Wasserkunden sollten sich auf steigende Wasserpreise einstellen

Die Leipziger Wasserwerke erhöhen zu Beginn kommenden Jahres ihre Wasserpreise. Im gesamten Bundesgebiet gibt es Nachholbedarf angesichts drastisch gestiegener Kosten. Aber nicht nur bei der Höhe ändert sich etwas, auch die Abstände zwischen den Erhöhungen werden künftig kürzer. Es scheint ein Umdenken einzusetzen. Die Kostensteigerungen überholen die Wasserpreisentwicklungen mit rasender Geschwindigkeit. Da kann die Wasserwirtschaft mit ihren langen Vorlaufzeiten und Entscheidungen in den politischen Gremien nicht mehr mithalten. Ihr laufen die Kosten davon.

Wasserversorgung muss kostendeckend sein

Wie in allen Bereichen des Lebens steigen derzeit auch die Kosten für die Wasseraufbereitung und Versorgungsinfrastruktur. Allerdings liegen die Wasserpreisentwicklungen der vergangenen Jahre im Gegensatz zu den Kostensteigerungen und der Investitionserfordernissen weiterhin auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Die Marktpreissteigerungen für Bauleistungen, Wasseraufbereitungsmaterialien und Personal sind drastisch angestiegen. Auch die Energiekostenentwicklung hat bei einer großen Zahl der Wasserversorger noch nicht die erhoffte Entlastung gebracht. Im Ergebnis klafft die über viele Jahre zunächst nahezu parallel verlaufende Entwicklung von Inflationsrate und Entgelten für die Wasserversorgung deutlich auseinander. Bei einer aktuell 6-prozentigen Inflationsrate geraten die Unternehmen, die die Daseinsvorsorge bei Wasser gewährleisten müssen, stark ins Hintertreffen.

Abb. Entwicklung der Gebühren und Wasserpreise für die Wasserversorgung und der Inflationsrate in Deutschland 2005 bis 2022 (Daten: Statistisches Bundesamt; Grafik: BDEW)

Den daraus resultierenden Nachholbedarf bestätigt eine von mir durchgeführte Preisanalyse von 36 deutschen Großstädten für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 1. September 2023. Demnach betragen die Wasserpreissteigerungen im Durchschnitt 13 Prozent – nicht jährlich, sondern über den gesamten Zeitraum über sieben Jahre! Die gleiche Steigerung bei den Kosten ereignete sich auf Seiten der Wasserversorger in den vergangenen zwei Jahren.

Diese relative Wasserpreisstabilität mag aus Kundensicht wünschenswert sein, birgt aber für die Wasserversorger nicht unbeträchtliche Risiken. Wenn die Investitionskraft erlahmt und die Kostendeckung schrumpft, dann wird an den möglicherweise falschen Stellen gespart. Viele Versorger haben dringend erforderliche Wasserpreisanpassungen aus unterschiedlichen Gründen gescheut. Aber besonders „ermuntert“ worden sind sie häufig von der Kommunalpolitik.

Preiserhöhungen als Torschlusspanik vor Kommunalwahlen

Zurück nach Sachsen: Die Leipziger Wasserwerke seien mit ihrer Preiserhöhung kein Einzelfall, berichtet Florian Gräßler, Geschäftsführer beim Verband kommunaler Unternehmen in Sachsen gegenüber dem MDR. „Preiserhöhungen für das Trinkwasser stehen sachsenweit in Aussicht, das ist bei vielen Versorgern zu erwarten.“ Gräßler zufolge haben einige die Preise schon erhöht, andere bereiteten Preiserhöhungen vor. Zwar gebe es beim Verband keine genauen Zahlen, aber das treffe auf einen Großteil der rund 80 Wasserversorger in Sachsen zu, wird Gräßler zitiert. Darin steckt auch gutes Stück „Torschlusspanik“. Denn am 9. Juni 2024 finden Kommunalwahlen in Sachsen statt. Da schauen die Kommunalpolitiker in den Gremien der Wasserversorger kritischer auf die Wasserpreise. Da geht der betriebswirtschaftliche Blick auf die Wasserpreise und auch schon mal die allgemeinen Kommunalabgabengrundsätze schon mal verloren.

Irrtümlicherweise scheinen manche Politiker zu glauben, dass das Wahlvolk keine wichtigeren Probleme als die Höhe der örtlichen Wasserpreise hat. Die Bereitschaft, höhere Wasserpreise zu akzeptieren, ist größer als an manchen Stammtischen vermutet wird. Zuweilen reicht ein Blick in die Medienberichterstattung. Wird vom Versorger offen und verständlich über die Anpassung kommuniziert, nimmt die Presse die Thematik zumeist fair und ausgewogen auf. Wenn es knallt, ist es zumeist selbstverschuldet. Schmerzhafter wird es dann, wenn eine Wasserversorgungsstörung oder Qualitätsbeeinträchtigung auf den Sanierung- oder Investitionsstau wegen nicht kostendeckender Preise zurückzuführen ist. Das trifft dann allerdings den Versorger, so mancher Politiker hat dann vorsorglich die Seiten gewechselt.

Anpassungsabstände werden kürzer

Sachsens VKU-Verbandschef Florian Gräßler erwartet, dass die Wasserpreise in Zukunft wohl in kürzeren Abständen erhöht werden. Früher seien Preise für fünf Jahre festgelegt worden. In Zukunft werden die Unternehmen alle zwei, drei Jahre neu berechnen, damit sie schneller auf die Marktentwicklung reagieren können, prognostiziert er. Das ist eine Erwartung, die ich auf Grund meiner Branchengespräche unterstützen kann. Anstatt Wasserpreise über lange Zeiträume stabil zu halten, erwarten die von mir befragten Verantwortlichen nahezu übereinstimmend kurzfristigere Anpassungen und wollen dies auch selber so durchführen.

Abb. Anzahl der Wasserpreis-Anpassungen in NRW-Metropolen 2014 bis 09.2023 (Daten/Grafik: Gendries)

In NRW dürfte die von mir in meinen Analysen festgestellte bisher geltende durchschnittliche Preiskonstanz von mehr als vier Jahren schrittweise zurückgehen. Wie die Abbildung zeigt, hat sich die Anzahl der jährlichen Preiserhöhungen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Schon zum Jahreswechsel 2023 ist die Anzahl der Preiserhöhungen in NRW deutlich gestiegen. Auch deren prozentuale Steigerungen nähern sich der Inflationsrate an.

Ich stoße ich bei meinen Preisanalysen immer noch auf Wasserversorger, die manchmal seit zehn oder mehr Jahren ihre Wasserentgelte nicht mehr angepasst haben. Dazu gehören auch die Berliner Wasserbetriebe. Trotz aller Überzeugungsversuche des Managements, angesichts massiver Investitionsbedarfe in die alternde Infrastruktur und die Anpassung an den Klimawandel erstmalige Gebührenerhöhungen seit 2014 umzusetzen, will die Regierung aus SPD und CDU an der Gebührenstabilität festhalten. Dabei orientieren sich die Berliner nicht unmaßgeblich an den Wasserentgelten anderer Großstadtversorger im Bundesgebiet. Man wolle in einer Vergleichsgruppe von 30 großstädtischen Wasserversorgern im Bundesgebiet immer „zum günstigsten Drittel“ gehören, ist aus dem Berliner Senat als Zielvorgabe zu hören. Auch das ist ein typisches Verhalten der Politik bei der Wasserpreisgestaltung. Nicht nur die absolute Höhe ist ein Maßstab für Preisdisziplin, sondern auch der Vergleich mit anderen Versorgern in der Region. da spielt es häufig auch keine Rollen, ob die strukturellen Rahmenbedingungen sich unterscheiden, also Groß- und Mittelstädte verglichen werden, Industriekunden höhere Deckungsbeiträge liefern, ob es Fremdbezug gibt usw., auch nicht, ob die Vergleichsunternehmen überhaupt Konzessionsabgaben zahlen, ob sie Dividenden in den städtischen Haushalt abführen müssen und schon gar nicht, ob die vermeintlich günstigeren überhaupt kostendeckend arbeiten. Was, wenn die jene die Maßstäbe setzen, die meinen, mit einem Sanierungsstau gut leben zu können? Ist das der richtige Weg für eine zukunftsgerichtete und klimaresiliente Wasserversorgung? Abwarten, bis dies klar ist, könnte fatale Folgen haben, wie wir in vielen Infrastrukturbereichen in Deutschland auf Straßen, Brücken, Bahnfahrten etc. spürbar erfahren.

Beitragsfoto: pixabay stevepb

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