Bei „Aquädukten“ denken wir doch zunächst an Bauwerke aus der Römerzeit. Jetzt hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder diese Konstruktionen als wasserwirtschaftliche Lösung für Teile von Bayern vorgeschlagen. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass in Franken das Wasser knapp und knapper wird. Vielleicht aber auch die Feststellung, dass in anderen Bundesländern die Politik sich in Folge des Klimawandels der immer drängenderen „Wasserfrage“ annimmt.
Söder erkennt die Herausforderung einer sicheren Wasserversorgung in Bayern – endlich!
Bayerische Zeitungen wie die Frankenpost zitieren den Ministerpräsidenten bei der CDU-Fraktionsklausur mit den Worten «Wasser wird für Bayern eine echte Herausforderung. Es wird zu einem existenziellen Problem.» Im Süden des Landes gebe es zu viel, im Norden zu wenig Wasser. «Franken beginnt zu verdursten», warnte er. Söder betonte deshalb: «Wir brauchen eine Art Wassernetz für Bayern, eine Art Aquäduktsystem.» Zudem brauche es Wasserspeicher vor Ort und einen schonenderen Umgang mit Grundwasser als heute. Die Experten sollen nach Willen Söders schon bis zum Frühjahr Lösungen vorlegen.
Wird der Freistaat die Fernwasserleitungen auch finanzieren?
Die vom Ministerpräsidenten adressierte Wasserknappheit in Franken ist nichts Neues. Schon seit vielen Jahren klagen Kommunen und Wasserwerke über unzureichende Regenfälle und knapper werdende Ressourcen. Auch „Nicht-Bayern“, wie ich, registrieren Wasserverluste in maroden Leitungsnetzen als Dauerthema im Freistaat. Da geht viel teures Trinkwasser verloren. Bei der Instandsetzung und dem Einhalten der sogenannten „Technischen Regelwerke“ die Daumenschrauben anzuziehen, wäre doch schon ein Teil der Lösung.
Die ungünstigen Bedingungen in Franken haben schon vor Jahrzehnten zur Gründung von Fernwasser-Zweckverbänden geführt. Diese versorgen ihre Mitgliedsstädte und Landkreise über Fernleitungen mit Wasser aus zentralen Brunnen und Talsperren. So gibt es die Fernwasserversorgung Oberfranken mit Sitz in Kronach schon seit über 50 Jahren. Weiter im Süden sitzt der Zweckverband Wasserversorgung Fränkischer Wirtschaftsraum (WFW). Er leitet über eine 101 Kilometer lange Fernleitung das Wasser aus dem Süden bis nach Nürnberg/Erlangen.
Fernwasserversorger haben immer häufiger auftretende Spitzenverbräuche zu bewältigen und sind in vielen Regionen quasi der „Notnagel“ für die Versorgungssicherheit. Bisher agierten sie eher im Hintergrund. Angesichts anhaltender Trockenheit und des Versiegens örtlicher Brunnen nehmen bei ihnen die Anfragen der bisher auf Autarkie bedachten Kommunen bundesweit zu. Losgelöst von der Verfügbarkeitsfrage wären die Anschlüsse an die Fernwasserleitungen mit erheblichen Investitionen verbunden. Diese müssten sich in steigenden Wasserentgelten niederschlagen. Und da sind wir bei einem Kern des Problems in Bayern. Lange Zeit wurden niedrige Wasserpreise von der Politik als Erfolgsmaßstab bewertet, vielerorts ist das immer noch so. Jetzt setzt die „große Politik“ neue Maßstäbe – versucht es zumindest. Der bayerische Umweltminister Glauber (Freie Wähler) hatte vor einigen Monaten „5 Euro“ als den gerechtfertigten Wasserpreis erkärt. Damit sollten die Kommunen zielgerichtet investieren können. Lange Zeit war es daraufhin still um den eloquenten Minister….
Ändert sich auch die Förderpolitik des Freistaates?
Im Mai ging es bei Glauber dann wieder ums Wasser und ums Geld. Er verkündete, dass der Freistaat „für 73 Anträge zum Bau von über 300 Kilometern Verbundleitungen Zuwendungen von mehr als 35 Millionen Euro zugesagt“ habe. „Diese Förderung wollen wir fortsetzen. Durch die Vernetzung einzelner Trinkwassersysteme miteinander kann das Grundwasser bestmöglich verteilt werden„, so der Umweltminister. Ist womöglich alles gar nicht so schlimm. Erklärte doch der Umweltminister zum Erstaunen vieler Wasserexperten: „Größere Engpässe bei öffentlichen Wasserversorgungsanlagen in Bayern gibt es derzeit nicht.“ Vielleicht liegt es ja auch der Kleinteiligkeit der bayerischen Wasserwirtschaft, dass es zu „größeren“ Engpässen gar nicht kommen kann. Söder sieht es jedenfalls anders. „Franken beginnt zu verdursten“, erklärt er auf besagter CSU-Klausur.
Obwohl ihre Bedeutung in dem Maße steigt, wie die Trockenheit zunimmt, werden Transportleitungen zu Fernwasserversorgern im Gegensatz zu Verbundleitungen vom Freistaat nicht subventioniert. Bei den „Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben“, kurz RZWas, sind sie ausdrücklich ausgenommen. Man wird sich die Frage stellen dürfen, wie finanziell klamme Kommunen und Wasserversorger im schönen Frankenland den Anschluss an die Fernwasserleitungen finanzieren sollen, wenn die Wasserpreise nicht steigen dürfen. Vielleicht wäre es deshalb ein Weg, diese Leitungen in die staatliche Förderung zu übernehmen. Wenn sich Ministerpräsident Söder (CSU) jetzt des Themas annimmt und auf einer CSU-Klausur eine Lösung vorschlägt, dann darf man erwarten, dass er auch die Finanzierung in den Griff bekommen will. Basta!
Jetzt fragt man sich, wie die Metapher der „Aquädukte“ zustande gekommen sein mag. Die bayerischen Fernwasserleitungen verlaufen unterirdisch. Das unterscheidet sie von ihren römischen Vorläufern. Aber mit Bauwerken, die unter der Erde verlaufen, können sich Politiker nicht rühmen. Vielleicht hat ihre Sichtbarkeit den Bauwerken aus der römischen Antike den Vorzug vor den modernen Fernwasserleitungen gegeben.
Quellen / Weiterführendes
- „Warum sich Bayerns Wasserkunden auf höhere Gebühren einstellen müssen“, Lebensraumwasser, 12.5.2019
- „So bereitet sich Bayerns Wasserwirtschaft auf strukturelle Veränderungen vor„, Lebensraumwasser, 1.7.2019
- Die Wasserversorgung im antiken Rom, FRONTINUS Gesellschaft e.V.
- Söder sorgt sich um Frankens Wasserversorgung, Frankenpost
- Wasser für Rom – Techniken der Wasserversorgung im Imperium Romanum, Klaus Grewe, 2005
- „Glauber: Bayerns Wasserstrategie wird fit für die Herausforderungen des Klimawandels“, Pressemitteilung vom 4.5.2020
Beitragsfoto: Benh LIEU SONG (Flickr) – Pont du Gard CC BY-SA 3.0
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