Präsident Joe Biden will einen Rettungsplan für die US-Wasserwirtschaft

Joe Biden wird am Mittwoch das Präsidentenamt von Donald Trump übernehmen. Obwohl Corona alles überlagern wird, bei der dringenden Modernisierung der US-Infrastrukturen hat er nicht viel Zeit. Aber Biden ist vorbereitet: im Sommer 2020 stellte er einen auf vier Jahre ausgerichteten 2-Billionen-Dollar-Plan vor. Erklärtes Ziel: die Wiederbelebung der US-Wirtschaft durch Infrastruktur-Investitionen und Stärkung der Aufsichtsbehörden. Beim Trinkwasser kommt eine Krise hinzu, die für einen Staat wie die USA fast undenkbar ist: Mehr als die Hälfte der US-amerikanischen Haushalte können in Folge der Corona-Pandemie ihre Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen. Derzeit droht 183 Millionen US-Bürgern, durch ihre Zahlungsunfähigkeit die Wasserversorgung zu verlieren. Moratorien in einigen Bundesstaaten waren zum Jahresende ausgelaufen. Es geht also nicht nur um Wirtschaft, sondern um Menschen.

Wasserwirtschaftliche Infrastruktur mit gigantischem Investitionsstau

Amerikas Herausforderungen bei der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur ähneln denen eines Entwicklungslandes. Die American Society of Civil Engineers gibt der US-Trinkwasserinfrastruktur die Note „D“ und der Abwasserinfrastruktur die Note „D +“. Bis zu 1,7 Millionen Amerikaner haben keinen Zugang zu Sanitäranlagen wie Toilette, Badewanne, Dusche oder fließendem Trinkwasser. Fast 200.000 Haushalte haben absolut kein Abwassersystem.

Die American Society of Civil Engineers (ASCE) hat angesichts des Zustands und Investitionsbedarf der amerikanischen Infrastruktur („Failure to Act“) für die Trink- und Abwasserinfrastruktur einen Finanzmittelbedarf iHv. 2,6 Billionen US-$ (2.600 Milliarden) allein bis 2029 errechnet. Kein Wunder, denn bei einer mit 0,5 % dramatisch niedrigen Erneuerungsrate müssten die Anlagen 200, statt der technisch möglichen 100 Jahre halten. Der Investitionsstau ist mehr als evident. Ob die Kommunen die prognostizierten Investitionen aus eigener Kraft stemmen können, ist mehr als fragwürdig. Denn vielen der rd. 52.000 Versorgungsunternehmen in den USA, die zu 84 % in kommunaler Hand sind, fehlen schlicht die Finanzmittel. So entsteht das errechnete Funding Gap für Trink- und Abwasser iHv. 1 Billion US-$.

Bei Wasserversorgern verschärft sich wegen rückläufiger Einnahmen das Investitionsrisiko

Das Problem beginnt bei den Versorgungsunternehmen. Ähnlich wie in Deutschland bleibt den US-Versorgern gar nicht anderes übrig, als die Trink- und Abwassernetze sowie die Wasserwerke und Kläranlagen zu modernisieren und den strenger werdenden Umweltvorschriften entsprechend anzupassen. Experten zufolge ereignen sich in den USA jährlich 240.000 Rohrbrüche, dadurch verschwinden 14 Prozent der Trinkwassermengen ungenutzt im Erdreich. In Deutschland liegen die Wasserverluste nach Erhebungen des BDEW bei rund 5 Prozent. Hier ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Interregionale Bevölkerungswanderungen und Aufrufe zum Wassersparen reduzieren in den USA angesichts der überwiegend mengenabhängigen Preissysteme die Einnahmen der Betriebe. Somit gehen zwingend erforderliche Deckungsbeiträge für die fixkostenlastigen Investitionen verloren. Auch wenn stattdessen Kredite – zumal angesichts niedriger Zinsen verlockend erscheinen mögen – , auch ihre Rückzahlung wird angesichts der sich nicht absehbar mildernden Einnahmerisiken unsicher. Die Frage der „Kapitaldienstfähigkeit“ war als Problem bisher für die Daseinsvorsorge nur eingeweihten Experten bekannt. Jetzt wird dies zur Achillesferse der US-Infrastrukturen.

Bürger können sich das Wasser nicht mehr leisten

Die erforderlichen Investitionen in die Trink- und Abwasserinfrastruktur würden die jährlichen Wasserrechnungen in den USA um durchschnittlich 50 Prozent erhöhen. Schon jetzt sind die Steigerungen der Wasserpreise auf hohem Niveau. So errechnete die American Water Works Association im Jahr 2019, dass zwischen 1996 und 2018 die Wasserentgelte um jährlich 5,09 Prozent und für Abwasser um jährlich 5,64 Prozent gestiegen sind, verglichen mit einem jährlichen Anstieg des US-Verbraucherpreisindex um 2,1 Prozent. Schon vor der Corona-Pandemie konnten fast 14 Millionen US-Haushalte ihre Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen. Jeder zwanzigste Haushalt war einer Studie der Verbraucherorganisation Food and Water Watch zufolge schon 2016 von der Wassersperrung bedroht. Corona und die erforderlichen Investitionen lösen jetzt eine gefährliche Schere aus: die Arbeitslosigkeit steigt, während sich die Wasserkosten in Folge der Investitionen erhöhen. Wenn diese Entwicklung weiter geht, kann jeder dritte amerikanische Haushalt seine Wasserrechnung in fünf Jahren möglicherweise nicht mehr zahlen, schätzen Insider. Damit aber würde sich das ehedem schon existenzielle Problem einer erschwinglichen Wasserversorgung in den USA weiter massiv verschärfen. Die Nichteinhaltung des Rechts auf Wasser könnte in der Politik bisher unbekannte Dynamiken freisetzen. Ein schlechter Start für einen neuen Präsidenten.

ConsumerReports.org

Verbände und Verbraucherschützer fordern wegen COVID-19 Moratorium bei Wassersperren

Der Druck baut sich schon vor Joe Bidens Amtsantritt auf. Eine breite Koalition von 600 Organisationen forderte am 13.1.2021 den Präsident elected Joe Biden und Kamala Harris auf, am ersten Tag im Weißen Haus ein nationales Moratorium für Wasser- und andere Versorgungsabschaltungen zu verhängen, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen und die finanzielle Belastung der Amerikaner zu verringern. Mehr als 600 Umwelt-, Rechte- und Religionsgruppen werden der neuen demokratischen Regierung am Mittwoch bei Amtsantritt von Biden einen Entwurf einer Exekutivverordnung vorlegen, der ein sofortiges landesweites Verbot der Abschaltung wesentlicher Versorgungsunternehmen wie Wasser, Gas und Strom bis mindestens 12 Monate nach dem Ende der Coronavirus-Pandemie vorsieht. Der Grund für den Druck ist die zunehmende Zahl von Berichten über Wasser- und Energieabschaltungen im ganzen Land, trotz Covid-Fällen, Krankenhausaufenthalten und Todesfällen. Eine Studie der Duke University aus dem letzten Jahr ergab, dass das Verbot von Wasser- und Versorgungsabschaltungen dazu beiträgt, die Covid-Infektionsraten zu senken.

Präsident Joe Biden will mit Wasser-Hilfen die Lebensqualität in den USA verbessern

Joe Biden hatte schon während des Wahlkampfes seine präsidiale Unterstützung für die Infrastrukturen in Aussicht gestellt. Mit dem THE BIDEN PLAN TO BUILD A MODERN, SUSTAINABLE INFRASTRUCTURE AND AN EQUITABLE CLEAN ENERGY FUTURE sowie dem THE BIDEN PLAN TO SECURE ENVIRONMENTAL JUSTICE AND EQUITABLE ECONOMIC OPPORTUNITY will er neue Arbeitsplätze zur Sicherung der Infrastrukturen und Verbesserung der Lebensqualität in den USA schaffen und der maroden US-Wasserinfrastruktur mit Investitionshilfen auf die Sprünge helfen und die bedrohten Ressourcen durch neue Gesetzesvorlagen schützen.

Die Umweltbehörde EPA soll wieder gestärkt werden

Biden hat zwei „Krisenherde der Trinkwasserqualität“ auf seiner Agenda. Zum einen ist es das Problem der Bleileitungen, die anders als in Deutschland, in vielen Regionen der USA noch im Einsatz sind und durch die „Flint-Water-Crisis“ skandalöse Bekanntheit erlangt haben. Die per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (kurz PFAS) standen in den 90er Jahren im Mittelpunkt des Ökothrillers „Erin Brockowicz„. PFAS werden u.a. in der Beschichtung von Outdoorjacken oder für Löschschäume verwendet, weil sie fett-, wasser- und schmutzabweisend sind. Ihre Langlebigkeit macht sie so gefährlich. Eine brandaktuelle Analyse von PFAS-Kontaminationen in den USA zeigt, dass 2.337 Standorte in 49 Bundesstaaten PFAS-Kontaminationen aufweisen. Da will Biden dem Vernehmen nach ansetzen und die Überwachung wieder verstärken. Der Noch-, bald Ex-Präsident Trump hatte die Regulierung durch die Environmental Protection Agency (EPA) massiv beschnitten, er hatte allein auf ökonomische Instrumente und auf „Deals“ gesetzt. Kurz vor den Wahlen hatte Trump sogar noch ein „Wasser-Kabinett“ begründet und mit der Aufgabe versehen, die Prozesse für die Steuerung der Wasserwirtschaft zu entbürokratisieren und sich ökonomischer Entscheidungsregeln zu bedienen. Letztendlich sollte das Expertengremium eine „Nationale Wasserstrategie“ für die USA erarbeiten. Eine Aufgabe, die ab jetzt unter die Führung seines Nachfolgers Biden gelangen wird. Biden will diese Ausrichtung Informationen zufolge rückgängig machen und die Regulierung durch die EPA wieder verstärken.

Biden hat angekündigt, die Bundesinvestitionen in „sauberes Trinkwasser“ zu verdoppeln und neue Mittel für Gebiete mit niedrigem Einkommen bzw. mit ethnischer Bevölkerung bereitzustellen. Hier sei die Bedrohung am größten, weil dort die Wassertarife schon jetzt zu gering sind und die Corona-bedingten Erlösausfälle die dringende Erneuerung der Netz- und Aufbereitungssysteme zum Erliegen bringen wird.

He will also direct his Office of Science and Technology Policy to publish a report within 100 days identifying the climate strategies and technologies that will result in the most air and water quality improvements and update analytical tools to ensure that they accurately account for health risk and benefits.

THE BIDEN PLAN TO SECURE ENVIRONMENTAL JUSTICE AND EQUITABLE ECONOMIC OPPORTUNITY

Experten fordern Nationale Wasserstrategie für die USA

Den Vereinigten Staaten fehle eine Nationale Wasserstrategie. Mehr als 20 Bundesbehörden haben überlappende und widersprüchliche Zuständigkeiten für das Wassermanagement, und die derzeitigen Wasserprogramme seien unvollständig, willkürlich und inkonsistent. Grundlegende Wasserdaten würden nicht gesammelt oder analysiert, und die Grundlagenforschung bleibt ungeschehen. Infolgedessen würden die Süßwasserressourcen der USA ineffizient und ineffektiv genutzt. So die Bestandsaufnahme des US-Wasser-Think-Tanks Pacific Institute und dessen Leiter Peter Gleick. In den „Recommendations to the Next President“ fordern das Institut daher, „der nächste Präsident sollte unverzüglich eine neue nationale Wasserkommission für das 21. Jahrhundert einrichten, um föderale Maßnahmen zur Verbesserung der nationalen Wasserpolitik zu bewerten und zu empfehlen“.

Innerhalb von 100 Tagen soll das Office of Science and Technology Policy, das den Präsidenten bei wissenschafts- und technologiepolitischen Fragestellungen berät, ein Strategiepapier vorlegen, mit dem die Weichenstellungen für eine Verbesserung der Luft- und Wasserqualität getroffen werden können. Mit sog. Executive Orders könnte der neue Präsident umgehend die Lösung der Probleme angehen. Würde er zu lange warten, könnte das eine neue Welle der Unzufriedenheit in den USA in Bewegung bringen. Die Erwartungen an den neuen Präsidenten sind gigantisch, die Herausforderungen nicht minder. Biden wird handeln, da sind sich viele Beobachter einig.

Weiterführendes

Beitragsfoto: © Can Stock Photo Inc. from natanaelginting

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