Kanzlerin Angela Merkel hat in Afrika drei Krisenstaaten besucht. Sie wollte sich ein Bild von den Fluchtursachen machen. Mali, Niger und Äthiopien standen auf dem Programm. Die Ziele der Kanzlerin: Terror bekämpfen, Schleuser schwächen, Ausbildungswege stärken, damit die vielen jungen Leute Chancen zuhause sehen und sich nicht auf den Weg nach Europa machen. Ausbildung und Schulwesen hängen auch von einer funktionierenden Wasserversorgung ab. In vielen Regionen Afrikas sind die Kinder, weil sie die fehlende öffentliche Trinkwasserversorgung ersetzen müssen, vom Zugang zur Bildung ausgeschlossen – wenn sie denn überhaupt existiert. In Niger und Mali, die Besuchsziele von Angela Merkel, beziehen die Menschen vielerorts ihr Wasser aus Dorf-Brunnen. Das Wasser gibt es dort, wo die Quelle ist, nicht wo die Menschen wohnen. Nur 77 Prozent der Bevölkerung haben laut Weltbank „angemessenen Zugang“ zu mehr als 20 Litern Wasser aus einer verbesserten Quelle. Aber anderes als der Begriff vermuten lässt, bedeutet „angemessener Zugang“ nicht einen Wasserhahn im Badezimmer, sondern dass die Quelle höchstens einen Kilometer von der Wohnstätte entfernt liegt. Daher muss das Wasser noch in Kanistern herangeschafft werden. Dieser Wassertransport ist traditionell Aufgabe von Kindern. Fast immer sind es Mädchen, die sich auf den mehrere Kilometer langen, nicht selten gefährlichen Weg machen müssen. Selbst wenn es Schulen gäbe, für Bildung bliebe ihnen keine Zeit. Statt Schreiben und Rechnen zu lernen, müssen sie für ihre Familie Wasser holen.
Dank hiesiger Lebensbedingungen können sich die Schülerinnen und Schüler auf das Lernen konzentrieren und müssen sich nicht um das Wasser holen kümmern. Wenn es um Wasser und Schule geht, dann kooperieren Schulen und Wasserversorger bei der Umweltbildung und beim vorsorgenden Gewässerschutz. Schülerinnen und Schüler bringen sich dann auch aktiv in Umweltprojekte ein, die auf den Schutz natürlicher Gewässer abzielen. In Niger, Mali und anderen Entwicklungsländern dagegen müssen sich die Kinder existenziell mit Wasser auseinandersetzen; nur so können sie überleben. Fast 800 Millionen Menschen leben nach Angaben der UN ohne verbesserten Zugang zu sauberem Trinkwasser. In 25 Ländern, so die Vereinten Nationen, wenden Kinder 4 Millionen Stunden für die tägliche Versorgung mit Trinkwasser auf. Zeit, die für eine angemessene Bildung fehlt. So erschreckend es ist, so wenig überraschend kann es sein: Die Zahl der erwachsenen Analphabeten ist in Subsahara-Afrika sehr hoch: 29 Prozent der Männer und 46 Prozent der Frauen können nicht lesen und schreiben. Das ist die weltweit höchste Rate. In Ländern wie Mali und Niger liegt die Analphabetenquote sogar über 70 Prozent.
Bei der Wasserversorgung geht es somit auch um Menschenrechte. Wer sich um das Wasser holen kümmern muss, kann nicht in die Schule gehen. Die UN-Vollversammlung als höchstes Gremium der Vereinten Nationen hat im Jahre 2010 in einer Resolution das Recht auf Wasser und Sanitärsysteme explizit anerkannt. Die Resolution unterstreicht, dass diese Infrastrukturen essentiell für das menschliche Überleben und die Verwirklichung der Menschenrechte sind. Woran es in vielen Regionen aber nach wie mangelt, ist die Wahrung dieser Rechte durch den Aufbau von Bildungs- und Versorgungssystemen. Die internationale Gemeinschaft hatte sich 2010 dazu verpflichtet, die Bildungssituation weltweit zu verbessern. Doch die Ziele waren zu hoch gesteckt: „Bis 2015 sollen alle Kinder Zugang zur Grundschule haben und diese abschließen. Auch die Gleichberechtigung der Geschlechter soll bis dahin auf allen Bildungsebenen verwirklicht sein.“ Aber die Realität ist eine andere. Der aktuelle Weltbildungsbericht 2016 der UNESCO räumt Versäumnisse ein: „Nur 70 Prozent der Kinder aus Entwicklungsländern werden bis 2030 die Grundschule besuchen, ein Ziel das bis 2015 hätte erreicht werden sollen. Wir brauchen daher politischen Willen, die politischen Handlungsfelder, Innovationen und die Ressourcen, um dieses Ziel zu erreichen.“ Wollen wir verhindern, dass die Menschen sich als Flüchtlinge auf den Weg machen, dann sollten wir nicht den nächsten Weltbildungsbericht abwarten, sondern die Mittel und das Know-how bereit stellen, um den Menschen das zu geben, was sie brauchen: Wasser und Bildung! Wir können hoffen, dass die Bundeskanzlerin diese Probleme nicht nur gesehen hat, sondern auch Lösungen dafür finden wird.
Quellen
UNESCO Weltbildungsbericht http://unesdoc.unesco.org/images/0024/002457/245752e.pdf#page=1&zoom=auto,-266,796#page=1&zoom=auto,-266,796
Weltbank http://data.worldbank.org/indicator/SH.H2O.SAFE.ZS
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