Könnte Nebel eine Wasserquelle für durstige Städte sein?

Wenn Städte wachsen, steigt auch ihre Nachfrage nach Wasser. Diese übertrifft oft die Kapazität traditioneller Quellen. Viele schnell wachsende städtische Gebiete in trockenen Regionen haben Schwierigkeiten, ihre Bewohner mit ausreichend sauberem Wasser zu versorgen. Die Lösung könnte in der Gewinnung von Wasser aus Nebel liegen, nicht nur für den ländlichen Raum. Eine Studie aus Chile beschreibt Herausforderungen und Lösungen, die Wassergewinnung aus Nebel auch in anderen städtischen Regionen ermöglichen können.

Chiles Atacama-Wüste leidet unter Wassermangel und industrieller Übernutzung

In Chile kommt die Wasserwirtschaft, die noch um die Jahrtausendwende sich mit der Privatisierung auf den Weg in eine sichere Zukunft wähnte, aus der Dauerkrise nicht mehr heraus. Die Probleme der Übernutzung der Ressourcen werden durch eine Megadürre und zunehmende Urbanisierung verschärft. Noch härter als die Städte trifft es den ländlichen Raum in der chilenischen Wüste. Dort beanspruchen die Bergbau-Aktivitäten in der Antofagasta- und Atacama-Region für die Gewinnung von Lithium und Kupfer für die globale Energiewende den weitaus größten Anteil des Wassers.

Wüsten-Grundwasserwerk Aguas del Altiplano (Q: Aguas del Altiplano)

In Alto Hospicio in der nordchilenischen Atacama-Wüste stammt die Haupttrinkwasserquelle aus unterirdischen Aquiferen, die zuletzt vor etwa 10.000 Jahren aufgefüllt wurden. Mit jedem Kubikmeter sinken die fossilen Vorräte. Hilfe könnte aus der Luft kommen. Dabei handelt es sich um atmosphärisches Wasser, in Form von Nebel, der in diesem Gebiet häufig auftritt. Er bietet eine Alternative zu konventionellen Wasserquellen. Allerdings ist sein Potenzial in großen städtischen Gebieten noch unerforscht.

Multinationale Studie untersucht Potenziale von Nebelkollektoren für die Wassergewinnung

Cloudfishing und Fogcollection sind zwei Begriffe, unter denen man die Wassergewinnung aus Nebel in der Literatur und in der Forschung wiederfindet. Im Rahmen einer Studie untersuchte ein chilenisch-belgisches Forscherteam u.a. der Universidad Mayor, Santiago, Chile, in einem 100 Quadratkilometer großen Gebiet um Alto Hospicio, eine in der Atacama-Küsten-Wüste gelegene 130.000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Bergbau-Minen, das Wassergewinnungspotenzial von Nebel.

Die Forschenden fanden heraus, dass die Nebelkollektoren zwischen 0,2 und 5 Liter Wasser pro Quadratmeter und Tag liefern können. In Spitzenzeiten, insbesondere im August und September 2024, erreichte die Nebel-Ernte 10 Liter pro Quadratmeter und Tag. Die vollständigen Ergebnisse der Studie sind in der Zeitschrift Frontiers in Environmental Science veröffentlicht.

Standard Nebelkollektoren (SFC) in Alto Hospicio (Chile)

Wassergewinnung aus Nebel braucht besondere Bedingungen

Wie kommt es zu der Nebelbildung in der Atacama-Wüste? Warme Luftmassen über dem kalten Ozean bilden niedrige und ausgedehnte Stratocumuluswolken, die durch den Wind aus dem Osten in Richtung Kontinent getragen werden, was zu advektivem Nebel führt, der das Küstengebirge in Höhen von 500 bis 1.300 m ü. NN berührt. Diese niederschlagsfreie Ressource ist für die biologische Vielfalt von wesentlicher Bedeutung. Bis zu 10 km landeinwärts finden sich konzentrierte vegetierte Inseln mit endemischer Flora, die in Chile „Nebeloasen“ genannt werden. Sie dienen als hervorragender Indikator für das Vorhandensein von Nebel.

Grundprinzip der Wassergewinnung aus Nebel
Image Credit: Suthfeldt, R. (2016)

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Nebel das Potenzial hat, als wirksame alternative Wasserquelle für Bevölkerungsgruppen zu dienen, die keinen Zugang zu Trinkwasser aus einer öffentlichen Wasserquelle haben. Wasser aus Nebel könnte sich auch für die Bewässerung von städtischen Grünflächen und die hydroponische Landwirtschaft eignen. Die Studie beschreibt die verschiedenen Anwendungsfälle und stellt die Potenziale und die Voraussetzungen für die Wassergewinnung aus Nebel dar.

Zu den wichtigsten Empfehlungen für politische Entscheidungsträger gehören die Einbeziehung von atmosphärischem Wasser in die lokale Stadtpolitik, die Förderung weiterer Forschung zur Abschätzung des Nebelwasserpotenzials in der chilenischen Atacama-Wüste und das Überdenken von Strategien zur Wasserbewirtschaftung aus nicht-konventionellen Ressourcen.

Es besteht noch viel Forschungsbedarf

„Die mittlerweile zahlreichen Projekte zur Nebelsammlung unterstreichen die Effektivität des Verfahrens in ländlichen Gebieten und zeigen, dass es ein zuverlässiges Mittel ist und erhebliche Wassermengen liefern kann. Die globale Herausforderung der Süßwasserknappheit stellt vor allem schnell wachsende aride Städte vor sozioökonomische und ökologische Herausforderungen, in denen die Nebelsammlung noch nicht ausreichend erforscht ist.

Es sind weitere Forschungen notwendig, um das Potenzial und die Skalierbarkeit der Nebelwassergewinnung in größeren Siedlungen wie Städten (mehr als 50.000 Einwohner) oder Ortschaften (zwischen 2.000 und 5.000 Einwohner) zu bewerten“, schreiben die Autoren der Studie. Im Hochland von Marokko, Tansania und Bolivien sowie an der Küste Perus versorgen die mit CloudFisher der deutschen WasserStiftung Nebelkollektoren seit Jahren zahlreiche Dörfer und Schulen zuverlässig und wartungsarm mit sauberem Trinkwasser. Die Studie macht Mut, diese Erfahrungen auf größere Städte zu übertragen.

Luftverschmutzung beeinträchtigt die Wasserqualität des Nebels

Ein Problem beim Cloud Fishing ist allerdings die Luftverschmutzung, denn Schadstoffe reichern sich auch in den Nebeltropfen an. In vielen städtischen Gebieten zumal in Metropolregionen ist die Luft so stark verschmutzt, demzufolge wäre dort aus dem Nebel gewonnenes Wasser nicht sauber genug, um es unbehandelt zum Trinken oder Kochen zu verwenden. Forschende am Max-Planck-Institut für Polymerforschung und an der ETH Zürich haben daher eine Methode entwickelt, die Wasser aus dem Nebel nicht nur sammelt, sondern es zugleich reinigt.

Sie verwendeten dazu ein engmaschiges Geflecht aus Metalldraht und beschichteten dieses mit einem Gemisch aus Polymeren und Titanoxid. Die Polymere sind dementsprechend so gewählt, dass sich die Wassertropfen optimal am Geflecht ablagern. Somit können sie möglichst schnell in einen Sammelbehälter abfliessen, um nicht vom Wind wieder fortgeweht zu werden. Titanoxid wirkt als chemischer Katalysator. Es spaltet viele in den Tropfen enthaltene organische Schadstoffmoleküle und macht sie somit unschädlich. Dadurch könnte die natürliche Reinigungsfunktion des Bodens ersetzt werden, um aus Nebel gewonnenes Wasser in gereinigter Qualität zu gewinnen.

Forschung und Förderungen müssen verstärkt werden

Die Wassergewinnung aus Nebel könnte mehr als nur eine Nischenlösung für den ländlichen Raum sein. In dem Maße wie die Konkurrenzen um die knapper werdenden konventionellen Ressourcen zunimmt, steigt der Bedarf an Alternativen. Viele früher unkonventionelle Ressourcen werden immer attraktiver und zuweilen auch nachhaltiger als das Bohren nach tieferen Brunnen oder den Bau zusätzlicher Staudämme. Die Meerwasserentsalzung ist aus vielen Regionen gar nicht mehr wegzudenken, das Wasserrecycling aus Abwasser wird nunmehr auch in Deutschland immer wichtiger. Dort wo die klimatischen Bedingungen passen, könnte Nebel eine weitere Ressource sein.

Daher kann den Forschenden zugestimmt werden, wenn sie empfehlen, „aus strategischer Sicht hat die Einbeziehung nichtkonventioneller Ressourcen wie der Nebelwassergewinnung in die Wasserbewirtschaftung das Potenzial, den Druck auf die übernutzten und endlichen Ressourcen zu verringern. Diese Integration könnte erreicht werden, indem Anreize für Investitionen in Infrastrukturen zur Nebelsammlung geschaffen, finanzielle Unterstützung für Pilotprojekte angeboten und Richtlinien für Nebelsysteme aufgestellt werden. Dazu könnten Normen für deren Gestaltung und Wartung gehören. Darüber hinaus sind Sensibilisierungskampagnen von entscheidender Bedeutung, um die Vorteile der Nebelwassersammlung zu fördern. Ein gemeinschaftlicher Ansatz, an dem Forscher, Stadtplaner, wichtige Interessengruppen und Gemeinden beteiligt sind, könnte die Akzeptanz des Systems und seine Ausrichtung auf umfassendere Nachhaltigkeitsziele sicherstellen“.

Quellen / Weiterführendes

Beitragsfoto: Dank an Ralf Siebeck / Pixabay

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