Trinkwasser ist beliebt, trotzdem der „Wert des Wassers“ zu wenig bekannt

Leitungswasser ist gegenwärtig in aller Munde. Nicht nur sprichwörtlich. Plastikvermeidung und Klimaschutz haben das Trinkwasser aus der Leitung ökologisch beflügelt. Zum Leidwesen der Mineralwasserbranche greifen Jung und Alt vermehrt zur umweltfreundlicheren Erfrischung. Aromakapseln an der Trinkflasche und Tischsprudler setzen ein ungeahnten Hype in Gang. Längst wird die „Wasserwende“ beschworen. Vorbei die Zeiten, wo Partygäste mit exklusiven Flaschenwasser aus Übersee oder mit Kristallen auf dem Glas für Aufsehen sorgten, Smalltalkthemen sind Refill, die neusten Trinkflaschen und der CO2-Fussabdruck des Wassers. Ist das die selektive Wahrnehmung eines Wasserexperten oder ändert sich da gerade etwas? Wie steht es um das Image von Wasser? Diese und viele anderen Fragen beantwortet seit Jahren das Marktforschungsinstitut IESK mit der vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) unterstützten Langzeitstudie „Qualität und Image von Trinkwasser in Deutschland”, kurz „TWIS“.

Die Begeisterung drückt sich auch in Zahlen aus

Auch die Marktforscher stützen mit ihren Ergebnissen die in den Straßen wahrnehmbare „Lust auf Wasser“. Fast 92 Prozent der Befragten geben an, Wasser aus dem Wasserhahn zu trinken. Mehr als zwei Drittel tun das ein- bis mehrmals täglich, über 83 Prozent trinken Leitungswasser zumindest ab und zu. Dabei bewerten sie die Qualität des Trinkwassers als „sehr gut“ bis „gut“ (84 Prozent). Über 90 Prozent schätzen es als „sauber und rein“ ein und geben an, es ohne Bedenken zu trinken. Auch die Wasserlieferanten, die Versorger von denen das Wasser aus zumeist lokalen Quellen stammt, werden gelobt. Knapp drei von vier Befragten geben für Service und Servicequalität der Wasserversorger die Noten „sehr gut“ oder „gut“. Über 86 Prozent sind mindestens zufrieden mit der Leistung ihres heimischen Wasserversorgers.

Fast 92 Prozent der Befragten geben an, Wasser aus der Leitung zu trinken. (Q: IES/vku)

Die Wasserqualität wird als zunehmend wichtiger eingeschätzt

Die „Jahrhundertsommer“ 2018 und 2019 haben Wasser neben Klimawandel und Brexit zum führenden Medienthema gemacht. Vergleiche von Leitungswasser und Mineralwasser durch die Stiftung Warentest und Ökotest haben die Diskussion um das Thema „Trinkwasser“ auch in den sozialen Medien viral beflügelt. Aber trotz der vielen positiven Signale gibt es auch Nachdenkliches: Nitrat in Deutschland, Mikroplastik und Glyphosat. Zwischen dem Eintrag in die Umwelt und der Entnahme aus dem Wasserhahn stehen zwar noch leistungsstarke Kläranlagen und hochmoderne Wasserwerke. Über all das wacht eine Qualitätssicherung, die manch ein Lebensmittel aus den Regalen fegen würde. Aber dennoch, die Verbraucher sind verunsichert. Je stärker Wasser in den Medien präsent ist, desto häufiger findet man kritische Hinweise. Das findet seinen Niederschlag. Verbraucher machen sich Sorgen um Qualität und Versorgungssicherheit. Fast 60 Prozent der Befragten äußern diese Besorgnis. „Dennoch bleibt die Wertschätzung im Hinblick auf Qualität, Service, Preis sowie im Hinblick auf die Leistungen der Wasserversorger insgesamt auf einem hohen Niveau“, fasst der Bericht zusammen.

Fast 60% befürchten. dass sich die Qualität verschlechtern könnte (Q.: IESK/vku)

Das Preiswissen ist schwach

Es gibt viel Unwissenheit, wenn es um Kosten und Preise des Wassers geht. Das erlebe auch ich immer wieder in Diskussionen mit Passanten oder im Freundeskreis: Auf die Frage, wieviel das Wasser aus der Leitung koste, vernimmt eine nicht selten deutliche Überschätzung. Vermutlich hängt das mit den Kosten für Flaschenwasser zusammen. Diese Mineralwässer sind auf den Liter bezogen ja tatsächlich um das Hundert- bis Tausendfache teurer. 40 % der Befragten wissen nicht, was sie für Wasser bezahlen. Wenn auf die Frage nach den Gründen mehr als jede dritte Antwort mit der Verständlichkeit der Wasserrechnung des Versorgers oder mit der Nebenkostenabrechnung des Vermieters zu tun hat, dann läuft etwas schief. Versorgern müsste doch daran gelegen sein, dass Kunden sich für die Wasserechnung interessieren. Sie sollten alles daran setzen, dass der Kunde versteht, wie toll die Leistung und wie günstig der Preis ist. Und trotzdem erlebe ich in meiner Beratungspraxis immer wieder, dass es bei der Gestaltung und den Inhalten der Wasserrechnung nicht um die Lesbarkeit für die unbedarften Kunden, sondern um die Anzahl der Seiten, um Druckkosten und Porto zu sparen, und die Programmierkosten des Abrechnungsprogramms geht. Transparenz ist machbar, man muss es nur wollen.

Trotz guter Werte gibt es Kommunikationsbedarf bei der Leistungswahrnehmung

Auch bei der Leistung gibt es Defizite – in der Wahrnehmung. Wasser wird zu sehr als Selbstverständlichkeit hingenommen. Die Wertschätzung dessen, was aus dem Hahn kommt, ist hoch. „Wasser“ ist positiv belegt. Leider geht es zu selten um die Dienstleistung, das heißt Gewässerschutz, Wasserwerke, Leitungsnetze und Sicherungssysteme. Trotz Wasserwerksführungen und Erklärvideos auf YouTube kommt die Leistung nicht richtig an. Nur so erklärt sich, dass das Preis-Leistungsverhältnis „nur“ von knapp 46 % der Befragten als „sehr gut“ oder „gut“ bezeichnet wird. Fast 85 % der befragten Verbraucher halten dieses Verhältnis für mindestens angemessen. Vergleicht man Leistung und Preise mit denen der Flaschenwasseranbieter, müssten doch ganz andere Werte folgen.

Vielleicht hilft ja der Klimawandel und eine wiederkehrende Dürre. Ein Blick auf die Befragungsergebnisse der vergangenen Jahre zeigt, dass nicht nur im Spätsommer die Stimmung besonders gut ist, sondern auch, dass die positive Beurteilung des Preis-/Leistungsverhältnisses schon im zu Sommerbeginn neue Höchstwerte erreicht hatte (siehe Abbildung unten). Also je knapper das Wasser, desto höher die Wertschätzung. Zudem wird gerade in den Hitzetagen deutlich, wie gut unsere Wasserversorgung funktioniert.

Alles gut?

Die Studienergebnisse erzeugen freudige Gesichter in der Wasserwirtschaft und bei Umweltschützern. Sie sollten aber auch zum Nachdenken und zum Handeln Anlass geben. Das Vertrauen der Konsumenten ist fragil, die Bedrohung der Wasserqualität real. Die Wasserbranche hatte bisher nicht die Homogenität und Geschlossenheit, den Versprechen der Wettbewerber aus der Flaschenwasserbranche etwas entgegen zu setzen. Eine mögliche Grundwasserverunreinigung im Norden wird von den Medien aufgegriffen und führt bundesweit zur Sorge um die Qualität des Trinkwassers. Zudem ist die Kommunikation für den Schutz der natürlichen Gewässer eine Gratwanderung. Will man aufklären, muss man die Bedrohung aufzeigen. Aber nur so stark, dass es nicht in Angst umkippt. Darauf warten nur einige Filteranbieter und Flaschenwasserabfüller. Und dennoch: Die Anstrengungen zum Schutz der natürlichen Gewässer müssen verstärkt werden. Wenn alle wieder zur Flasche greifen, fangen wir nach Jahren wieder beim Nullpunkt an.

Die positive Wahrnehmung der Preise und Leistungen ist eine tolle Sache. Gerade für mich, der hier seinen Beratungsschwerpunkt hat, zeigt sich, dass die Anstrengungen um mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit fruchten. Und dennoch: wenn die Wasserpreise nicht bekannt sind, gibt es noch viel zu tun. Es geht nicht allein um Kosten, es geht auch um „Wertschätzung“, der „Wert des Wassers und der Infrastruktur“ muss von den Bürgern wahrgenommen werden. Dann sind sie auch bereit, jene Wasserpreis- und -gebührenanstiege zu akzeptieren, die angesichts steigender Kosten unvermeidbar sind. Versorgungssicherheit und Trinkwasserqualität sind viel wert. „Geiz-ist-geil-Mentalität“ ist in der Wasserversorgung fehl am Platze und Versorgungssicherheit gibt es nicht zum Nulltarif.

Quellen:

Die TWIS-Langzeitstudie wird seit 2007 durch I.E.S.K – Institut für empirische Sozial- und Kommunikationsforschung durchgeführt und durch den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gefördert. Im Erhebungszeitraum 2018/19 nahmen über 9.800 Probanden an einer standardisierten Onlinebefragung teil.

  • I.E.S.K. Institut für empirische Sozial- und Kommunikationsforschung, Düsseldorf
  • VKU Verband Kommunaler Unternehmen

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