Ir(r)land in Aufruhr – Wasserpreise lösen Bürgerproteste aus

Es sollte Irlands grosser Schritt Richtung nachhaltiger Wasserversorgung werden: die Einführung eines Wasserpreissystems. Die rund 1,35 Millionen Haushalte sollen sich erstmals an den Kosten der Wasserversorgung beteiligen. Dazu wurden sie aufgerufen, sich zu registrieren und Wasserzähler einbauen zu lassen. Jetzt formiert sich massiver Widerstand. In den vergangenen Tagen sind fast 100 000 Menschen auf die Strassen gegangen. In vielen Orten hindern aufgebrachte Bürger die Techniker von Irish Water am Einbau von Wasserzählern.

Polizeischutz beim Wasser-Zählereinbau
Polizeischutz beim Wasser-Zählereinbau

Das Ziel der irischen Regierung ist klar definiert: Statt der bisherigen 34 Regionalversorger sollte die neu geschaffene Irish Water die gesamte Wasserverwaltung im Land aus einer Hand organisieren. Mehr Effizienz und geringere Kosten sollten erreicht werden. Aber die wichtigste Aufgabe soll die Einführung eines Preissystems für Trinkwasser (und Abwasser) sein. Die Krux daran: Bisher haben die Haushalte für ihr Wasser nichts bezahlen müssen (der Industrie wurde auch schon früher Wasserkosten in Rechnung gestellt). Das somit kostenlose Versorgungssystem konnte sich der finanziell angeschlagene Staat aber nicht länger leisten. Die Infrastruktur muss erhalten werden, die dafür benötigten Investitionen von rund 1 Milliarde Euro jährlich waren durch den Staatshaushalt nicht länger gedeckt. Zudem fordert die EU kostendeckende Wasserpreise. Davon war Irland bisher weit entfernt. Da sich die Wasserpreise auch an den Verbräuchen orientieren sollen und diese bisher nicht gemessen werden konnten, wurde zudem ein landesweites Programm zum Einbau von Wasserzählern gestartet. Alle Haushalte sollen daher bis 2016 über Wasserzähler verfügen. Die Wasserkosten sollten damit für die Haushalte überschaubar bleiben, aber auch Anreize zum Sparen geben. Soweit die politische Zielsetzung.

Wasser-Zähler-Protest
Wasser-Zähler-Protest

Die irische Regierung hatte die Gebühren erst 1997 abgeschafft, nachdem die Bevölkerung in vielen Städten die Begleichung ihrer Wasserrechnungen boykottiert hatte. Daraufhin kam es allerdings zu Problemen mit Wasserverschwendung und der Sauberkeit des Leitungswassers. Der EU-Gerichtshof  (EUGH) verurteilte Irland bereits mehrmals wegen der schlechten Wasserqualität.

Bis Ende Juli waren die Iren aufgerufen, im Rahmen einer öffentlichen Online-Konsultation Anregungen und Bedenken zu äußern. Mal gerade 345 Hinweise und Fragen sind daraufhin eingegangen. Das Interesse schien nicht sonderlich groß. Auch die Medien berichteten nur sporadisch. Das änderte sich schlagartig, als jetzt der Zählereinbau begann und die Kunden daran erinnert wurden, Angaben zu den Hausanschlüssen zu machen, damit die ersten Rechnungen versendet werden können. Seit 1. Oktober ist das neue Preissystem scharf geschaltet. Trotzdem weite Irish Water schon darauf hin, dass viele Grundlagen des neuen Wasserpreis- und Abrechnungssystems noch auf Schätzungen basieren, da die Daten und Vergleichswerte fehlen.

Zunächst wurden die Trinkwasserpreise auf 2,44 Euro je Kubikmeter festgelegt. Ein Betrag in der derselben Höhe ist zudem für Abwasser zu zahlen. Ein Grund- oder Systempreis, also ein mengenunabhängiges Entgelt, gibt es nicht. Das bedeutet für irische Zweipersonen-Haushalte, die laut statistischer Erhebungen rund 87 Kubikmeter durchschnittlich im Jahr verbrauchen, zahlen für ihr Trink- und Abwasser rund 425 Euro.  Solange es noch keine Zähler gibt, soll der Verbrauch und damit die Wasserkosten geschätzt werden. Zudem gibt es noch Ermässigungen für Haushalte und weitere Ermäßigungen für Kinder, wenn sich die Haushalte an der Datenerhebung beteiligen. Tun sie es nicht, zahlen sie auf Basis von geschätzten Wassermengen und die Ermäßigung fällt weg. Personen, die wegen einer Erkrankung auf viel Wasser angewiesen sind, werden entlastet. Damit bekommen die Wasserpreise auch eine soziale Komponente.

Seit einigen Wochen stehen die Bautrupps vor den Häusern und wollen die Zähler einbauen. Ausgeführt können die Arbeiten nur mit Sicherung durch die Polizei (siehe Foto oben). Der Widerstand gegen die Wasserpreise nimmt zu. In den Internetforen bilden sich Gruppen, die sich  Tipps geben, wie Zahlungen zu umgehen, Datenangaben zu manipulieren sind. Die Facebook-Gruppe gegen die Irish Water Charges kann man hier „liken„. Auch die Protestgruppe Anonymus hat sich mit einem Video eingeschaltet und ruft zum offenen Wiederstand auf (klick hier!).

Bildschirmfoto 2014-10-18 um 22.06.51Warum, so die Logik der Iren, sollen wir für das Wasser bezahlen, das bisher kostenlos war. Die Protestwelle geht ungehemmt weiter. Sie wandert mit den Bautrupps, die die Zähler einbauen wollen. Zum 1. November ist zu einem landesweiten Protesttag gegen die „Water Charges“ ausgerufen worden. Es steht zu befürchten, dass die Welle des Widerstandes eskaliert.

Die Entwicklung in Irland wird von LebensraumWasser in den nächsten Wochen beobachtet und kommentiert. Im nächsten Beitrag werden die Unzulänglichkeiten des Wasserpreissystems und die Schwächen der Preiskommunikation analysiert und die möglichen Irrtümer aufgezeigt.  

Weitere Informationen:
Das Irische Wasserpreissystem klick hier!

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  1. 225 Liter-Wasser-Flatrate in Irland. Kehrtwende bei den Wasserpreisen. | LebensraumWasser - Der Wasser-Blog

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