Was ein globaler Vergleich von Wasserpreisen aus fast 600 Metropolen verrät

Die meisten Wasserpreisvergleiche führen zu falschen Schlussfolgerungen. Statt um Wert des Wassers und Leistungen, geht es eigentlich nur um den Preis. Viele freuen sich über einfache Botschaften, auch wenn sie noch so sehr in die Irre führen. Schon national ist es nicht einfach, wie soll das global gehen? Zum 12 Mal bietet der Global Water Tariff Survey vom Global Water Intelligence (GWI) Einblick in die die Wasser- und Abwasserentgelte von weltweit 558 Metropolen. Analysiert und verglichen haben die in England ansäßigen Experten nicht nur die absoluten Entgelte, sondern auch die Preisveränderungen von 2018/19 und die Gründe dafür. Mit darunter auch 15 deutsche Städte. Ein Ergebnis des Global Water Tariff Survey dürfte auch die hiesige Diskussion anreichern: der Vergleich der „Erschwinglichkeit von Trinkwasser“. Von 135 Städten in 76 Staaten – darunter auch Berlin – wurden die monatlichen Wasserkosten mit den lokalen Haushaltseinkommen in Relation gestellt. Das Ergebnis wird uns freuen.

Während in Deutschland die Experten von GWI und die Analyse eher unbekannt sind, werden sie international sehr geachtet. Auch bei der EU in Brüssel werden die Ergebnisse aufmerksam verfolgt. Wie schon 2018, so war ich auch für aktuelle Ausgabe eingeladen worden, meine Sichtweise auf die Entwicklungen der Wasserpreise als Kommentator einzubringen. Diese Gelegenheit habe ich genutzt, um die Herausforderungen der deutschen Wasserwirtschaft und die dafür entwickelten ökonomischen Lösungen darzustellen (dies folgt im nächsten Beitrag). Aber zunächst zum Global Water Tariff Survey, dessen Ergebnisse ich für die Blog-Leser aus einer anderen Perspektive beleuchte.

Vergleich der durchschnittlichen kombinierten Entgelte für Trinkwasser, Schmutz- und Regenwasser der Metropolen in Westeuropa (Q: GWI, 2019)

In den deutschen Metropolen gelten vergleichsweise hohe nominelle Preise, dafür werden hier Spitzenleistungen geboten

Durchschnittlich 2,19 US-$ je Kubikmeter zahlt ein Haushalt im Jahr 2019 in den 558 Metropolen der 184 betrachteten Staaten der Welt für die Kombination aus den Entgelten für Ver- und Entsorgung von Trink-, Schmutz- und Regenwasser. Ein Anstieg von 3,3 Prozent zum Vorjahr. Es wird kaum überraschen, dass sich angesichts der Spitzenqualität bei Ver- und Entsorgung hierzulande, die deutschen Städte in der Spitzenposition wiederfinden.

Für die 15 deutschen Städte in der GWI-Analyse wurde ein durchschnittlicher kombinierter Gesamtpreis in Höhe von 6,29 US-$ je Kubikmeter ermittelt (Städte siehe unten). Für die Region Westeuropa lag dieser Wert bei 4,04 US-$ je Kubikmeter. Die Ruhrmetropole Essen führt nicht nur deutsche Vergleichsrechnungen mit hohen Entgelten an, auch vom GWI wurde ein Wert in Höhe von 9,04 US-$ je Kubikmeter ermittelt (siehe Abbildung). Dieses „Abschneiden“ kommentieren die GWI-Autoren mit „Essen has repeatedly held this title of being the costliest city in Germany and has now topped the list regionally.“

Vergleichen wir aber, welche Investitionen in anderen Weltregionen die dortigen Preisveränderungen ausgelöst haben, so stellen wir fest, dass man dort vielerorten noch mit rudimentären Leistungen der Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung befasst ist – von Hochwasser- bzw. Regenwasserschutz ganz zu schweigen. So hat in London der investive Nachholbedarf bei der Leckagebekämpfung angesichts überhöhter Wasserverluste und Schmutzwasserfluten die Entgelte steigen lassen. Am Ende entscheiden die Qualität und die Zuverlässigkeit – und da dürfte London Nachholbedarf gegenüber Essen haben.

Trink- und Schmutzwasserkosten in der Stadt Essen (in US-Dollar, Stand 1.7.2019, ohne Regenwasser, Quelle GWI, 2019)

Hohe Haushaltseinkommen gleichen höhere Trinkwasserpreise in Deutschland aus. Probleme bei der Bezahlbarkeit des Wassers haben andere.

Ein weiterer Aspekt relativiert im Unterschied zu gewöhnlichen Preisvergleichen die festgestellten Unterschiede. Die GWI-Analyse betrachtet auch die Erschwinglichkeit oder Bezahlbarkeit (affordability) der Leistungen aus Sicht der Haushalte. Für eine Auswahl von 135 Städten aus 76 Staaten wurde das jeweilige Verhältnis der monatlichen Haushaltskosten für Trinkwasser zu den lokalen Haushaltseinkommen ermittelt. Die UN empfiehlt bekanntlich, dass die Haushalts-Kostenbelastung für Trinkwasser den 3 %-Wert der Haushaltseinkommen nicht überschreiten soll. Um es vorweg zunehmen, keine der Städte überschreitet diesen Wert. Mit Rio de Janeiro ist es aber eine nicht gerade für ihre Versorgungssicherheit bekannte Metropole, die mit exakt 3 % den höchsten Wert aufbietet. Diesen fragwürdigen TOP 1 hatte im Vorjahr mit 7,4 % ! die südafrikanische Metropole Kapstadt inne, als dort noch der „Day Zero“ drohte und mit hohen Wasserpreisen (nach vorausgegangenem 390 % Anstieg) das Verbrauchsverhalten beeinflusst werden sollte.

Bei der relativen Belastung unterscheidet sich Deutschland ganz deutlich vom Rest der Welt. Denn wer in dieser eigentlich deutlich aussagekräftigeren Statistik nach deutschen Städten sucht, der wird erst an 88. Stelle (!) fündig. Es ist ja schliesslich nachvollziehbar, dass es ein Verhältnis zwischen hohen Entgelten und hohen Einkommen gibt. Somit ist es Berlin, als einzige in diesem besonderen Vergleich betrachtete deutsche Stadt), die mit einem spezifischen Trinkwasserpreis von 2,19 US-$ je Kubikmeter mit einem Faktor von 0,42 % SEHR deutlich unter anderen europäischen Städten liegt. Athen mit 1,68 % und Luxemburg mit 0,99 % liegen deutlich darüber. Selbst die so oft geschmähte Stadt Essen liegt trotz ihres vergleichsweise hohen absoluten spezifischen Trinkwasserpreises von 3,58 US-$ je Kubikmeter bei nur 0,69 % (diesen Wert konnte ich dank einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung herleiten, Quelle s.u.). Auch wenn man entgegnen mag, dass in das im Vergleich hohe durchschnittliche deutsche Haushaltseinkommen auch schwache Haushalte einfliessen, so gilt dies ja auch in anderen Weltregionen – und womöglich in noch stärkerem Maße. Hinzu kommt, dass in Deutschland alle Bürger einen Zugang zur Infrastruktur haben und mithin einwandfreies Trinkwasser erhalten.* Wenn wir jetzt auch noch die Leistungen, also Qualität und Zuverlässigkeit, in die Betrachtung einbeziehen, dürfte sich die relative Position der deutschen Wasserwirtschaft im internationalen Vergleich deutlich verbessern. Dies hat der BDEW mit der VEWA-Studie bereits vor einiger Zeit nachgewiesen, in dem er eine ähnliche Relativierung der Wasser- und Abwasserkosten in Europa am Beispiel von sechs Ländern durchgeführt hat. Damit wird deutlich, dass die Aussagekraft der reinen Entgelte in ihrer nominellen Höhe mehr als beschränkt ist.

Vergleich der Erschwinglichkeit des Wassers für 135 Metropolen (Q: GWI, 2109)

Klimawandel lässt weltweit Wasserkosten ansteigen

Die Gründe für die Entgeltentwicklungen zeigen, wie stark sich der Klimawandel bereits in den Haushaltskosten für Wasserbezogene Dienstleistungen niedergeschlagen hat. Dort wo die Entgelte besonders stark angestiegen sind, waren es zumeist der Bedarf an zusätzlichen Trinkwasseranlagen, allem voran zur Meerwasserentsalzung, Auf- und Ausbau der Kläranlagen und die Bewältigung zunehmender (Stark-) Regenereignisse, die sich kostensteigernd ausgewirkt hatten. Die Preise in Nordamerika, ohnehin weltweit die teuersten Region, stiegen zum Vorjahr um 3,9% an, und damit stärker als in Europa mit 1,7%. Die Entwicklung hatte Gründe: Während in vielen anderen Weltregionen Hochwasserprävention noch ein Fremdwort ist und über Subventionen abgefangen wird, sind es gerade die USA und Europa (allen voran Deutschland), wo die Bürger den Hochwasserschutz bezahlen. Dieses deutsche Regenwasserentgelt ist es auch, das die Gesamtkosten für die Haushalte in den deutschen Metropolen weltweit so hoch erscheinen läßt. Von den deutschen Haushaltskosten von durchschnittlich 6,29 US-$ je Kubikmeter entfallen 20,8 % auf das Regenwasser. Bei unseren britischen Nachbarn sind von den nur 3,00 US-$ je Kubikmeter lediglich 8,1% für Regenwasser und dass angesichts der enormen Probleme, mit denen die englischen Utilities aufgrund der Überschwemmungen der Schmutzwasserkanäle und Kläranlagen zu kämpfen haben.

Es sind nicht nur die Kosten, es ist der „Wert des Wassers“, den es zu vermitteln gilt

Auch wenn die Studie voller Zahlen und Vergleiche ist, es geht letztendlich auch hierbei um den „Wert des Wassers“. Wer die Anstiege von Wasserpreisen und Abwasserentgelten nur auf die ökonomischen Größen reduziert, der verkennt, dass dahinter Investitionen in technische Anlagen für die Sicherheit der Ver- und Entsorgung und Qualität stehen. Die vermeintlich billigsten sind wahrlich nicht die preiswertesten. Das gilt in Deutschland ebenso wie weltweit. Bei den Staaten mit den niedrigsten Entgelten und den geringsten Anstiegen haben entweder die Politiker eingegriffen und die Entgeltentwicklung taktisch gebremst. Das so haben die Analysten herausgefunden, war in der Türkei und China der Fall. Oder die Politik hat kein Interesse und nicht die Mittel, die Infrastruktur im erforderlichen Maße auszubauen. Menschen, die ihr Trinkwasser in Flaschen kaufen müssen, weil es keine öffentliche Trinkwasserversorgung gibt, würden sicher einen Preis für das Trinkwasser aus dem Hahn bevorzugen. Preise dürfen nicht von Leistungen entkoppelt betrachtet werden. In ihrer Keynote schreibt Cindy Wallis-Lage, vom Mitherausgeber Black & Veatch, „Water’s cost – moreover, its value – also tends to be misunderstood. Right now, the “price” consumers pay for water is, in many cases, much less than that for other “essential” items we feel we must have, such as cellphones and computers. While we feel lost without these items when they are misplaced or broken, ultimately, we can function without the conveniences they bring us. The same is not true for our most basic need – water.“ Was sie meint, dürfte deutlich werden: ‚Der „Wert“, den Wasser für uns Menschen hat, ist höher als der für Smartphones oder Computer, denn wir können darauf nicht verzichten. Aber wer hat schon einmal darüber nachgedacht, dass sich mit dem Kaufpreis eines iPhone X eine Familie in Essen über zwei Jahre mit Trinkwasser versorgen kann.‘ Dem gibt es nur wenig hinzufügen.

Meine Kolumne „Utilities look to fixed fees to balance the books“ zum „Global Water Tariff Survey“ folgt in Kürze

Weiterführendes / Hinweise

Die Website des Global Water Tariff Survey

2 Kommentare

  1. Es ist schon erstaunlich und erfreulich, dass es uns in Deutschland gelingt, die Ressource Wasser in höchster Qualität vergleichsweise so günstig zur Verfügung zu stellen. Das ist ein Beleg für die gute und effiziente Arbeit in den Wasserwerken, Rohrnetzen, Kanälen und Abwasserbehandlungsanlagen!

  2. Danke, Siegfried, für diese ausführliche und interessante Zusammenstellung! Wasser ist für uns (noch) so selbstverständlich, dass man zuwenig über die Probleme nachdenkt. Wohl auch deshalb, weil es eigentlich billig ist und die Versorgung zuverlässig.
    Liebe Grüsse
    Heidi

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