Wassernotstand und Rationierungen in Kalifornien. Droht ein Day Zero?

Damit war zu rechnen: Am 1. Dezember 2021 löste Kalifornien weltweit Schlagzeilen aus, als bekannt gegeben wurde, dass die Wasserversorger und Farmer aus der staatlichen Reserve kein Wasser erhalten werden. Diese Ankündigung des Department of Water Resources des US-Bundesstaates Kalifornien klingt nicht zufällig wie der „Day Zero“ 2018 in Kapstadt, Südafrika. „Day Zero“ war das prognostizierte Datum, an dem ohne trotz aller Sparanstrengungen kein Wasser mehr für die Kapstädter mehr verfügbar sein sollte. Kapstadt entging diesem „Blue Out“ nur knapp. In Kalifornien ist es dann doch ein wenig anders. Ungeachtet dortiger Rationierungsankündigungen scheint der drohende Stillstand in den Wasserhähnen immer noch üppige Verbräuche zuzulassen, vergleicht man es mit deutschen Maßstäben. Und das trotz Priorisierung bei der Wasserlieferung während der Rationierung. Begriffe, auf die sich auch deutsche Wasserversorger und Unternehmen künftig einstellen müssen, finden sie sich doch in der Nationalen Wasserstrategie und in einigen Landeswassergesetzen. Der Blick nach Kalifornien lohnt also.

State Water Project – Kaliforniens Dürrelösung

Kalifornien ist ein halbtrockener Staat, daher ist ein trockenes Jahr keine Überraschung. Aber ein kürzlich veröffentlichter Zustandsbericht stellte fest, dass Kalifornien jetzt ein trockenes Muster aufweist, das „mit gelegentlichen nassen Jahren durchsetzt“ ist. Der Sonnenstaat litt unter einer dreijährigen Dürre von 2007 bis 2009, einer fünfjährigen Dürre von 2012 bis 2016 und nun zwei Trockenjahren in Folge; 2020 war das fünfttrockenste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und 2021 das zweittrockenste.

Zu Beginn des Wasserjahres 2022 – das am 1. Oktober 2021 begann – ist der Boden trocken, die Reservoirs sind gering gefüllt und es wird ein weiteres trockenes Jahr vorhergesagt. Das trifft die Wasserversorger und Farmer insbesondere im trockenen Süden. Sie alle verfügen über ein Portfolio von Wasserversorgungen überwiegend aus Grundwasserressourcen, die auf individuellen Wasserrechten basieren oder kaufen Wasser hinzu. Allerdings reichen diese regionalen Quellen nicht aus. Eine Absicherung wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschaffen, lange bevor der Klimawandel offensichtlich wurde. Damals wurde bereits sichtbar, dass es Fernwasserzulieferungen bedarf, um die wachsenden Städte und Farmen Kaliforniens mit ausreichend Wasser zu versorgen. Dazu wurde ein komplexes System von Stauseen und Kanälen entwickelt, die Wasser aus den wasserreichen nördlichen Landesteilen in die wachsenden Metropolen und die Agrarzentren im wasserärmeren Süden leiteten. Ein Teil des Systems, das California State Water Project, ist ein multiples Speicher-, Transport- und Versorgungssystem für Wasser, das sich über mehr als 705 Meilen erstreckt – zwei Drittel der Länge Kaliforniens. Fünf Aquädukte, zahlreiche Pipelines, 20 Stauseen und Wasserkraftwerke versorgen 27 Millionen Kalifornier, 750.000 Hektar Ackerland und Unternehmen in ganz Kalifornien mit sauberem Wasser. Etwa 70 Prozent für Wohn-, Kommunal- und Industriezwecke und 30 Prozent für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen eingesetzt. Die 29 lokalen Wasserbehörden mit ihnen die jeweiligen Wasserversorger –, die das State Water Project mitfinanziert haben, erhalten im Gegenzug Wasser im Rahmen eines Vertrags, der aus den 1960er Jahren stammt.

Eigentlich sollte das State Water Project jedes Jahr 5,1 Milliarden Kubikmeter Wasser liefern (das entspricht etwa der Trinkwassermenge, die deutsche Haushalte und Betriebe benötigen). Versorger und andere Bezieher, die Wasser aus dem State Water Project verteilen oder nutzen, haben jedoch in der Vergangenheit nur einen Teil ihrer Zuteilungen erhalten; der langjährige Durchschnitt liegt bei 60 Prozent, in den letzten Jahren deutlich darunter.

Dramatische Absenkung der Wasserbezugsmengen für das Jahr 2022

Jährlich zum 1. Dezember nimmt das Department of Water Resources eine erste Wasser-Zuweisung aus der staatlichen Reserve auf Basis der Wasserbedingungen und Wetterprognosen vor. So sollen die Wasserunternehmen bei der Planung unterstützt werden. Im Laufe des Jahres kann der Staat die Zuteilung je nach zusätzlichem Regen oder Schnee und der Wassermenge in den Speicherbecken anpassen. Für das Jahr 2010 lag beispielsweise die Zuteilung am 1. Dezember 2009 zunächst bei 5 Prozent und wurde bis Juni 2010 auf 50 % angehoben. 2014 begann die Zuteilung bei 5 Prozent, sank auf 0 Prozent und endete dann bei 5 Prozent. Angesichts der Schneestürme der vergangenen Wochen, könnten also schon neue Bedingungen geschaffen worden sein, die sich in einer letztendlich höheren Zuteilung niederschlagen werden – es könnte aber anders kommen.

Dieses Jahr 2021 geht mit der niedrigsten Erstzuteilung seit Beginn der Aufzeichnungen in die Geschichte ein. Nach Angaben des staatlichen Wasserressourcenministeriums führten „beispiellose Dürrebedingungen“ und „Stauseen auf oder nahe historischen Tiefstständen“ dazu, dass die diesjährige Zuteilung von 0 Prozent Schlagzeilen machte.

Priorisierung der Wasserzuteilungen schafft Ausnahmen von der Regel – auf hohem Niveau

Aber es gibt auch Ausnahmen, die sogenannte Priorisierung. Das dafür zuständige Department of Water Resources (DWR) konzentriert sich auf die Priorisierung der Wasserversorgung in vier Kategorien:

  • Wasser für Gesundheits- und Sicherheitsbedürfnisse und zur Kontrolle des Salzgehalts im Delta,
  • Wasser für gefährdete Arten,
  • Wasser zur Speicherung und
  • Wasser für zusätzliche Versorgungszuteilungen, wenn die Hydrologie dies zulässt.

„Wasser für Gesundheits- und Sicherheitsbedürfnisse“ bedeutet, wenn die Auftragnehmer kein Wasser aus anderen Quellen finden können, könnten sie bis zu 55 Gallonen (207 Liter) pro Kopf und Tag an Wasser anfordern, um „den häuslichen Versorgungs-, Brandschutz- und Sanitärbedarf zu decken“. Das sind etwa zwei Drittel dessen, was der durchschnittliche Amerikaner verbraucht – und über 60 Prozent mehr als die Bundesbürger durchschnittlich verbrauchen. Nach deutschen Maßstäben klingt das nicht nach schmerzhaften Einschnitten beim „Day Zero“.

Wassersparen ist unverzichtbar

Ungeachtet dessen werden nach dem aktuellen Plan wohl etwa 10 Prozent des bewässerten Landes in Kalifornien kein Wasser aus dem State Water Project erhalten. So müssen nicht nur kommunale Versorger als auch die dringend auf das Wasser angewiesene Farmer versuchen, Wasser zu sparen, woanders nach Wasservorräten suchen oder kein Wasser liefern. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom forderte die Kalifornier auf, im Sommer 2021 freiwillig 15 Prozent ihres Wassers zu sparen. Die landesweiten Reduzierungen betrugen im Juli nur 1,8 Prozent, stiegen jedoch im Oktober auf 13,2 Prozent. Da ist also noch viel Luft nach unten, wie die Durchschnittsverbräuche der Kalifornier zeigen, die sich immer noch von grünen Rasenflächen und üppigen Golfplätzen oder erfrischenden Swimmingpools begeistern lassen.

Gouverneur Newsom gab außerdem bekannt, dass in 50 der 58 Bezirke des Staates wegen der Dürre der Notstand ausgerufen wurde. Betroffen sind davon etwa 42 Prozent der Bevölkerung, hauptsächlich im Norden und im Zentrum. Dieser Notstand gibt den Behörden zusätzliche Befugnisse zur Kontrolle der Ressourcennutzung. So erwägen die staatlichen Wasserregulierungsbehörden die Verabschiedung von Notverordnungen, die bestimmte Maßnahmen verbieten sollen, um die Wasserverschwendung einzudämmen und die Wasservorräte zu erhalten. Zu den Aktivitäten, die verboten werden können, gehören das Waschen von Fahrzeugen mit Schläuchen ohne Absperrdüsen, das Abspritzen von Gehwegen, Einfahrten oder Terrassen „außer in Fällen, in denen Gesundheit und Sicherheit gefährdet sind“, die Bewässerung von Landschaften in einer Weise, die zu übermäßigem Abfluss führt, und die Bewässerung von Rasenflächen innerhalb von 48 Stunden nach messbarem Niederschlag. Das klingt jetzt gemessen an hiesigen Regeln nicht sehr streng. Bei der Letzten Dürre, im Jahr 2014, verordnete Newsoms Vorgänger als Gouverneur, Brown, die Senkung des Wasserverbrauchs in den Notregionen. Zu den Kommunen, die ihren Wasserverbrauch um 20 bis 25 Prozent senken mussten, gehörten auch Metropolen wie Los Angeles, San Diego, Long Beach, Santa Ana, San Jose und Anaheim. Wasserversorger, die diese Vorgaben verfehlten Agenturen, sollten mit Geldstrafen von bis zu 10.000 Dollar pro Tag rechnen. Es war nicht herauszufinden, ob diese Strafen tatsächlich bezahlt wurden.

Was sagt uns das?

Der Südwesten der Vereinigten Staaten ist im doppeldeutigen Sinne ein „Hotspot“, wenn es um Wasserthemen geht. Alle Jahre wieder trifft es die lebensfrohen Kalifornier, die trotz eines ausgereiften Systems zur Wasserversorgung und einer bereits starken Übernutzung der Grundwasserressourcen mit Dürre und daraus resultierenden Wasserstress zu kämpfen haben. Der Klimawandel lässt grüßen! Schaut man genauer hin, bekommt man den Eindruck, als wollten nur wenige auf den gewohnten Wasserluxus verzichten. Jene, die es sich leisten können, werden nicht auf die Gartenbewässerung verzichten oder auf ihre Pool-Befüllungen. Viele Farmer werden die Verlierer sein, nicht die Großen, diese haben mit Wasserrechten vorgesorgt oder frühzeitig Wasser Futures an der New Yorker Börse gekauft. Der Staat greift regulierend ein, aber immer nur wenn es zu spät ist, und lässt dann die Zügel wieder locker. Damit können grundsätzliche Verhaltensänderungen sich nicht einstellen. Ob die Rationierungen wirklich greifen werden, wird sich zeigen. Interessant ist die Entwicklung aber auch mit dem Blick auf die Priorisierung. Die Nationale Wasserstrategie der Ex-Umweltministerin Schulze hat hier Akzente gesetzt, die bei der Umsetzung für Aufmerksamkeit sorgen werden. Schon fangen erste deutsche Versorger an, vor dem Hintergrund der klimatischen Bedingungen den Wasserhahn in den Blick zu nehmen. Man wird also gespannt sein dürfen, was von den Kaliforniern gelernt werden kann.

1 Kommentar

  1. Toller Artikel, Siegfried! Wie immer gut formuliert. Hoffentlich kommt bald ein holistisches Umdenken der gesamten Bevölkerung, nicht nur der kleinen Endverbraucher, sondern insbesondere der Konzernführer.

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