Die Bedeutung von Wasser ist im Mittleren Osten von besonderer Brisanz. Auch wenn die „Tage des Zorns“ als Folge der „Trump’schen Lösung für Jerusalem“ beendet sein werden, müssen sich Israel und seine arabischen Nachbarstaaten durch den schwelenden Konflikt um knapper Ressourcen manövrieren. Schon seit Jahrzehnten drohen der Wasserdurst Israels und in den Palästinensergebieten das Fass zum Überlaufen zu bringen. Eher als Öl, verdient Wasser im Mittleren Osten die Bezeichnung „Flüssiges Gold“. Das Erschliessen neuer Ressourcen könnte daher zu einer Entspannung beitragen und der drohenden Überhitzung entgegen wirken. Die Lösung kommt aus dem Ozean: Die Meerwassentsalzung macht die jüdische Nation zunehmend unabhängiger von den natürlichen Ressourcen. Auch wenn 60 Prozent der Fläche Wüste ist, konnte in Israel in den vergangenen 50 Jahren die Wüstenfläche mit Hilfe der Kultivierung und des Wassermanagements verringert werden; während sie in allen anderen Weltregionen wuchs.
Das Wasserproblem ist für Israel von existenzieller Bedeutung
Milch und Honig flossen allenfalls in biblischen Zeiten. Schon seit vieren Jahren herrscht Regenarmut. Der anstehende Winter soll wieder trocken werden. Vor wenigen Tagen hat der israelische Agrarminister Uri Ariel die Gläubigen aufgerufen, an der Klagemauer für Regen zu beten.
Die Wassernachfrage wird weiter steigen. Das Bevölkerungswachstum hält an. Rund 8,7 Millionen Menschen wohnen in Israel, 1948 waren es 800.000. Ein Viertel der Gesamtbevölkerung sind Palästinenser. Mit 3,1 Kindern je Frau ist die Geburtenrate sehr hoch, die Zuwanderung hält an. Damit steigt der Bedarf an Wasser und an Lebensraum. Letzteren bietet allein die Wüste. Deshalb werden dort immer mehr israelische Siedlungen gebaut. Die Palästinenser fühlen sich nicht nur verdrängt, sondern weil ihnen das Wasser genommen wird, auch benachteiligt. Sie müssten Wassersparen, während die Aquifere in ihren Gebieten von den Siedlern genutzt würden, lauten ihr Vorwürfe. Die siegreichen Israelis untersagten in den Palästinensergebieten mit sog. „Military Orders“ aus 1967 bis 1969 jegliche ungenehmigte Wassernutzung, d.h. auch des Grundwassers. Diese Art der Wasserverteilung kritisiert der Hydrogeologe Clemens Messerschmid in seinen Vorträgen und Interviews. Er fordert mehr Rechte und Wasser für die Palästinenser. Aus israelischer Sicht ist dieses Vorgehen ein Teil des Wassermanagements, denn sämtliche Wasserrechte unterliegen unabhängig vom Besitz des darüber liegenden Grund und Bodens der staatlichen Kontrolle und Verfügungsgewalt. Nur so ließen sich knappe Ressourcen zielgerichtet und nachhaltig nutzen, rechtfertigt der Wasserexperte Seth M. Siegeln (s.u.) das Vorgehen. Dem wird entgegen gehalten, dass die Versorgungsinfrastruktur in den Gebieten unzureichend ist, zudem könnten die israelische Haushalte 216 Liter verbrauchen, während die Palästinenser mit deutlich weniger auskommen müssten.
Entsalzung des Meerwassers ist Israels Ausweg aus dem Wasser-Dilemma
Das Wasserproblem ist existenziell für Israel. Staatsgründer David Ben-Gurion hatte vor 70 Jahren an den Pioniergeist der Juden appelliert – als Siedler und als Erfinder. In beidem sind die Israelis nach ihren Maßstäben erfolgreich. In den 60er Jahren war es die Unterstützung der US-Amerikaner in Person des Präsidenten L. B. Johnson, der dem israelischen Traum nach Wasser durch Meerwasserentsalzung seine Unterstützung gab. In einer Ansprache am 1. Juni 1964 anlässlich des Besuches des damaligen israelischen Premierministers Eshkol in Washington, erklärte Präsident Johnson: “Mr. Prime Minister, you told me only this morning that water was blood for Israel. So we shall make a joint attack on Israel’s water shortage through the highly promising technique of desalting. Indeed, let us hope that this technique will bring benefit to all of the peoples of the parched Middle East.” Damit erklärte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika den Israelis seine Kooperationsbereitschaft bei der Entwicklung des Entsalzungstechnologie (und stellte später finanzielle Mittel zur Verfügung), verband dies aber mit der Hoffnung, dass dies allen Menschen im Mittleren Osten zugute komme. [Hier geht es zum historischen Originaldokument.]
Israel hat sich sehr früh auf Entsalzung ausgerichtet und baut diesen Weg konsequent aus. Seth M. Siegeln stellt die Wassergewinnung in den Kontext der zionistischen Ziele: „Success in desalination would produce important benefits for Israel in helping to fulfill the Zionist goal of building a secure, self-sufficient economy and society that would be a magnet for Jews worldwide“
Israel hat in den 1960er Jahren seine erste Entsalzungsanlage in Eilat gebaut. Von den zwölf größten Anlagen, die weltweit in Betrieb sind, stehen allein fünf in Israel. Sie sind zudem die Effizientesten (siehe Grafik unten). Darauf läßt sich aufbauen. Der staatliche Wasserplan für das Jahr 2020 sieht daher vor, dass Trinkwasser maßgeblich aus dem Meer kommen wird. Dadurch wird der Staat unabhängiger von den übernutzten Grundwasserressourcen und robuster gegen den Klimawandel. Zudem wird das Abwasser aufbereitet und in der Agrar-Bewässerung eingesetzt. Heute werden 60 Prozent des israelischen Trinkwasserbedarfs durch die Entsalzung gedeckt. Jährlich über 600 Millionen Kubikmeter Trinkwasser hauptsächlich für die Bedarfsdeckung der Haushalte (rd. 90 Prozent erhalten sie aus dem Meer) stammen jetzt schon aus den Entsalzungsanlagen. Angesichts der drohenden Winterdürre hat die Regierung Mitte November die Bezugsmenge für 2018 um weitere 67 Millionen Kubikmeter erhöht, berichtet das israelische Fachportal Globes. Der staatliche Wasserplan aus dem Jahr 2012 projizierte für 2020 eine Entsalzungskapazität von 750 Millionen Kubikmetern. Bis 2050 soll diese Menge noch einmal verdoppelt werden. Auch die Anreicherung von Wasserressourcen wird durch die Meerwasserentsalzung gedeckt. Kurz vor Weihnachten berichtete Jerusalem Post über die Anreicherung des wegen sinkenden Wasserstands versalzenden See Galiläas mit entsalzenem Wasser.
Was geleistet werden kann, zeigt ein Besuch in der größten Meerwasserentsalzungsanlage der Welt
Im September 2017 bot sich am Rande der WATEC-Israel in Tel Aviv, einer alle zwei Jahre stattfindenden Leistungsschau der israelischen Wassertechnologie, die Gelegenheit, die Meerwasserentsalzungsanlage Sorek zu besichtigen. Die mit einer Gesamtkapazität von 624.000 Kubikmetern pro Tag, größte Umkehrosmose-Anlage der Welt, liegt 15 Kilometer südlich von Tel Aviv.
Die Anlage, die eher an einen Chemiepark, denn an ein Wasserwerk erinnert, erhält das Salzwasser aus einer 2,4 Kilometer entfernten Entnahmestelle in 20 Metern Meerestiefe. Um dem Wasser das Meersalz zu entziehen, wird die Umkehrosmose-Technologie angewandt (siehe Info-Box). Dabei wird in einem 24/7-Dauerbetrieb das Salz mit 70 Bar Druck in über 16.000 Membranen vom Wasser getrennt. Bei dem Prozess gegen nicht nur das unerwünschte Salz, sondern auch alle Mineralien verloren. Diese werden anschließend wieder zugesetzt, um es trinkbar zu machen. Die salzhaltigen Reststoffe, die sog. Brine, die nahezu 50 % der Gesamtmenge ausmachen, werden wieder zurück ins Meer gepumpt. Umweltschützer sehen dies sehr kritisch.
Der israelische Staat als Abnehmer zahlt 0,68 US-Dollar für den Kubikmeter Trinkwasser. Er trage auch das Auslastungsrisiko, erklärt Nir Weismann vom Betreiber der Anlage, dem privaten Unternehmen IDE, einem israelisch-chinesischen Joint-Venture. Im Rahmen einer sog. „take-or-pay“-Vereinbarung müsste auch dann gezahlt werden, wenn vom staatlichen Wasserversorger Mekorot bzw. den Kommunen weniger Wasser abgenommen wird. Preisveränderungen ergeben sich nur durch Inflation und Energiekosten. „Energie“ ist im Zusammenhang mit Meerwasserentsalzung ein wichtiges Stichwort. Denn der Druck benötigt viel Energie. In Sorek sind es 3,4 KWh je Kubikmeter Wasser, wovon etwa 30 Prozent für den Transport benötigt werden. Die erforderliche Energie wird mit Hilfe von Erdgas gewonnen. Regenerative Energien seien für den uneingeschränkten Dauerbetrieb noch nicht leistungsfähig genug, hört man auf entsprechendes Nachfragen.
Israelis sind neben den Australiern weltweit führend bei der Bewältigung von Wasserproblemen. Meerwasserentsalzung, Tröpfchenbewässerung, Wasserproblemen. Meerwasserentsalzung, Tröpfchenbewässerung, satelliten-gestützte Lackageerkennung und Kreislaufnutzung der Abwässer, um nur einige zu nennen, schaffen nicht nur Unabhängigkeit und Wassersicherheit, sondern auch Exportchancen. Was früher die Jaffa-Orangen waren, sind heute die Wassertechnologien. Und hier stellt sich eine brisante Frage: Könnte das Meerwasserentsalzungs-Know-how der Israelis nicht auch zur Entspannung der Wasserknappheit bei den arabischen Nachbarn und in den Palästinenser-Gebieten beitragen?
Kann Meerwasserentsalzung zur Entspannung im Mittleren Osten beitragen?
Mit dieser Frage hat sich die Konrad Adenauer Stiftung und das Institut EcoPeace in einem Forschungsprojekt auseinander gesetzt. „Wie kann der Wasser-Energie-Nexus dazu beitragen, die regionalen Wasserprobleme zu überwinden“, lautete die Herausforderung. Am Ende stand ein Lösungsvorschlag, der einfach formuliert lautet: Solar-Energie aus Jordanien oder dem Gaza-Streifen könnte israelischen Meerwasserentsalzungsanlagen geliefert werden, um im Gegenzug Trinkwasser zu erhalten. Auch die Küste von Gaza könnte sich künftig als Investitionsort für Entsalzungsanlagen anbieten. Jetzt wirken sie auf die Realisierung dieser Idee mit Hilfe internationaler Unterstützung hin (siehe auch dieses Video).
Am 28.11.2017 wurde das Konzept im Europäischen Parlament vorgestellt. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch eine Studie des „The Hague Institute for Global Justice“ aus 2017 unter dem Titel „Transboundary Water – Cooperation over the lower part of the Jordan River Basin“, die zu dem Fazit, „The emerging availability of new water through desalination technology, as well as improved ways of treating and reusing waste water for multiple use, creates the potential for new cooperation“, kommt.
Die Lösung scheint machbar
Auch wenn die Lösung auf den ersten Blick plausibel und machbar erscheint, es wird viele Unwägbarkeiten und machtpolitische Interessen geben, die den friedlichen Weg zum Ziel erschweren werden. Kaum ein Thema ist von derart vielen unterschiedlichen Sichtweisen und Rechtfertigungen mit historischem Quellen geprägt. Bei der Suche nach einem Verständnis für diese „Wasserfrage“ im Mittleren Osten stösst man auf Widersprüchlichkeiten und unterschiedliche Darstellungen historischer Entscheidungen. Einmal damit begonnen, wird es leicht zur Irrfahrt. Man wird die Wasserfrage in dieser Region ebenso wenig ignorieren können, wie Auseinandersetzungen und Verteilungskonflikte in anderen Hotspots auf dem Globus. Aber hier könnte eine Lösung machbar sein. Es gibt technologische Alternativen zu den ansonsten umstrittenen Grundwasserressourcen und gute Vorschläge renommierter und einflussreicher Institute. Für die Umsetzung ist aber eine Politik der Annäherung unabdingbar. Inwieweit allerdings die neue „Ausprägung der Diplomatie“ diesen Weg zu ebnen vermag, läßt sich aus der Distanz nicht beurteilen. Aber bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.
Bei der Umkehrosmose (oder auch Reverse Osmosis; kurz RO) wird das salzhaltige Meerwasser unter hohem Druck durch eine Membran gedrückt, um den natürlichen osmotischen Druck zu überwinden. Die Membrane wirkt wie ein Filter und lässt nur bestimmte Ionen und Moleküle durch. Somit erhält man durch Auftrennen des ursprünglichen Meerwassers eine hochkonzentrierte Salzflüssigkeit und ein mineralstoffarmes Wasser. Das anfallende Salz wird wieder ins Meer gepumpt oder abgelagert.
Aktuelles (nach Veröffentlichung des Beitrages)
- 8.1.2018 – „How the Sun Might Help Quench Gulf Arabs‘ Thirst“ – Bloomberg Business berichtet über die Solarenergie- Meerwasserentsalzung in den arabischen Staaten
Weiterführende Quellen:
- Seth M. Siegeln „Let There Be Water: Israel’s Solution for a Water-Starved World“ (Amazon kindle; lesenswert)
- Jerusalem Post, Israels groundbreaking water-technology exported worldwide
- Haaretz: The Secret of Israel’s Water Miracle and How It Can Help a Thirsty World
-
State of Israel – Water Authority (2012), Master Plan for the National Water Sector Main Points of the Policy Paper
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