Um Preisexplosionen zu verhindern, möchte Wasserwirtschaft am Sondervermögen beteiligt werden

Könnten wir uns überalterte Wassernetze leisten? Im Prinzip schon, es wäre nur unverantwortlich. Bei den Wassersystemen gibt es beträchtlichen Investitionsbedarf. Daher sollten sich die Verbraucher und Unternehmen auf steigende Wasserpreise einstellen. Dies ist der Kern der Botschaft, mit der eine Studie des Verbands der Kommunalen Unternehmen VKU für Aufmerksamkeit sorgen dürfte. Der Zeitpunkt kommt womöglich nicht überraschend, denn die Koalitionäre-in-spe verhandeln über ein Sondervermögen für Infrastruktur. Das ist die Wasserwirtschaft bekanntlich auch, eine kritische noch dazu.

In den nächsten 20 Jahren muss die kommunale Wasserwirtschaft in Deutschland 800 Milliarden Euro investieren, um die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in der gewohnten Qualität und Sicherheit am Laufen zu halten. Das geht aus einer Studie von BBH – Becker Büttner Held im Auftrag des VKU hervor. Die Studie befasst sich sehr eingehend mit ökonomisch-technischen Berechnungen und bezieht bei der Abschätzung der Investitionsbedarfe Befragungsergebnisse von knapp 100 Mitgliedsunternehmen ein.

Aus diesen Berechnungen ergeben sich nicht nur Investitionsbedarfe in Folge des Klimawandels und technischer Innovationen, sondern auch aufgrund von Investitionsstaus der Vergangenheit. Theoretisch bestehe daher in den kommenden 20 Jahren von 2025 bis 2044 ein Investitionsbedarf von 10.000 Euro je Einwohner, ermittelte BBH. Wollte man die Erneuerung und Modernisierung des Netzes ausschließlich über die Entgelte für Wasser und Abwasser finanzieren, würden sich Preise und Gebühren nach Angaben des VKU im Schnitt verdoppeln. VKU-Vizepräsident Karsten Specht forderte daher in einem Artikel der F.A.Z. staatliche Fördermittel aus dem geplanten Sondervermögen. Andernfalls würden die Kosten für Wasser und Abwasser die Belastbarkeitsgrenze der Kunden überschreiten.

Gegenwärtig zahlen die Bürger für Wasser im Bundesdurchschnitt rund 11 Euro je Kopf im Monat. Mit 12 Euro sind es für Abwasser etwas mehr. Die unvermeidbaren regionalen Unterschiede bei den Wasserpreisen machten es vielen Unternehmen schwer, in den Gremien die erforderliche Zustimmung oder das Verständnis für Preiserhöhungen zu erhalten, wie wir in unserer Beratungspraxis bei Wasserpreisanpassungen immer wieder feststellen. Denn eigentlich sind Wasserpreisanpassungen zumutbar. Denn sie sind begründbar und die Kunden akzeptieren sie, wenn offen und transparent kommuniziert wird. Eine Verdopplung der Preise in 20 Jahren würde deutlich über die bisherigen Entwicklungen hinaus gehen.

Seit mehr als 15 Jahren analysiere ich die Wasserentgelte in NRW. Demzufolge sind die Wasserpreise in 30 Großstädten für Haushalte in Dreifamilienhäusern von 2010 bis 2025 um 38 Prozent gestiegen. Bei Abwasser ist es den Berechnungen des Bundes der Steuerzahler NRW ungleich mehr. Es gibt zwar noch Luft nach oben bei den Wasserpreisen und Abwassergebühren, erst recht wenn man ins benachbarte Ausland schaut, aber eine Verdopplung wäre dann doch für so manchen Kommunalpolitiker zu viel. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass sich die Steigerungen auf 20 Jahre verteilen. Dann kann man schon mal über die nächste Kommunalwahl hinaus schieben. Damit also die Wasserversorgungsnetze leistungsfähig bleiben können, sollte der Staat die kritische Infrastruktur Wasser an dem für Investitionen vorgesehenen Sondervermögen in angemessener Form beteiligen. In den USA hatte das unter Präsident Biden mit dem Bipartisan Infrastructure Law mehr als 50 Milliarden US-Dollar als Co-Finanzierung zur Verfügung gestellt, um die Wasserversorgungs-, Abwasserentsorgungs- und Hochwasserinfrastruktur zu modernisieren. Damit konnten viele kommunale Infrastrukturen modernisiert und an die wachsenden Herausforderungen angepasst werden. Als Begründung hieß es „The nation has underinvested in water infrastructure for too long. Insufficient water infrastructure threatens America’s security, and it risks people’s health, jobs, peace of mind, and future prosperity.“ So ähnlich könnte die Begründung auch hierzulande klingen.

Aber Vorsicht ist geboten. Wer in der Vergangenheit seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und mit dem Blick auf regionale Wasserpreisvergleiche oder aus anderen Motiven die eigenen Anlagen „auf Kante“ gefahren hat, der sollte nicht jetzt auch noch durch die Bezuschussung mit öffentlichen Mitteln belohnt werden. Auch sollten nicht die zuvorderst zum Zuge kommen, die am lautesten klagen oder am dichtesten an den Stellschrauben der Politik sitzen. Die Verbände, VKU und BDEW, sollten daher aufgerufen werden, für den Fall der Fälle geeignete Instrumentarien entwickeln, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Mittel dürfen nicht mit dem Füllhorn ausgeschüttet werden. Leistungs- und Effizienzvergleiche wie die Landesbenchmarkingprojekte könnten sich dafür besonders eignen.

Ungeachtet des Ausgangs des Werbens um öffentliche Töpfe des Sondervermögens werden die Ver- und Entsorger nicht umhinkommen, ihre Entgeltkalkulationen zu überprüfen oder sie ggf. zu erstellen. Denn wenn es losgehen sollte, darf der Prozess nicht von jenen aufgehalten werden, die ihre Entgelte mit „Zielwertsuche”, im politischen Diskurs oder mittels Schätzungen bestimmen und wenn’s drauf ankommt, keine soliden Zahlen vorlegen können.

Ich bin gespannt, wie diese Diskussion weitergehen wird. Heute und morgen kommen ja auf den VKU-Verbandstagen die Experten zusammen. Für Gesprächsstoff ist gesorgt.

Quellen

Beitragsfoto: Image by Farooq Sharif from Pixabay

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