
Deutschland hat sich aus der Kernenergie verabschiedet. Aber unsere Nachbarn setzen weiter auf diese nachhaltige Energiegewinnung. Die ökologische Zwiespältigkeit der Kernenergie und ihre Abhängigkeit von den Wasserressourcen beleuchtet ein soeben erschienener Artikel eines schwedisch-schweizerischen Forschungsteams.
- Kernenergie ist auf Wasser angewiesen und beeinflusst im Gegenzug dessen Qualität
- Zwar wird die Kernenergie von der EU als nachhaltig bewertet, sie ist aber wasserökologisch ambivalent
- Ein oft übersehener Aspekt ist die Umweltbelastung von Kernkraftwerken an Flüssen.
Wasser ist eine entscheidende Ressource bei der Kernenergieerzeugung
Der Artikel „Atomic rivers. The (Un)sustainability of nuclear power in an age of climate change“ beschäftigt sich mit der Frage, wie nachhaltig Kernenergie wirklich ist – besonders im Hinblick auf den Klimawandel und den Umweltschutz. In Europa wird das Problem deutlich, weil wichtige Flüsse wie der Rhein, die Donau oder die Rhone immer häufiger Niedrigwasserstände aufweisen und sich daher stärker aufheizen. Der Kühlwasserbedarf von Kernkraftwerken kann in diesen Zeiten nicht mehr gedeckt werden. Wenn das zu entnehmende Wasser bereits zu warm ist oder nicht ausreichend vorhanden ist, müssen die Kraftwerke aus Umweltgründen gedrosselt werden oder dürfen unter Umständen nicht weiterlaufen.
Das hat in mehreren Ländern – etwa Frankreich, Deutschland, der Schweiz oder Spanien – schon dazu geführt, dass Kernkraftwerke ganz oder teilweise abgeschaltet wurden. So wurde im Hitzesommer 2018 im Kernkraftwerk Philippsburg in Baden-Württemberg die Leistung um bis zu zehn Prozent verringert, wie der Versorger EnBW mitteilte. Dadurch sollte der Anstieg der Wassertemperatur im Rhein durch das eingeleitete Kühlwasser begrenzt werden. Durch den Rückzug aus der Kernkraft in Folge der Energiewende ist der Kühlwasserbedarf in Deutschland deutlich gesunken. Vor allem durch die Stilllegung dreier Kernkraftwerke im Jahr 2022 rund 2,02 Mrd. m3 Wasser weniger genutzt als drei Jahre zuvor, berichtete erst kürzlich das Statistische Bundesamt.
Kernenergie ist nachhaltig, aber wasserökologisch ambivalent
Durch die Kombination von Erfahrungswerten mit wissenschaftlichen Erkenntnissen versucht der Artikel, mittels Darstellung des Kernenergie-Wasser-Nexus die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, das mehr Aufmerksamkeit verdient, und eine weitere Diskussion über die Umweltauswirkungen der Kernenergie zu fördern sollte.
Der Artikel verdeutlicht einen wichtigen Widerspruch: Kernenergie verursacht zwar kaum CO₂ und gilt deshalb als „klimafreundlich“, kann aber gleichzeitig durch Umweltvorgaben und Wassermangel in ihrer Funktion stark eingeschränkt werden. Die Europäische Kommission ist entschlossen, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen; daher traf die EU 2022 die strategische Entscheidung, Gas- und Kernkraftwerke als „grüne“ Energietechnologien innerhalb der Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten einzustufen. Das Narrativ der Kernenergie als sauberere Alternative zu Kohle sei, so die Autoren, so alt wie die kommerzielle Produktion von Kernenergie selbst.
Die Begrenzung von CO₂-Emissionen ist entscheidend, weshalb viele Regierungen vermehrt auf Kernenergie setzen. Energie-Szenarien unterstützen diesen Trend. Ein oft übersehener Aspekt ist jedoch die Umweltbelastung von Kernkraftwerken an Flüssen. Diese Studie analysiert die mangelnde Nachhaltigkeit solcher Kraftwerke in drei Dimensionen: technisch, rechtlich und ökologisch.
- Technisch gefährdet Wassermangel die Zuverlässigkeit der Stromproduktion, was in Zukunft zu häufigeren ungeplanten Abschaltungen führen kann. Das macht Standorte am Meer attraktiver, bringt aber neue ökologische Risiken mit sich – etwa durch thermische Verschmutzung oder Risiken durch steigenden Meeresspiegel und Extremwetter.
- Rechtlich zeigt sich, dass Atomkraftwerke zunehmend gesetzlich festgelegte Temperaturgrenzen für Flüsse überschreiten. Der Klimawandel verschärft den Konflikt zwischen Energieversorgung und Umweltschutz. Der Bau neuer Fluss-Kernkraftwerke sollte daher vermieden werden.
- Ökologisch zeigt sich, dass Umweltschäden durch erwärmtes Rücklaufwasser und steigende Temperaturen gravierende Auswirkungen auf Flussökosysteme haben. Auch technische Nachrüstungen bieten nur kurzfristige Lösungen, da Kernenergie teuer bleibt und Innovationen dies kaum ändern werden.
Insgesamt wird deutlich: Es braucht ein neues Nachdenken darüber, ob und wie Kernenergie in Zukunft nachhaltig eingesetzt werden kann.
Beitragsfoto: Kernkraftwerk Gösgen-Däniken, Patrick Federi by Unplash
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