umweltminister Krischer. – Vorschläge zum Vordenken und Handeln

So hat sich Nordrhein-Westfalens Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) seine Startphase sicher nicht vorgestellt. Eine lang anhaltende Trockenheit und Wasserressourcen, die in einigen Teilen des Landes an ihre Grenzen kommen. Daher hat Krischer bei der Vorstellung auf die nach wie vor angespannte Wassersituation im Land und die Folgen des Klimawandels hingewiesen. „Wir sind in der Situation: NRW trocknet aus“, sagte er am vergangenen Freitag bei der Vorstellung des aktuellen hydrologischen Status-Berichts des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) in Duisburg. „Das ist eine dramatische Lage. Es ist aber die neue Lage in der Klimakrise.“ – Genau diese neue Lage in Verbindung mit einer immer deutlicher werdenden Dramatik fordert in der NRW-Wasserwirtschaft neue Wege und ein zügiges Handeln. Der neue Umweltminister wird sicher seiner Analyse zeitnah Taten folgen lassen. Vielleicht greift er ja auch den einen oder anderen der folgenden Vorschläge auf.

Kommunen sollen Wasserversorgungskonzepte für Spitzenbedarfssituationen erarbeiten

Nordrhein-Westfalen wird mit Trinkwasser aus Grundwasser, Uferfiltrat und Talsperren versorgt. Minister Krischer stellte unter anderem mit Blick auf die Füllstände der Talsperren fest, dass auch nach den Erfahrungen der Trockenjahre 2018 bis 2020 die Versorgung mit Trinkwasser für das Land grundsätzlich sichergestellt sei. 

Trotzdem sieht der Minister in Zukunft das Thema „Wasser“ von größerer Bedeutung. „Die Klimakrise wird Wasser zu einem knappen Gut machen. Wasser ist Lebensgrundlage für Mensch, Umwelt und Wirtschaft. Und es ist unser Lebensmittel Nummer eins“, betonte Minister Krischer.  „Wir wollen es schützen und in Zukunft verfügbar halten. Dabei hat die Sicherung der Trinkwasserqualität für uns oberste Priorität. Wir werden ihr Vorrang vor anderen Nutzungen geben.“ 

Das Land will dabei eng mit den Kommunen zusammenarbeiten. So wurde etwa 2016 im Landeswassergesetz geregelt, dass die Gemeinden Wasserversorgungskonzepte erstellen müssen. Darin werden an die lokale Situation angepasste Maßnahmen erarbeitet, wie etwa die Bereitstellung von Trinkwasser bei hohem Bedarf und die Ausfallsicherheit. Die Wasserversorgungskonzepte werden 2023 zum zweiten Mal erarbeitet und 2024 von den 396 Städten und Gemeinden den Bezirksregierungen vorgelegt.

Was der Umweltminister jetzt tun könnte – Vorschläge zum Vordenken und Handeln

Der Auftakt des Ministers bei Thema Wasser könnte kaum dramatischer sein. Alle Ampeln stehen auf ROT oder zumindest DUNKELGELB. Aber kann es da richtig sein, auf die Kommunen und ihre Verpflichtung, in 2023 neue Wasserversorgungskonzepte zu erstellen, zu verweisen? Nein! Der grüne Minister muss jetzt bei den wasserpolitischen Versäumnissen der Vorgängerregierung ansetzen und als Landesregierung das “Heft des Handelns in die Hand nehmen“.

  • Das Landeswassergesetz von 2021 beinhaltet eine Priorisierung bei den Wassernutzungen, die in dieser Form nicht umsetzbar sein wird und für die es auch noch keine Verwaltungsvorschrift gibt (für die das Umweltministerium zuständig ist), die das “wer“ und “wie“ festlegt. Der öffentliche Druck auf die Wasserversorger, bei der Wasserlieferung nach “berechtigt“ und “unberechtigt“ zu unterscheiden und Wasserrationierungen vorzunehmen, steigt immer weiter an. Man darf die Versorger nicht allein lassen. Der Minister könnte hier Klarheit schaffen.
  • In der Debatte zur „Großen Antwort“ auf die „Große Anfrage“ der Grünen zur Zukunft des Wassers in NRW schlugen die Grünen, damals noch Opposition, eine Zukunftsstrategie Wasser vor. Mehr als zwei Jahre sind vergangen, die alte Regierung (in Teilen auch die neue) hat sich auf Analysen beschränkt. Der Koalitionsvertrag der neuen CDU-/Grünen-Landesregierung sieht die Gründung eines Landeszentrums Wasser vor. Dieses soll für NRW eine längst überfällige Landes-Wasserstrategie entwickeln. Wäre dies angesichts der zunehmenden Probleme nicht möglicherweise viel zu spät? Der Minister könnte die Wasserkompetenz im Land zusammenrufen, in einer Wasserstrategie-Kommission bündeln und diese beauftragen, die Ziele und wichtigsten Leitplanken der Strategie zu erarbeiten. Die vorhandenen Bestandsaufnahmen der Vorgängerregierung könnten von den hervorragenden Wasserinstituten in NRW in kürzester Zeit aktualisiert werden.
  • Viele Wasserversorger scheuen sicherheitsrelevante Investitionen, weil die Kosten die Wasserpreise treiben würden. Stadtwerke stehen wegen der Energiepreise unter besonderem Druck. Mehr wollen/können sie ihren Kunden nicht zumuten, höre ich in meiner Beratungspraxis bei Wasserpreisen. Das aber wäre fatal, denn die Wasserversorgung muss mit allen Mitteln gesichert werden. Selbst die Landeskartellbehörden ziehen hierbei am selben Strang. Hier wäre ein klares Statement des Umweltministers, dass die Wasserpreise angesichts der Investitionen in die Versorgungssicherheit steigen müssen, ein einfaches, aber wichtiges Signal für die Bürgerschaft und bedeutende Rückendeckung für die Versorger.
  • Nicht immer ist es mit Wasserpreisanpassungen getan. Minister Krischer könnte die Kommunen und Wasserversorger dabei unterstützen, klimaresiliente Versorgungssysteme zu schaffen oder vorhandene zu sichern. Gerade kleine, aber auch viele große Wasserversorger, sind schon jetzt finanziell überfordert, weil sie von einer „Kostenwelle überrollt“ werden und ihre Finanzierungen für die Wasserwerksinvestitionen gleichzeitig auf der Kippe stehen. Ein finanzielles Förderprogramm, das Nachhaltigkeit, Sicherheit und Effizienz zur Voraussetzung hat, kann die Trittbrettfahrer bremsen und verantwortungsvollen Versorgern dringend benötigten finanziellen Rückenwind geben.
  • Finanzmittel für die Förderung könnten auch aus den Einnahmen der Wasserentnahmeentgelte gezogen werden. Die Wasserentnahmeentgelte müssten ehedem neu strukturiert werden. Bisher bediente sich sogar die früheren Finanzminister an den „Wasser-Cents“ und zweckentfremdeten sie (gesetzlich sogar zulässigerweise). Eigentlich wäre die Vorgänger-Landesregierung durch das Wasserentnahmeentgeltgesetz verpflichtet gewesen, eine Evaluierung vorzunehmen. Leider hatte sie das bis zum gesetzlich vorgegebenen Stichtag, dem 31.12.2018, vergessen und kurz vor der Sachverständigenanhörung zur Novelle des Landeswassergesetzes am 9.11.2020 „auf die Schnelle“ nachgeholt. Minister Krischer könnte jetzt eine umfassende Evaluierung der Wasserentnahmeentgelte einleiten, um für die Sicherung der Wasserversorgung sowie die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie nicht nur über ausreichend Mittel zu verfügen, sondern auch um alle Wassernutzer, also wirklich alle, an den Kosten für die Ökosystemdienstleistungen in NRW zu beteiligen. Mein Vorschlag an die Vorgängerregierung in besagter Sachverständigenanhörung blieb von dieser ungehört. Der grüne Minister Krischer kann jetzt ein solides Fundament schaffen.
  • Folgt man der Diskussion um die Wasserentnahmen und Nutzungskonkurrenzen, dann entsteht der bisher Eindruck, dass es Steigerungspotenzial bei den Kontrollen der genehmigten und ungenehmigten Entnahmen zu geben scheint. Offensichtlich sind die zuständigen Behörden überfordert und es fehlen ihnen die richtigen Instrumente. Das „Digitale Wasserbuch“, in dem jeder die erteilten Entnahmerechte online einsehen kann, wurde von Rheinland-Pfalz schon 2004 (!) eingeführt und kontinuierlich nachgepflegt. In NRW müssen die Anfragen an die ehedem schon überforderten Oberen Wasserbehörden gerichtet werden. Die Digitalisierung läuft nur schleppend. Dieses Instrument zur Transparenz verdient ganz sicher einen Anstoß und intelligente Ressourcen. Wie aus den Behörden zu erfahren war, würden diese es jedenfalls begrüßen – die interessierten Bürger sicher auch. Das Thema ist noch wenig bekannt, aber schon bald werden sich die Fragen häufen. Den Prozess mit ministerieller Kraft zu beschleunigen, wird daher kein Fehler sein.
  • Die Bürger sind bereit und in der Lage, den Wasserverbrauch an den Erfordernissen auszurichten. Die Medien überschlagen sich förmlich bei den Wasserspartipps. Immer lauter werden auch die Rufe nach Sparanreizen in den Wasserpreisen. Aber was passiert, wenn dieses Verbrauchsverhalten auch dann anhält, wenn eigentlich Normalität möglich wäre, weil die Grundwasserstände sich hoffentlich erholt haben werden? Die gesunkenen Umsatzerlöse bei den mengenabhängigen Entgelten der Wasserversorger verharren auf einem zu geringen Niveau. Das schon bekannte Fixkostendeckungsdilemma bekommt einen neuen Schub. Dynamische Wasserpreise mit anreizorientierter Wasserpreis-Kommunikation auf der Grundlage digitaler Zähler- und Informationssysteme wären eine Lösung. Die Nationale Wasserstrategie wird den Smart Metern die Tür öffnen, wir haben uns im Nationalen Wasserforum dafür eingesetzt. Der NRW-Umweltminister könnte ein Pilotprojekt initiieren. Die Fachleute stehen bereit! Damit könnte er die Wasserversorger unterstützen und die Vorreiterrolle von NRW bei innovativen Wasserpreissystemen und intelligentem Wassersparen ausbauen. Sein niedersächsischer Amtskollege Lies hat sich erst vor wenigen Tagen bei der „Wasserampel der Harzwasserwerke“ klare Position bezogen.

Lieber Herr Minister Krischer, sollten Sie diesen Beitrag lesen, viel Erfolg bei der Bewältigung der wasserwirtschaftlichen Herausforderungen in NRW! Ihre Unterstützer stehen in den Startlöchern.

Die wichtigsten Kenngrößen des Hydrologischen Status-Berichtes: 

Niederschlag
Insgesamt fielen bis zum 25.8.2022 in der Vegetationsperiode 2022 seit April rund 263 Millimeter (mm) Niederschlag. Das Gesamtdefizit der bisherigen fünf Vegetationsmonate beträgt minus 135 mm im Vergleich zu den langjährigen Mittelwerten der Jahre 1881 bis 2017.

Grundwasser 
Mitte August sind an 73 Prozent der Grundwassermessstellen niedrige bis sehr niedrige Stände zu beobachten (Vormonat: 49 Prozent). 21 Prozent zeigen ein absolutes Minimum (Juli: 10 Prozent). Der Anteil der niedrigen bis sehr niedrigen Messstände ist damit im August 2022 im Vergleich zum Vorjahr deutlich höher. Die langanhaltende Trockenheit führt zu reduzierten Sickerwasserraten und verringert damit unter anderem die Grundwasserneubildung. 

Fließgewässer
Die Fließgewässer zeigen in fast ganz Nordrhein-Westfalen eine deutlich ausgeprägte, teilweise extreme Niedrigwassersituation. Die Situation hat sich im August weiter verschärft und ist mit der Situation im August 2018 vergleichbar. An knapp 20 Prozent der Pegel des LANUV wurden im aktuellen Jahr 2022 bereits niedrigere Wasserstände gemessen als in der gesamten Trockenperiode 2018-2020.

Wasserstraßen
Die derzeitige Niedrigwassersituation betrifft die Rheinschifffahrt. Die Schiffbarkeit der westdeutschen Kanäle in Nordrhein-Westfalen ist derzeit nicht betroffen. Die Bundeswasserstraße Rhein ist elementar für die Versorgungssicherheit in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2021 insgesamt ca. 112,1 Millionen Tonnen via Binnenschiff transportiert.

Die niedrigsten Pegelstände am Rhein wurden Mitte August mit 32 Zentimeter am Pegel Düsseldorf (2018: 23) und 152 Zentimeter am Pegel Duisburg-Ruhrort (2018: 153) erreicht. Trotzdem ordnete das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Rhein bisher keine Einschränkungen der Schifffahrt an.

Talsperren
Der Füllstand der nordrhein-westfälischen Talsperren profitiert noch geringfügig von den Niederschlägen im Winter und Frühjahr. Seit Juni sinken die Füllstände kontinuierlich. Derzeit geben die meisten Talsperren auch aufgrund von Zuschusspflichten deutlich mehr Wasser ab, als zufließt – dies ist grundsätzlich jahreszeitlich typisch.

Bodenfeuchte
Der Boden ist aufgrund der niedrigen Niederschläge landesweit auch bis in größere Tiefe zu trocken, in weiten Teilen deutlich zu trocken. Die Bodenfeuchte hat im August vor allem in den tieferen Bodenschichten weiter abgenommen und nähert sich dem Zustand 2018 an. In weiten Landesteilen ist in der oberen Bodenschicht aktuell kein pflanzenverfügbares Wasser mehr vorhanden.

Gewässertemperaturen
Trocken- und Hitzeperioden bedeuten Stress für das Leben im und am Gewässer. Die direkten Folgen sind in Fließgewässern und Seen Niedrigwasser bis hin zum Trockenfallen, erhöhte Wassertemperaturen und sinkende Sauerstoffkonzentrationen. Betroffen sind davon vor allem kleinere Gewässer.

LANUV, 12.8.2022

Quellen/Weiterführendes

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