Können Wasserkonkurrenzen mit Wasserentnahmeentgelten gelöst werden?

Wasserentnahmeentgelte waren bisher etwas für Ökonomen und Spezialisten. Seitdem die Wasserengpässe zunehmen, werden sie immer häufiger als Anreizinstrumente für den sorgsamen Umgang mit Wasser ins Spiel gebracht. Das DIW hat jetzt vorgeschlagen, den Wassercent, wie es auch heißt, als eine umweltökonomische Lösung für anstehende Nutzungskonflikte entlang der Spree zu nutzen, wenn der Braunkohletagebau sich verabschiedet. Über drastisch erhöhte und harmonisierte Wasserentnahmeentgelte (WEE) soll die Wassernachfrage deutlich gesenkt und dem Dargebot angenähert werden. Damit wird eine Lösung vorgestellt, die sich auch auf andere Regionen mit Wasserknappheit übertragen ließe. (Lesezeit 6 Minuten / Beitrag # 904)

  • Ausstieg aus Braunkohletagebau reduziert Wasserdargebot der Spree
  • Geringeres Dargebot könnte Nutzungskonkurrenzen zur Folge haben
  • DIW schlägt anreizorientierte Wasserentnahmeentgelte in Berlin, Brandenburg und Sachsen vor
  • Verdreifachung der harmonisierten Wasserentnahmeentgelte soll Nachfragerückgange auslösen
  • Auswirkungen auf Wasserpreise wären unvermeidbar

Kollateralschaden oder -nutzen des Braunkohleausstiegs?

Auslöser für die Thematik ist der Kohleausstieg in der Lausitz. Infolge dessen muss das Grundwasser der Tagebaue zwar nicht mehr in die Spree abgepumpt werden, es steht damit aber den Wassernutzern entlang des Flusses auch nicht mehr zur Verfügung. Aber statt die Angebotsmengen allein mit technischen Großbaulösungen auf dem bisherigen Niveau halten zu wollen, plädiert das DIW in seinem jüngsten Wochenbericht für zusätzliche umweltökonomische Anreize.

Das Wasserangebot in der Spree ist durch das Abpumpen des Grundwassers und dessen Einleitung in den Fluss aufgrund des Braunkohletagebau bekanntlich höher als es im natürlichen Zustand wäre. Die Spree wurde über Jahrzehnte zur Entlastung genutzt. An diese zusätzlichen Wassermengen haben sich die Anrainer gewöhnt. Dieses Angebot ist allerdings endlich. Denn mit dem Kohleausstiegsgesetz werden die Braunkohle-Kraftwerke und damit die vier Tagebaue im Lausitzer Revier bis spätestens 2038 geschlossen. Dann werden die Tagebau-Grundwasserpumpen abgestellt. Die Wassermengen in der Spree könnten sich dann deutlich reduzieren, sogar um bis zu 75 Prozent und mehr. Dieser Gewöhnungseffekt könnte zur Knappheitsfalle werden, da die Mengen neu verteilt werden sollten.

Nutzungskonfikte entlang der Spree sind zu befürchten

Als Folge dürften Nutzungskonflikte unvermeidbar sein. Betroffen sind Wassernutzer in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Deshalb werden technische Lösungen diskutiert. Diese gehen von einer konstanten Nachfrage und deren Befriedigung aus. So sollen die ausfallenden Wassermengen aus anderen Flußgebieten wie der Elbe angezapft und nachfrageflexibel in Stauseen zwischengespeichert werden. Das allerdings führt zu Beeinträchtigungen des Wasserdargebots der Elbeanrainer wie der Stadt Hamburg und im natürlichen Lebensraum der Elbe, da die Niedrigwasserstände die ökologischen Bedingungen in der aquatischen Umwelt weiter verschlechtern. Dies dürfte also nicht der Königsweg sein.

Das Dilemma eines tagebaubedingten Rückgangs der Wasserverfügbarkeit in der Spree und dem Wasserbedarf in ihrem unmittelbaren Einzugsgebiet kann durch die Umsetzung eines Maßnahmenbündels gemildert werden. Dieses Bündel umfasst die Wasserrückhaltung in Stauseen und in den zu Stauseen entwickelten Tagebaulöchern während Perioden mit hoher Wasserversorgung und die Wasserfreigabe in Zeiten geringer Wasserversorgung. Doch reicht dieses technisch geprägte Maßnahmenbündel aus, zumal der Wasserbedarf klimabedingt weiter steigen dürfte? Und: wie lassen sie sich verursachungsgerechter finanzieren? Da kommen die WEE ins Spiel., die in der Wasserrahmenrichtlinie der EU (WRRL) ehedem als (anreizorientiertes) Finanzierungsinstrument für die Deckung der Kosten für Wasserdienstleistungen, einschließlich Umweltauswirkungen und Ressourcenkosten vorgesehen (Art. 9 WRRL). Das hören aber viele Landespolitiker nicht so gerne. Die WRRL sah die Einführung dieses Instruments übrigens schon für das Jahr 2010 vor. Die Politiker in Berlin, Brandenburg und Sachsen sehen sich nun einer neuen Idee gegenübergestellt.

Was das Wasserentnahmeentgelt mit den Wasserpreisen zu tun hat

Das WEE dient vereinfacht gesprochen der Deckung von Umwelt- und Ressourcenkosten sowie als Anreizinstrument und wird von den Bundesländern festgesetzt. Das WEE ist von der Industrie oder anderen Wasserentnehmern direkt zu zahlen, die ihr Wasser nicht vom Versorger erhalten. Wir sein Wasser vom örtlichen Wasserversorger bezieht, entrichtet es über den Wasserpreis bzw. die Gebühr des Versorgers. Dieser führt es dann als quasi „Inkassobüro“ an die Landeskasse ab. Die Unterschiede zwischen den Entgelten sind gravierend. So zahlen die Berliner mit 31 Cent je Kubikmeter für Grundwasser aktuell das (bundesweit) höchste WEE, während sich Brandenburg mit 10 Cent zufrieden gibt und Sachsen mit 5,6 Cent noch deutlich darunter liegt. Das WEE für Oberflächenwasser, also aus dem Fluss, ist in Berlin kostenlos und liegt in den beiden anderen Bundesländern in einem einstelligen Bereich.

Die Energiewirtschaft ist mit Kühlwasser der bei weitem größte Wassernutzer. Sie muss dafür in Sachsen 20 Cent zahlen. In Berlin wird Kühlwasser überwiegend der Spree entnommen, weil Oberflächenwasser nicht mit einem WEE belegt ist, müssen die Kraftwerksbetreiber nichts bezahlen. Das sollte sich also ändern.

Unterschiede gibt es auch bei den Wasserpreisen der öffentlichen Wasserversorger. Diese zahlen für ihre Wasserentnahmen ebenfalls ein WEE. Dieses wird auf die Verbrauchspreise aufgeschlagen und verteuert den Verbrauch. Die jährlichen Grundpreise oder -gebühren bleiben davon unberührt. In Berlin werden aktuell 1,81 Euro je Kubikmeter für den Trinkwasserbezug von den Berliner Wasserbetrieben fällig, dann sind die 31 Cent WEE enthalten. Im Land Brandenburg liegt der Durchschnittspreis laut Statistischem Landesamt bei 1,55 Euro einschl. WEE, während Sachsen mit 1,97 Euro einschl. WEE die durchschnittlich höchsten Wasserpreise zu verzeichnen hat. Soweit die Ausgangslage.

Bis zu einer Verdreifachung des Wasserentnahmeentgelts

Die Idee des DIW ist es nun, die Wasserentnahmeentgelte (WEE) der drei Spree-Anrainer-Bundesländer Berlin, Brandenburg und Sachsen erhoben werden, zunächst anzugleichen und in zwei Varianten zu erhöhen. Dabei gehen Ökonomen davon aus, dass je höher die WEE sind, desto stärker geht die Wassernachfrage zurück. Um diesen Effekt abschätzen zu können, nutzen sie die Preiselastizität der Nachfrage. Diese gibt an, in welchem Maße sich die Nachfrage in Abhängigkeit von der Erhöhung der zahlenden Entgelte reduzieren lassen könnte. Unternehmen würden beispielsweise ihre Anlagen umstellen, um weniger Wasser zu benötigen und die Investitionen dafür durch die Vermeidung der WEE finanzieren. Damit hängt die Investitionsbereitschaft mit der Höhe der WEE und den möglichen Einsparungen zusätzlicher Kosten zusammen. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Elastizitäten sich zwar theoretisch ermitteln lassen, die Realität dann aber von zahlreichen externen Faktoren abhängt. Bei Privathaushalten beispielsweise ist es die Preiswahrnehmung und die Frage welche Einsparmöglichkeiten überhaupt bestehen. Aber zur Annäherung und Diskussion hat sich dieser Ansatz ökonomischer Anreize zur Verhaltensänderung bewährt.

Das DIW hat nun ausgehend von der Ausgangslage dieser unterschiedlichen Entgelte in zwei Szenarien die Nachfrageeffekte der WEE-Veränderungen berechnet (siehe Tabelle oben). Im Szenario 1 wurden die WEE von Brandenburg und Sachsen auf das Berliner Niveau i.H.v. 31 Cent angehoben und somit zunächst harmonisiert. Damit könnten nach Berechnungen der Experten die Nachfragemengen in Folge der Anreizwirkung um rd. 24 bis 64 Millionen Kubikmeter jährlich, das sind sechs bis 16 Prozent, gesenkt werden. Da die Mengen aus dem Tagebau nur einen Teil der Wasserführung der Spree ausmachen, würden diese um bis 39 Prozent verringert werden. Während die Berliner somit keine Belastungen erfahren würden, wären die Mehrbelastungen in den Nachbarländern schon beträchtlich.

Im Szenario 2 wird das auf Berliner Niveau harmonisierte WEE verdreifacht, auf dann 93 Cent. Bei einer Version nähert sich der Rückgang der Zielmenge an. Um rd. 34 bis 86 Millionen Kubikmeter jährlich betrüge der berechnete Effekt der ökonomischen Anreize. Die Nachfrage könnte um acht bis 21 Prozent gesenkt werden. In beiden Szenarien würden die Energieversorger mit 90 Prozent des WEE-Aufkommens bei weitem am stärksten belastet werden. Sie zahlen heute in Brandenburg weniger als ein Cent.

Die Wasserproblematik entlang der Spree erfordert strukturelle Maßnahmen auf der Angebots­ und Nachfrageseite. Dabei sollte der bisher praktizierte ingenieurwissenschaftliche Ansatz durch eine umweltökonomische Betrachtung sowie eine Analyse von Instrumenten in Bezug auf das Angebot und die Nachfrage ergänzt werden“, resümieren die Autoren. „Einheitliche Entgelte und die Förderung wassersparender Technologien können Abhilfe schaffen, genauso eine ressourcenorientierte Planung der
Tagebaurestseen
.“

Ein Impuls der eine genauere Betrachtung verdient – nicht nur entlang der Spree

  • Der Impuls ist richtig und wichtig. Allerdings klingt es nicht nach einer leichten Umsetzung eines derartigen Konzepts – politische Übereinstimmung einmal vorausgesetzt. Die WEE würden nicht nicht nur die Direktentnahmen der Industrie in den drei Ländern deutlich verteuern, es würden auch die Wasserpreise steigen – und zwar für alle Kunden. Die Wasserpreise in Berlin würden sich über über dreißig Prozent erhöhen. Es entstünde ein Politikum dystopischen Ausmaßes in der Hauptstadt. Die Wasserpreise in Berlin sind bekanntlich bis zu Jahr 2027 „eingeforen“. Selbst die Unterfinanzierungswarnungen der Insider in Politik und Unternehmen konnten das bisher nicht ändern. In den anderen beiden Ländern wären die Steigerungen noch höher. Über 50 Prozent in Brandenburg und fast 45 Prozent in Sachsen. Das träfe auch solche Wassernutzer, die mit der Problematik entlang der Spree nichts zu tun haben. Ein Freudenfest für Populisten!
  • Man könnte ja meinen, dass dieses Konzept flussgebietsbezogen ausgerichtet werden könnte. Also nur jene zahlen, die auch von der Spree profitieren. In NRW gibt es derartige Regelungen beispielsweise bei den Beiträgen der (Ab-)Wasserverbände. Auch wenn damit die eigentlichen Nutznießer zur Kasse gebeten würden, würde eine solche Regelung die WEE noch weiter fragmentieren und den Erhebungsaufwand beträchtlich steigern. Das vorgeschlagene Vorgehen der Harmonisierung entspricht eigentlich auch dem Plan der Nationalen Wasserstrategie aus dem Jahr 2023, das in einem Forschungsvorhaben untersucht werden sollte. Dort ist von einer bundesweiten Harmonisierung der Entgelte die Rede, falls es auf Länderebene hakt. Wir warten noch auf die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens zu dem Thema – und die Einführung der WEE in Thüringen und Hessen.
  • Die Energiewirtschaft mit ihrem Kühlwasserbedarf wird als einer der größten Nettozahler in den Rechnungen betrachtet. Angesichts der Energiewende werden die Kühlwasserbedarfe deutlich sinken. Das hat positive Effekte auf die Wasserentnahmen, reduziert aber das WEE-Aufkommen beträchtlich. Damit ist ein Grundproblem von anreizbasierten Entgelten wie dem WEE (oder auch hohen Verbrauchspreisen) angesprochen. Denn wenn die Anreize wirksam sind und die Wasserverbräuche sinken, gehen die Einnahmen zurück. Das ist dann problematisch, wenn damit die Finanzierung von Investitionen bzw. die Deckung von Fixkosten verbunden ist. Diese Entwicklung trifft immer mehr Wasserversorger, die auf hohe Verbrauchspreisanteile setzen. Wenn die Verbraucher dann ihren Verbrauch reduzieren, sinken die Erlöse und die Deckungsbeiträge. Das könnte eine Preisspirale auslösen.
  • Ausgespart wurden in der Berechnung nicht nur die Privathaushalte, sondern auch die Landwirtschaft. Aber gerade wenn es um Bewässerung und Anreize geht, sollte diese Gruppe nicht übersehen werden. Alle Prognosen deuten darauf hin, dass deren Wasserbedarf in den kommenden Jahren beträchtlich steigen wird. Da gibt es auch noch beträchtliche Potenziale bei der Effizienzsteigerung der Bewässerung. Diese könnte mit ökonomischen Anreizen gehoben werden. Die Privathaushalte standen zwar nicht im Fokus, müssen aber die erhöhten WEE in den Wasserpreisen mittragen. Das könnte dort ein Politikum werden, wo die Erhöhungen in solchen Regionen erfolgen, die nicht mit der Spree verbunden sind.
  • Und dann wäre da noch die Besonderheit, dass das WEE vom jeweiligen Bundesland erhoben wird und die Wasserversorger als „Inkassobüro“ fungieren. Die beträchtlichen Mehreinnahmen müssen laut den Landesgesetzen in Brandenburg und Sachsen zweckgebunden für wasserwirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden. In Sachsen gilt dies erst seit 2023, allerdings wurde die Intransparenz bei der Mittelverwendung bereits kritisiert. Da wäre es für den Berliner Finanzsenator noch einfacher. Zwar wird auch im Berliner Wassergesetz die Verwendung für die Aufwendungen der Wasserrahmenrichtlinie geregelt, allerdings nur als Soll-Vorschrift. Was macht dann wohl eines Landesregierung mit ewig klammen Kassen? Aber es wäre ja durchaus eine Lösung, wenn die Mittel für den Bau besagter technischer Lösungen verwendet würden.
  • Ach ja und zu guter Letzt das leidige Thema Wasserentnahmeentgelte als Anreize in anderen Regionen mit ähnlichen Wasserthemen. Allem voran Hessen. Dort wird zwar über Wasserknappheit und die zu hohe Wassernachfrage geklagt, ein WEE scheut die hessische Landesregierung allerdings wie der „Teufel das Weihwasser“ – dafür ist die Stadt Wiesbaden mit einem kommunalen Entgelt vorgeprescht. Das DIW-Papier dürften also einige Landespolitiker*innen aufmerksam lesen. Es sei ihnen empfohlen.

Das sind nur einige Gedanken, die mir beim Lesen des Beitrags des DIW in den Sinn kamen. Für Diskussionsstoff ist also gesorgt.

Quellen

Beitragsfoto: Gerd Altmann auf Pixabay

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