„Wer wird wie viel Wasser bekommen?“ Diese Frage zur Verteilung der auch in Deutschland mindestens regional knapper werdenden Ressource stellen sich immer mehr Wassernutzer. Lokaler Wasserstress und Nutzungskonkurrenzen werden voraussichtlich zunehmen, wenn die Dürreperioden in Deutschland nicht nur Ausnahmeerscheinungen bleiben. Die Politik arbeitet auf Bundes- und Landesebene bereits an rechtlichen Regeln zur „Priorisierung der Wassernutzung“ bzw. “Wasserhierarchie“. NRW war mit einem Landeswassergesetz vorgeprescht, ist aber bei der Umsetzung steckengeblieben (… ein anderes Thema). Ein Forschungsverbund sucht jetzt nach Lösungen mit Hilfe von Planspielen. Das Projekt zielt auf die drängenderen Konfliktursachen als Folge des Klimawandels ab. Erfahrungen aus „Wasser“-Bildungsprojekten nähren die Hoffnung, dass dieses Instrument zur Sensibilisierung bei den Konfliktursachen beitragen und die Konsensbereitschaft stärken kann. Diese Erkenntnisse könnten auch bei realen Konflikten Hilfestellung zur Deeskalation bieten. Ein zumindest diskussionswürdiger Ansatz, wie mir scheint und ExpertInnen bestätigen.
Wasser-Nutzungskonkurrenzen werden unweigerlich zunehmen
Wasser zählt zu den wichtigsten Rohstoffen der Erde und soll allen Menschen flächendeckend in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Was aber, wenn es angesichts des Klimawandels und künftiger Wetterextreme – Hitze, Starkregen, Überschwemmungen oder anhaltende Trockenheit – immer knapper wird? Lokaler Wasserstress könnte künftig auch im eigentlich wasserreichen Deutschland zu verstärkten Verteilungskonflikten führen. Diese werden heute schon in einigen Metropol- oder/und Knappheitsregionen wie Berlin-Brandenburg, dem Hessischen Ried oder im Großraum Hamburg sichtbar. Aber nicht nur dort, bundesweit ringen Landwirtschaft, Industrie, Energieerzeuger und der Wasserversorgung und das Ökosystem um das Wasser.
Diese aktuellen gesellschaftlichen Zielkonflikte der künftigen Wasserverteilung nimmt die Daimler und Benz Stiftung unter dem Thema „Zukünftige Wasserkonflikte in Deutschland“ in ihrem neu ausgerichteten Förderformat „Ladenburger Kolleg“ in den Fokus. Eine interdisziplinäre Wissenschaftlergruppe mit ExpertInnen der Universität Stuttgart, der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und des Forschungszentrums Jülich soll mit Hilfe von Planspielen Interessenskonflikte bei der künftigen Wasserverteilung in Deutschland aufspüren und mögliche Lösungsansätze aufzeigen. Dies geschieht mithilfe von Modellierungen und Planspielen, die für eine breite Nutzbarkeit der Ergebnisse heute und in Zukunft sorgen sollen. In dem Projekt sollen insbesondere auch die an möglichen Nutzungskonflikten beteiligte Gruppen eingebunden werden. Rund 1,3 Millionen Euro stehen dem Forschungsverbund für einen Zeitraum von drei Jahren zur Verfügung. Der Start des Projektes ist für den Sommer 2022 vorgesehen. Im Vorfeld wird die Auswahl der Teilnehmer abgestimmt.
Stichwort: Methode „Planspiel“ bei Konflikten
Das Planspiel ist eine organisierte Simulation einer bestimmten Thematik, bei der die Lernenden als Spielteilnehmer*innen, meist in Gruppen, vorgegebene Rollen einnehmen und in einem bestimmten Szenario handelnd interagieren. Die fiktive Simulation ist dabei realen Themen, Situationen und Ereignissen nachempfunden. Gegenstand ist in der Regel ein zu lösendes Problem oder ein zu lösender Konflikt.
Planspiele eignen sich zur Vermittlung komplexer Zusammenhänge und geben den Teilnehmenden die Möglichkeit Konfliktkonstellationen, Regelungsmöglichkeiten und die Perspektiven verschiedener Akteure nicht nur zu betrachten, sondern in einer sozialen Situation selbst zu erfahren. Die Identifikation mit verschiedenen Konfliktparteien ermöglicht ein Verständnis von deren Interessen, Handlungsspielräumen und des Konfliktgegenstandes. Das Planspiel gibt die Rollen, das Setting und das Szenario des Konflikts vor. Das Ergebnis der Verhandlung ergibt sich im Verlauf der Interaktion der Spielenden. Nach dem Abschluss der Spielphase (Simulation) reflektieren die Spieler*innen Verlauf und Ergebnis gemeinsam mit der Spielleitung.
GLOCON, Freie Universität Berlin
Gemeinsame Suche nach konfliktfreien Alternativen
Die Forscher wollen durch eine breite Aufstellung des Projektes möglichst viele Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Sektoren und Interessengruppen bei der Beanspruchung der Wasserressourcen transparent machen und somit mögliche Zielkonflikte aufdecken. Hierfür analysieren sie die jeweiligen Handlungsoptionen verschiedener Akteure und berücksichtigen den Einfluss möglicher klimabedingter Wetterextreme. Aktiv eingebunden werden sollen Beteiligte aus der Praxis, unter anderem aus der Wasserwirtschaft, beim Design und bei der Erstellung und Auswertung der Modellierungen. Mit der Werkstattversion einer Webanwendung wollen die Forscher schließlich das Konfliktfeld Wasser für alle Protagonisten erlebbar machen.
Drei Konfliktfelder mit besonderer Relevanz für Deutschland sollen exemplarisch untersucht werden:
- Zielkonflikte in einem Flusseinzugsgebiet,
- Konflikte bei der Bewässerung,
- Wasserkonflikte bei Großprojekten.
Für die genannten Konfliktfälle sollen schließlich Modelle entwickelt werden, durch die die Planspiel-TeilnehmerInnen die Folgen ihrer eigenen Erwartungen und Entscheidungen, aber auch die ihrer ”Nutzungskonkurrenten” erfahren können. So sollen Strategien entwickelt werden können, die möglichst zielkonform sind und dabei die Konflikte mindern. Nach ihrer Erwartungshaltung gefragt, relativierte Mit-Koordinatorin des Projekts, Dr. Hannah Kosow, vom Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Uni Stuttgart, in einem Telefonat die Höhe der Messlatte.„Wenn wir erreichen, dass Strategien und Maßnahmen mit ihren Wechselwirkungen als komplexe Prozesse erkannt werden, bin ich froh. Wir wollen Akteure dabei unterstützen, alternative Wege und ihre möglichen Folgen zu durchdenken“, erklärt sie.
Planspielerfahrungen in der Politischen „Wasser“-Bildung
Planspiele sind in der „Wasser“-Bildung eigentlich nichts Neues. Unter dem Titel „Wasser – eine knappe und wertvolle Ressource“ bietet beispielsweise die Regensburger Valentum Kommunikation ein Planspiel für SchülerInnen und Erwachsene an. Inhaltlich geht es hierbei um die verschiedene Ländergruppen, die sich grenzüberschreitend die Wasserressourcen teilen. Das liefert in manchen Weltregionen Konflikte, die in kriegerischen Auseinandersetzungen münden können. Pia Turainsky von Valentum erklärte mir in einem Telefonat, wie bedeutsam es für das Verständnis der Probleme sei, dass die Planspiel-TeilnehmerInnen sich mit den ursächlichen Notsituationen die zu Konflikten führen können, aber auch mit der Denkweise der Protagonisten auseinandersetzen. Dabei komme es vor, dass die TeilnehmerInnen letztendlich sogar Verständnis für die Zwänge von kommerziell agierenden Wassernutzern entwickeln. Wichtig sei auch das entstehende Involvement. Angesprochen auf das “virtuelle Wasser“ bestätigt Turainsky, dass die TeilnehmerInnen zudem als KonsumentInnen ihren Beitrag zur Konfliktentstehung erkennen können. So trage der hiesige Konsum von Avocados, für deren Anbau immense Wassermengen benötigt werden, zu den Wasserproblemen in deren Herkunftsregionen bei. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass es bei Planspielen nicht nur bei der Theorie bleibt, die Erfahrungen können bei Wasser auch in die Praxis umgesetzt werden. Genau darauf zielt das Projekt der Forschungsgruppen ab.
Wer ein Wasser-Planspiel in Eigenregie umsetzen will, der/dem sei der Leitfaden der FIAN Deutschland e.V. empfohlen. Auf 96 Seiten wird dort einer dezidierter Aufbau und Ablauf eines Planspiels unter dem Titel „Wasser.Marsch!“ geboten. Im Mittelpunkt steht die Frage, weshalb der Zugang zu Wasser ein Menschenrecht ist? Das Spiel bildet die Konflikte in Brasilien nach. Es soll deutlich gemacht werden, wie dieses Recht dazu beitragen kann, dass Menschen keinen Wassermangel leiden. „Das Planspiel ermöglicht es, verschiedene Perspektiven auf Wasserraub direkt zu erleben und sich mit der Verwirklichung des Menschenrechts auseinander zu setzen“, heißt es in der Beschreibung. Die Rollen werden von deutschen Ärztinnen und Ärzten sowie von Akteuren aus Politik und Wirtschaft gespielt, die mit Protesten brasilianischer Wasser-Aktivistinnen und -Aktivisten konfrontiert werden.
Mehr Transparenz hilft Konflikte zu vermeiden
Bei der Befassung mit dem Thema kam mir der Gedanke, ob Planspiele nicht auch ein Baustein bei der Umsetzung der „Nationalen Wasserstrategie oder ein Lösungsansatz für regionale Wasserstrategien sein könnten. So könnten die jeweiligen Handlungserfordernisse und Maßnahmen in Planspielen abgebildet werden, um damit für mehr Akzeptanz zu sorgen und auf einen breiteren Konsens bei den Nutzungskonflikten hinzuwirken. Das Forschungsprojekt kann vielleicht dazu beitragen, bei der Konfliktvermeidung neue Wege einzuschlagen.
Ich merke auch bei meinen Recherchen und Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Anspruchsgruppen bei Wasserrechten, wie wenig über deren Bedarfsgegebenheiten eigentlich berichtet wird und somit öffentlich bekannt ist. Hier könnte mehr Transparenz empfohlen werden, um Verständnis „auf der anderen Seite“ zu erzeugen. Dazu gehört auch, darzustellen, wie die Wassereinsatz effizient gestaltet werden soll. Im Mittelpunkt steht hier wieder einmal die Kommunikation. Die Nutzer- und Anspruchsgruppen sollten, bevor die Konkurrenzen ausarten und in Konflikte übergehen, in der Öffentlichkeit das Thema Wasserbedarf offensiv und glaubwürdig darstellen. Mehr Offenheit wagen!
Quellen/Weiterführendes
- „Wer wird wie viel Wasser bekommen? Zielkonflikte der künftigen Wasserverteilung in Deutschland“, Ladenburger Kolleg der Daimler und Benz Stiftung
- „Wasser – eine knappe und wertvolle Ressource“ – Bundeszentrale für politische Bildung (Planspiel der Valentum Kommunikation)
- Planspiel „Wasser.Marsch!“ FIAN Deutschland e.V.
- Datenbank: Planspiele in der politischen Bildung, Bundeszentrale für politische Bildung
- Planspiel „Konflikte um Land“, GLOCON, FU Berlin
Beitragsfoto: Canstockphoto
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