Wenn das Wasser knapp ist, greifen die Behörden mit Entnahme- oder Nutzungsverboten durch Allgemeinverfügungen ein. Rund 30 Landkreise hatten bereits im Juli des Vorjahres nach meinen damaligen Recherchen behördliche Entnahme- und Nutzungsverbote für Wasser verhängt. Infolgedessen durfte aus den Flüssen, Bächen und Seen kein Wasser für den sogenannten Gemeingebrauch entnommen werden. Zudem galten vielerorts strenge Regeln zum Wassersparen; Gartenbeässerungen oder Poolbefüllungen waren eingeschränkt oder verboten. Der diesjährige Regen macht diese behördlichen Verbote aktuell verzichtbar. Keinesfalls sicher ist, dass es so bleiben wird, denn der trockene Sommer könnte noch kommen. Aber aktuell sind die Grundwasserstände auf einem beruhigendem Niveau. Bei den Fließgewässern bewegen sich angesichts der immer wider auftretenden Regenfälle die Wasserstände in den meisten untersuchten Gebieten auf den Mittelwerten der Juli-Daten vergangener Jahre. Wird es so entspannt bleiben?
Aktualisierung am 29. August: Nein, es ist angesichts der vergangenen heißen Tage nicht „entspannt“ geblieben. In den Städten Potsdam und Dresden sowie den Landkreisen Waldshut, Lörrach und Osnabrück sind Wasserentnahmen auf öffentlichen Gewässern seit Mitte August wieder verboten. Angesichts der aktuell vorherrschenden Temperaturen werden dies wohl nicht die einzigen Regionen in Deutschland bleiben.
Die letzten 12 Monate lieferten Regenrekorde
Während die vorangegangenen Sommer von Trockenheitsrekorden geprägt waren, gibt es in diesem Jahr eher einen Regenrekord. Noch nie seit Messbeginn im Jahr 1881 gab es in Deutschland so niederschlagsreiche zusammenhängende zwölf Monate wie im Zeitraum Juli 2023 bis Juni 2024. Das meldete Anfang Juli der Deutsche Wetterdienst (DWD) nach Auswertung seiner bundesweiten Messstationen. In den Bundesländern geben die Behörden angesichts steigender Grundwasserstände daher vorerst Entwarnung für die Wassernutzung. Auch die Wasserstände und Abflussraten in der Mehrzahl der Oberflächengewässer werden durch die immer wieder auftretenden Sommerniederschläge angereichert. Da die Böden in vielen Regionen nicht so trocken sind, dass sie kein Wasser mehr aufnehmen können, „teilen“ sich vereinfacht gesprochen, die Oberflächengewässer und das Grundwasser die auftretenden Niederschlagsmengen.
Ausreichende Grundwasserstände im Südwesten und Südosten Deutschlands
Das scheint auch so weiterzugehen. Während meines Aufenthalts in der Region Freiburg in der vergangenen Woche war es zwar warm und an einigen Tagen unerträglich heiß, aber bevor sich Trockenheit dauerhaft einstellen konnte, näherte sich auch schon die nächste Regenfront. Nicht selten sorgten heftige Gewitter für anschwellende Bäche und Flüsse. Von Trockenheit daher aktuell in weiten Teilen des Landes keine Spur.
Überdurchschnittliche Grundwasserstände verkündet für die vergangenen Wochen demzufolge das Landesumweltamt Baden-Württemberg. Im derzeit noch aktuellen Juni-Monatsbericht der Grundwasserstände (Stand 29.7.2024) gibt die Behörde weiterhin Entwarnung: „Nach dem regenreichen Winterhalbjahr und den sehr nassen Monaten Mai und Juni bewegen sich die Grundwasserverhältnisse in Baden-Württemberg Ende Juni 2024 auf überdurchschnittlichem, jede dritte Messstelle sogar auf hohem Niveau. Die Grundwasserstände und Quellschüttungen sind im Juni weiter angestiegen. Die bisherigen Monatshöchstwerte wurden an 20 von insgesamt 71 Grundwasserstände- und Quellschüttungen-Bewertungsmessstellen überschritten. Die Bodenfeuchte war im Juni allerdings rückläufig, wie aus den Beobachtungen am wägbaren Lysimeter Büchig hervorgeht. Der Niederschlag kam in erster Linie der Vegetation zugute oder floss oberirdisch ab und löste dabei zu Monatsende örtliche Hochwasserereignisse aus. Engpässe in der Wasserversorgung sind aufgrund der aktuellen Beobachtungen derzeit auszuschließen.“ Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass der Sommer noch Engpässe bringen wird. „(…) Die vorhergesagte trockene Witterung wird den Rückgang vermutlich verstärken. Im weiteren Verlauf des hydrologischen Sommerhalbjahres ist daher mit rückläufigen Grundwasserständen zu rechnen.“ Die aktuelle Entwicklung der Grundwasserstände zeigt der nachfolgende aktuelle Zustandsbericht mit der „Prognose für Juli 2024: zunächst stabile Grundwasserstände auf überdurchschnittlichem Niveau mit anschließendem Rückgang.“
Als unkritisch darf auch die überwiegende Mehrzahl der Grundwasserstände und Quellschüttungen in Sachsen bezeichnet werden. Von den knapp 750 Messwerten, die das Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie auf dem Umweltinformationsportal IDA zu den Grundwasserständen angibt, bewegen sich lediglich 20 im Bereich von Niedrigständen (Abruf 29.7.2024). Allerdings zeigen die aktuellen Daten im Vergleich zu den Vorwochen und den langjährigen Mittelwerten, dass die Grundwasserstände schon wieder sinken.
Umweltinformationsportal IDA – Grundwasserstände – Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (Abruf 29.7.2024)
Ähnliche Grundwasserstände und deren Entwicklungen habe ich übrigens auch aus den Informationsportalen der anderen Bundesländer entnehmen können.
Bei Oberflächengewässern ist die Einschätzung ungleich schwerer
Im Gegensatz zu den „trägen“ Grundwassersystemen, die nur langsam wieder ansteigen, sind Fließgewässer in viel stärkerem Maße von Niederschlägen abhängig. Bei den Oberflächengewässern liegt der Fokus der meisten Landes-Informationssysteme aktuell in erster Linie auf Hochwasserdaten. Sich die Fließgewässer-Niedrig-Wasserstände in den Bundesländern zu erschließen, ist angesichts der Unterschiede zwischen den Informationsportalen der Bundesländer vergleichsweise aufwändig. Ich habe es mal für Brandenburg gemacht. Aufschlussreich ist das Niedrigwasserinformationsystem des Landes Brandenburg. Dort zeigt der aktuell gültige Wochenbericht des Landesamts für Umwelt bei 18 von 29 ausgewiesenen Pegelständen des Landes eine negative Abweichung vom Mittelwert des Monats Juli vergangener Jahre.
Das Beispiel der Schwarzen Elster im Landkreis Oberspreewald-Lausitz
Im Landkreis Oberspreewald-Lausitz hatte es im Juli 2023 eine Entnahmebeschränkung für die Schwarze Elster gegeben. Diese war am am 23.11.2023 aufgehoben worden, da sich die Lage dauerhaft entspannt hatte. Das könnte sich geändert haben, denn aktuell zeigt die Brandenburger Niedrigwasserampel für den Pegel „Biehlen 1“ in der Schwarzen Elster, deren Pegelwerte dieser Landkreis beobachtet, Durchflusswerte, die zwar in den vergangenen Monaten auf sehr hohem Niveau lagen, aktuell aber steht die Niedrigwasserampel für den Pegel auf „rot“. Die kritischen Schwellenwerte für die Abflüsse wurden demzufolge schon wieder unterschritten. Ich fragte deshalb bei der zuständigen Wasserbehörde des Landkreises nach, ob mit Wasserentnahmebeschränkungen zu rechnen sei. Zur Zeit, so die telefonische Auskunft, sei die Lage auf das gesamte Einzugsgebiet betrachtet noch entspannt, aber man beobachte die Entwicklung sehr aufmerksam. Zur Einschätzung, ob eine Beschränkung notwendig sei, würden auch andere Pegel in der Region herangezogen. Aus diesem Gesamtbild und nach Abstimmung mit dem Landesumweltamt werden dann eine Entscheidung getroffen, ob der Gemeingebrauch bei Wasserentnahmen aus der Schwarzen Elster in dem Landkreis eingeschränkt werden muss. Das ist aktuell nicht der Fall.
Das ist offenkundig auch in anderen Regionen der Fall, weshalb es keine Entnahmebeschränkungen zu geben scheint, und auch Wassernutzungsverbote anders als in den Vorjahren nicht die Titelseiten der Zeitungen prägen.
Bis auf den Landkreis Hannover haben bundesweit fast alle Behörden die Beschränkungen auslaufen oder aufgehoben lassen
Diese In allen mir bekannten Regionen mit Vorjahresbeschränkungen sind die Wassernutzungsverbote entweder zum Ende des vergangenen Sommers ausgelaufen oder wurden wie im Landkreis Salzgitter vor wenigen Wochen aufgehoben. Die einzige von mir auffindbare Ausnahme bei den Wassernutzungsbeschränkungen in diesem Sommer ist der Landkreis Hannover. Trotz der ergiebigen Niederschläge und des Hochwassers im Winter schränkt die Region Hannover die Bewässerung an besonders heißen Tagen in diesem Sommer erneut ein. Wenn die Temperatur 27 Grad erreicht, dürfen land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, öffentliche und private Grünflächen wie Parks und Gärten sowie Sportanlagen wie Fußball-, Hockey-, Tennis-, Reit- oder Golfplätze nicht bewässert werden. Den Hannoveranern geht es vor allem darum, mit einem langfristigen Problem umzugehen: Die Grundwasser-Gesamtsituation sei weiterhin kritisch, erklärt der Landkreis. Auch wenn es derzeit keine Dürre gebe, ändere das „aber nichts daran, dass wir seit Jahrzehnten eine negative Wasserbilanz haben„, begründete der Umweltdezernent in der Region Hannover dem NDR in Niedersachsen die Maßnahme.
Fazit
Fassen wir zusammen: Im Gegensatz zu den vorangegangen Jahren gibt es in den von mir beobachteten Regionen aktuell keine Allgemeinverfügungen für die Entnahme von Wasser zum Gemeingebrauch oder die Nutzung von Wasser für bestimmte Zwecke aufgrund von Niedrigwasserständen . Das muss aber nicht so bleiben. Auch wenn es zwischenzeitlich immer wieder zu teil heftigen Regenfällen kommt und uns eine langanhaltende Trockenheit in diesem Sommer bisher erspart geblieben ist und die Grundwasserstände dank der Regenrekorde der vergangenen 12 Monate gut gefüllt sind, so bedeutet das nicht, dass es so bleiben muss. Wichtig ist es, die klimatische Wasserbilanz einer Einzugsregion und die Wasserversorgungslage im Blick zu haben. Zwar haben auch die Wasserversorger in vielen Regionen die Wasservorräte gut im Griff und zusätzliche Sicherungsmaßnahmen getroffen, um Engpässe auszuschliessen, aber ein verantwortungsvoller und sorgsamer Umgang mit Wasser ist ratsam, damit die Wasserverfügbarkeit so bleiben kann wie sie aktuell ist.
Bitte an die Leser: Sollte ich eine bereits geltende Allgemeinverfügung übersehen haben, würde ich mich über einen Hinweis freuen.
Quellen und Weiterführendes
- Beiträge zu #Wasserentnahmeverbot auf Lebensraumwasser, 2020 – 2023
- Monatsberichte zu den Grundwasserverhältnissen, Landesumweltamt Baden-Württemberg
- Grundwasserstände Sachsen – iDA – interdisziplinäre Daten und Auswertungen, Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
- Allgemeinverfügung Bewässerung an heißen Tagen – Landkreis Hannover, 22.5.2024
- APW Auskunftsplattform Wasser – Land Brandenburg
- Lage im Wasserhaushalt im Land Brandenburg – Wochenbericht Nr. 30 (Stand 23.7.2024) – Landesamt für Umwelt Brandenburg
- Widerruf der Allgemeinverfügung des Landkreises Oberspreewald-Lausitz zur Wasserentnahme aus oberirdischen Gewässern für das Teileinzugsgebiet der Schwarzen Elster vom 12.07.2023 (GZ: 60.7.15-70.18-0622/23) Landkreis Oberspreewald-Lausitz, 23.11.2023
Beitragsfoto: Gendries
Hinterlasse jetzt einen Kommentar