Wenn Wasserpreise steigen, weil die Haushalte schrumpfen

„Die deutschen Haushalte werden immer kleiner, aber es werden immer mehr.“ So lässt sich eine Nachricht des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zusammenfassen. Was das mit der Wasserversorgung und den Wasserpreisen zu tun haben könnte, beschreibt dieser Beitrag.

Demographische Entwicklungen haben zu geänderten Wasserpreissystemen

Vor annähernd 15 Jahren hatte ich für meinen damaligen Arbeitgeber, die RWE, ein spannendes Projekt leiten dürfen. Es ging um die Untersuchung der „Auswirkungen es demografischen Wandels auf die netzgebundene Infrastruktur“. Kurzum: was müssen Versorger machen, um ihre Infrastruktur und ihre Finanzen den demographischen Veränderungen entsprechend anzupassen? Eine der Veränderungen, die damals absehbar waren, war der Rückgang der (spezifischen) Wassernachfrage der Privathaushalte. Bei der RWE-Tochter RWW haben wir daraufhin das Wasserpreissystem robuster gemacht, in dem wir das Systempreismodell einführten. Immer mehr Wasserversorger gehen denselben Weg oder sichern anderweitig ihre Einnahmen gegen Nachfragerückgänge ab.

Wie sind jetzt die Veränderungen der Haushaltsstruktur und die Zunahme der Haushalte zu bewerten?

Der Trend zu kleineren Haushalten ist ungebrochen

Im Jahr 1871 gab es in Deutschland rund 8,7 Millionen Privathaushalte. In denen wohnten im Durchschnitt jeweils 4,6 Personen. Zu damaliger Zeit steckte die zentrale Wasserversorgung in vielen deutschen Städten bestenfalls in den Kinderschuhen, heute dagegen muss jeder Haushalt an das Trinkwassernetz angeschlossen werden. Diese Zahl ist in den vergangenen 150 Jahren auf 42,5 Millionen Haushalte angewachsen. Allerdings leben in denen nur noch durchschnittlich jeweils 1,96 Personen. Die Experten des Statistischen Bundesamtes prognostizieren, dass die Personenzahl je Haushalt bis 2035 weiter schrumpfen wird – auf durchschnittlich 1,90 Personen. Dagegen prognostizieren sie für die Haushalte einen Anstieg auf 43,2 Millionen, wie die nachstehende Grafik für den Zeitraum 1991 bis 2035 zeigt.

Der seit Anfang des 20. Jahrhunderts vorherrschende Trend zur Verkleinerung der Haushalte steht insbesondere in engem Zusammenhang mit den niedrigen Kinderzahlen und dem steigenden Anteil von Singles. Hinzu kommt, dass Partnerschaften mit getrennten Haushalten zur Bildung kleinerer Haushalte führen und damit die Gesamtzahl der Haushalte erhöhen. Deshalb spielen auch Zweitwohnsitze eine immer größere Rolle – übrigens auch Ferienwohnungen. Nicht zuletzt steigt mit der Alterung der Gesellschaft der Anteil kleiner Haushalte durch mehr Paare und Alleinstehende, deren Kinder den Haushalt bereits verlassen haben. Soviel zur Statistik, kommen wir zur Wasserversorgung.

Was die zunehmende Verkleinerung der Haushalte mit der Wasserversorgung zu tun haben

Was das mit der Wasserversorgung zu tun hat? Wenn die Haushalte immer kleiner werden, müssen folglich immer weniger Personen mit Wasser versorgt werden, ohne dass die Systeme deswegen verkleinert oder kleiner ausgelegt werden können. Denn die jederzeitige Lieferung mit Wasser muss gewährleistet werden, ohne dass der Versorger den konkreten Bedarf kennt, geschweige denn darauf Einfluss hätte. Die Haushalte entscheiden am Wasserhahn wann und wieviel Wasser sie brauchen – ohne Vorankündigung.

Eine BiB-Analyse der Bundesländer zeigt, dass insbesondere die Stadtstaaten wie Berlin, Hamburg und Bremen besonders kleine Haushaltsgrößen aufweisen. Mit anderen Worten, städtische Regionen sind grundsätzlich stärker betroffen von Kleinsthaushalten, als ländliche. Der Vergleich der Haushaltsgrößen zischen 1950 und 2021 zeigt auch die Verteilung. Demzufolge hat sich der Anteil der Einpersonenhaushalte von 20 auf 40 Prozent verdoppelt, während der Anteil der Vier- und Mehr-Personenhaushalte von rund 30 auf 13 Prozent gesunken ist. Die Drei-Personenhaushalte haben sich anteilsmäßig halbiert.

Das Preis-Kostendilemma verschlimmert die wirtschaftlichen Folgen der demographischen Entwicklung

Bei den Wasserversorger ist die weitgehende Reaktionsunfähigkeit und insbesondere die Kostenremanenz bezogen auf die bestehenden Hausanschlüsse ein wachsendes Problem. In den Wasserversorgungsanlagen muss ungeachtet der spezifischen Nachfrage immer ausreichend Wasser vorgehalten werden. Der Wasserlieferant kann seine technischen Anlagen nicht der veränderten Nachfrage entsprechen variieren. Zudem haben die vergangenen Hitzesommer gezeigt, dass die Wassernachfrage vorübergehende Spitzen erreicht (die zumindest bislang immer bedient werden sollten). Der Versorger hat auch ein Planungsproblem, denn er kann gar nicht wissen, wieviele Personen hinter einem Anschluss stecken. Dort, wo der Grundpreis nach Zählergröße statt nach Wohneinheiten abgerechnet wird, ist zumeist nicht einmal die dahinter liegende Anzahl der Haushalte bekannt. Viele Versorger planen im Blindflug.

Aber nicht nur die Verkleinerung der Haushalte senkt die Nachfrage hinter einem Anschluss, auch das Wassersparen. Ressourcenbedingt unter gegebenen Umständen durchaus gewünscht, verstärkt das Wassersparen in Haushalten die spezifischen Absatzrückgänge. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dies eine vorübergehende Entwicklung sein wird. Der Einbau von Energie- und Wassersparenden Haushaltsgeräten und Armaturen sowie die Nutzung von Regenwasser in Haushalten läßt steigende Wassernachfragen allenfalls temporär erwarten. Wenn also die Anzahl der Personen sinkt und sich der sparsamere Umgang mit Wasser fest etabliert, dann sollten die Versorger von geringeren Absatzmengen in Privathaushalten ausgehen.

Demographische Entwicklung forciert die Wasserpreissteigerungen

Der Nachfragerückgang bei gleichzeitig wachsender Anschlusszahlen mündet in Anbetracht der vorherrschenden Wasserpreissysteme zwangsläufig in niedrigeren Erlösen. Wenn – wie in Deutschland üblich – der Mengenpreisanteil an den Gesamterlösen hoch ist, dann führt ein Nachrückgang unweigerlich zu sinkenden Erlösen und zu den bekannten Kostendeckungslücken. Das Risiko dafür ist in Deutschland groß, denn die mengenabhängigen Erlösanteile betragen hierzulande durchschnittlich 80 Prozent, weil die meisten Versorger auf hohe Mengenpreise setzen, während dagegen der damit korrespondierende variable Kostenanteil bei nur etwa 20 Prozent liegt. Es leuchtet unmittelbar ein, dass diese Strukturunterschiede zu Problemen führen müssen, wenn die Absatzmengen – und damit die Erlöse – zurückgehen, nicht aber die Kosten. Die müssen dann anders verteilt werden und führen so zu steigenden Wasserpreisen. Die steigende Anzahl an Haushalten, die an das Versorgungssystem angeschlossen werden müssen, die zudem meist auf wassersparende Technologien versehen werden, verschärfen die wirtschaftlichen Herausforderungen bei den Versorgern. Leider verschließen viele davor die Augen und glauben das Thema aufschieben zu können.

Wer sich als Kunde oder Verbraucher die Frage stellt, warum seine Wasserpreise gestiegen sind, mag in den Zusammenhängen von Bevölkerungsstatistik und Wasserversorgung eine Antwort finden. Wer dagegen als Wasserversorger robuster aufstellen möchte, um der nachfragebedingten Preisspirale etwas entgegen zu setzen, der hätte mit der Umstellung oder Anpassung des Wasserpreissystems eine probate Lösung. Jedenfalls sehen jene Versorger, die in der Vergangenheit ihre Preise auf ein Wohneinheitenpreismodell wie dem Systempreismodell oder anderweitig auf höhere Fixentgeltanteile umgestellt haben, diese Entwicklung mit weniger Sorge. Ihr Preissystem ist robuster gestaltet und damit weniger anfällig für demographische Veränderungen.

Quellen / Weiterführendes

Beitragsfoto von Ryan McGuire auf Pixabay

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