Sollbruchstellen der Beteiligung Privater an maroder US-Wasserwirtschaft

Donald Trump will die US-Infrastruktur wieder aufrüsten. Nachholbedarf zeigt insbesondere die Wasserwirtschaft. Aber den Kommunen fehlen die Mittel. Schon Obama hatte private Investoren eingeladen, sich am Wiederaufbau der Infrastruktur zu beteiligen. Aber ungeachtet der Schützenhilfe des neuen Präsidenten, gibt es zahlreiche Sollbruchstellen auf lokaler Ebene für eine Beteiligung privater Investoren an der kommunalen Wasserwirtschaft: Vertrauen, Kompetenz und Kontrolle.

Eine Billion Dollar Investitionsmittel werden dringend benötigt

Eigentlich könnte auch in den USA alles so einfach sein. Die Kommunen sind zuständig für Trinkwasser und die Abwasserentsorgung. Leider funktioniert die Balance von Kosten und Entgelten nicht überall, denn viel zu oft greifen Politiker ein, die vom Management nichts und von der Wasserwirtschaft noch weniger verstehen. Mit Preisen wird dann Politik gemacht. Die Entgelte müssen kostendeckend sein, damit investiert werden kann. Und in den USA muss viel in die Infrastruktur investiert werden. So schätzt die American Water Works Association (AWWA) in einer Studie den Investitionsbedarf auf 1.000 Milliarden (!) US-Dollar in den kommenden 25 Jahren allein für die Instandsetzung der maroden Trinkwasseranlagen und ihre Anpassung an das Bevölkerungswachstum. Das werden die auch in den USA verschuldeteren Kommunen nicht allein schaffen. Beratungsunternehmen wie McKinsey unterstreichen daher bedeutende Rolle der privaten Investoren bei der Bewältigung der Infrastrukturprobleme (siehe Studie „Bridging-Global-Infrastructure-Gaps-Full-report-June-2016). Aber wie schon eine Studie der Universität Leipzig untersucht hatte (siehe „Private Unternehmen sind keine Wasserpreis-Treiber“), so stellt auch McKinsey in Frage, ob der Beitrag der Privaten tatsächlich zu Effizienzsteigerungen führt, die sich in geringeren Kosten niederschlagen. Die Antwort dürfte in der Übertragung des Prinzips der„Checks and Balances“ auf die Beteiligung Privater liegen, also nicht zu viel Macht und die Kommunen müssen kompetent über die Einhaltung der Verträge wachen. 

City of Bayonne und K.K.R./SUEZ – Eine Hassliebe auf Zeit?

Am besten läßt sich das Dilemma an einem Beispiel darstellen: Die Stadtoberen von Bayonne, einem 65.000 Einwohner-Ort im Schatten der Metropole Manhattan, hatten sich 2012 für einen privaten Partner entschieden, um ihren Investitionsrückstand in der Wasserversorgung und in den Abwasseranlagen abzubauen. Die auf 40 Jahre angelegte Konzession ging an den Private Equity Investor K.K.R. und den französischen Utility-Konzern SUEZ. Ein 220 Seiten-Vertragswerk regelt u.a. in welchen Bereichen die Investitionen getätigt werden sollten, wie die Tarife steigen dürfen und wer die Kontrolle ausübt. Anders als bei manch anderer Privatisierung wurden die Verträge auch öffentlich gemacht (und können hier eingesehen werden). Trotzdem waren Überraschungen und Ärger groß, als in den ersten vier Jahren die Wassertarife um 28 Prozent anstiegen – obwohl Tarifstabilität vereinbart worden war. SUEZ konterte prompt: Bayonne sei im Wasser- und Abwasserbereich chronisch unterinvestiert gewesen. Eigentlich hätten die Tarife auch in der Trägerschaft der Kommune steigen müssen, diesen Schwarzen Peter haben die Verantwortlichen aber den Privaten überlassen. Mit Verweis auf die Nachbarkommunen und deren deutlich geringeren Tarifen wurden die privaten Partner an den Pranger gestellt. Der Vergleich hinke, bestätigen Ökonomen wie Daniel Van Abs von der Rutger University: „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, viele unterschiedliche Faktoren beeinflussen die Tarife. Dazu zählen die Systeme selbst, die Einwohnerzahl, das Wasserdargebot und der Zustand der Infrastruktur sowie der Investitionsrückstand.“ Das kennen wir doch auch in Deutschland.

Was stand auf der Habenseite der Stadt? 150 Millionen Dollar erhielt sie von den Investoren für das marode System, mit denen die Schuldenlöcher gestopft werden konnten. Weitere 157 Millionen werden in den nächsten 40 Jahren in die Löcher der Infrastruktur investiert. K.K.R. und Suez verbesserten zudem die Versorgungssicherheit, so wurden defekte Hydranten ersetzt, alte Zähler wurden gegen intelligente ausgetauscht, die nebenbei Leckagen anzeigten. Der Umsatz ging zurück. Die Renditeerwartungen blieben unerreicht. Die Preise stiegen, so war es in den Verträgen vereinbart, aber das hatte man den Bürgern vorher nicht erklärt.

Statt der Verwaltung die Kontrolle über die Einhaltung der Vereinbarungen und deren Durchsetzung zu überlassen, riß der Stadtrat die Aufgabe an sich. Der neu gewählte Bürgermeister befreite sich von Zusagen seines Vorgängers, der den Deal eingefädelt hatte. Es gibt viele Beispiele, in denen mit politischer Einflussnahme bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Kontrolle des privaten Partners das Dilemma erst so richtig begann. So auch in Bayonne. Für die Politiker waren niedrige Entgelte wichtiger als nachhaltig ausgerichtete Investitionen. Der Freudentaumel über die Schuldentilgung war schnell verflogen und den Bürgern wurde offensichtlich nicht erklärt, dass der Tausch von Fremd- gegen Eigenkapital nicht zu geringeren Tarifen führen konnte, wenn zugleich investiert wird. Private Investoren lassen sich nicht von Edelmut, sondern von Renditeerwartungen leiten. Von vielen US-Medien wird Bayonne mittlerweile als Musterfall für das Scheitern von öffentlich-private Partnerschaften angeführt (siehe unten). Wie dünn die Bande zwischen Stadt und Dienstleister mittlerweile zu sein scheinen, zeigt womöglich auch die Online-Verbindung. Wer von der Website der Kommune zum Wasserdienstleister gelangen will, um die Wassertarife zu erfahren, der landet auf der Website von United Water/Bayonne (Stand 28.12.2016). So hieß der Partner SUEZ USA bis Anfang 2015 … man scheint sich schon auseinander gelebt zu haben.

Wie wollen die US-Kommunen den Investitionsstau lösen, wenn keiner bezahlt?

Viele Kommunen in den USA stehen demnächst vor ähnlichen Entscheidungen und brauchen dringend Mittel für die Investitionen. Die Privaten Investoren stehen bereits in den Startlöchern. Nicht immer sind Private Equity Investoren wie K.K.R. nötig. Einige Versorger, wie der größte private US-Wasserversorger American Water Works (AWK), eine frühere RWE-/Thames Water-Tochter, bieten ihre Partnerschaft an. Dabei ist AWK eigentlich ein kleiner Mitspieler, versorgt das börsennotierte Unternehmen doch mal gerade 15 Millionen Menschen, das sind 2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Kleinteiligkeit ist typisch für US-Wasserwirtschaft – und eine Analogie zum deutschen Wassersektor. Während aber hier Stadtwerke die Wasser-Leistungen mit Strom und Gas bündeln können, um Querverbundsynergien zu nutzen, gilt mit dem Public Utility Company Holding Act (PUHCA) in den USA seit 1935 ein Gesetz, das die Bildung von Stadtwerken unterbindet und Synergieeffekte unzugänglich macht. Also ein weiterer Unterschied zwischen hier und dort. Aber, etwas zum Nachdenken schreibt Steven Cohen vom Columbia University’s Earth Institute in seinem Beitrag „Paying for Infrastructure“ in der Huffington Post: „The underlying problem with water, electrical, waste, sewage and transportation infrastructure is that everyone wants the benefits and no one wants to pay the price.“ – Spitz übersetzt: Alle wollen Wasser, Strom und andere Infrastrukturen, aber keiner will bezahlen“. Vielleicht doch nicht so unterschiedlich …?

Weitere Quellen:

  • „In American Towns, Private Profits From Public Works“ in New York Times (Dec. 24, 2016)
  • „KKR Seeks Buyer for Water Ventures, Testing Appetite for Trump-Style Infrastructure Deals“ in  Wall Street Journal (Dec. 22, 2016)
  • Paying for Infrastructure, Steven Cohen – Huffington Post ((Dec. 28, 2016))
  • K.K.R. Bayonne PPP (hier)
  • K.K.R. Investoren Info (hier)

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