
Die Zeitungen berichten über trockene Flüsse in Südeuropa. Das trockene Frühjahr wirkt sich nun zunehmend auch hierzulande auf die Wasserstände der Bundeswasserstraßen aus. Noch ist die Binnenschifffahrt nicht betroffen. Aber Probleme sind nicht ausgeschlossen, wenn es weiter so trocken bleibt, denn viele Pegel sind bereits jetzt, zu Beginn des Sommers, bis in den Niedrigwasserbereich gesunken. Darauf weist die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in ihrem Niedrigwasser-Bericht vom 23.6.2022 hin. Besonders betroffen ist demnach derzeit die Elbe. Am Rhein liegt gegenwärtig noch kein Niedrigwasser vor. Er profitiert bisher von Zuflüssen aus dem alpin geprägten schweizerischen Einzugsgebiet. Die aktuell vorhergesagten Niederschläge lassen für die kommenden Wochen an den Bundeswasserstraßen zumindest noch keine extremen Niedrigwasserlagen erwarten.
Die meteorologische Entwicklung
Das Frühjahr 2022 war in Deutschland das drittsonnigstes seit 1951. Es fielen nur ca. 65 % des üblichen Niederschlags. Mit Ausnahme des Frühjahrs 2021, das deutlich kühler als im langjährigen Mittel ausfiel, zählte der Zeitraum März bis Mai 2022 zu den wärmeren Frühjahren der vergangenen Jahre. Die Hochdruckeinflüsse ließen nur wenig Niederschlag zu. Lediglich der Mai brachte im Süden und Westen gebietsweise auch kräftige, unwetterartige Gewitter. Der Juni war wieder vom Hochdruckeinfluss über weite Teile Mitteleuropas geprägt, so dass sich die Niederschlagarmut der Frühjahrsmonate in den Flussgebieten Mitteleuropas fortsetzte (vgl. Abbildung 1)

Die hydrologische Lage in Deutschland
Nachdem es im Jahr 2021 mit den nassen bzw. gar hochwassergeprägten Monaten Juni und Juli erst Ende Oktober zu einer verbreiteten Niedrigwasserlage an den Bundeswasserstraßen kam, bildet sich eine solche aktuell bereits zu Sommerbeginn aus. Die Ursache ist, ähnlich wie bereits im Jahr 2020, das im vorangehenden Abschnitt beschriebene, trockene Frühjahr. Dabei war noch der Februar nass (Abbildung 1). Februar und Januar (letzterer mit durchschnittlichen Niederschlagshöhen) waren zudem allgemein sehr mild (deutschlandweit gemittelte Temperaturen von 2,8 bzw. 4,5 °C), so dass vielerorts nur ein relativ geringer Anteil der Niederschläge als Schnee zurückgehalten wurde und ein relativ großer Anteil unmittelbar zum Abfluss kam. Eine Trockenheit, teilweise bereits mit Niedrigwasser in den Flüssen, entwickelte sich anschließend im März (vgl. Abbildung 1). Diese hydrologische Situation löste sich in dem hinsichtlich Niederschlag und Temperatur weitgehend durchschnittlich ausgeprägten April vielerorts nicht substanziell auf und verschärfte sich in den wieder relativ trockenen und warmen Monaten des Mai und Juni erneut bzw. weiter. Auch in den als Bundeswasserstraßen genutzten großen Flüssen Deutschlands kam es daher im Verlauf der vergangenen Wochen zu deutlichen Rückgängen der Pegelwasserstände.
Die aktuelle Lage (23. Juni 2022) ist in der Karte in Abbildung 2 im deutschlandweiten Gesamtüberblick dargestellt. Dort sind die mittleren jährlichen Niedrigwasserstände der Elbe, aber auch von Weser und Ems sichtbar. Noch überwiegen die “grünen Punkte“

Abb. 2: Pegelkarte für Deutschland vom 23.6.2022.
Orange Markierungen zeigen Pegel, die aktuell Niedrigwasserstände kleiner oder gleich dem mittleren jährlichen Niedrigwasserstand aufweisen (Quelle: GeoPortal.WSV).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich mit den recht früh im Sommer und relativ rasch einsetzenden Niedrigwasserphasen die Auswirkungen des allgemein trockenen Frühjahrs nun auch an den Bundeswasserstraßen weit verbreitet ausprägen. Eine Ausnahme bildet gegenwärtig vor allem noch der von einem alpinen Abflussregime stärker beeinflusste Oberrhein, in dessen Einzugsgebiet der Wasserhaushalt jedoch auch bereits Defizite im Vergleich zu vieljährig gemittelten Werten verfügbarer Wasserressourcen zeigt. Mit den unterdurchschnittlichen natürlichen Wasservorräten in ihren Einzugsgebieten sind die Bundeswasserstraßen gegenwärtig anfällig für eine mögliche Verschärfung der Niedrigwasserlage, je nach weiterem Witterungsverlauf in den kommenden Sommermonaten. Eine sorgfältige Beobachtung und Bewertung der weiteren Entwicklung der hydrologischen Situation ist deutschlandweit erforderlich.
Ausblick
Die kommenden Tage sind den Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes zu Folge durch wechselhafte Witterung bei (hoch-)sommerlichen Temperaturen geprägt. Schauerartige Niederschläge, die lokal durch kräftige Gewitter und Starkregen begleitet werden können, sind wiederholt im gesamten Bundesgebiet zu erwarten. Insbesondere in der ersten Hälfte der kommenden Woche zeichnen sich gebietsweise auch mehrstündige intensive Niederschläge ab. Die aktuell vorhergesagten Niederschlagsmengen könnten auch an den Bundeswasserstraßen die Wasserstände stützen und den allgemeinen Abwärtstrend zumindest vorübergehend abschwächen.
Ein Blick auf die nächsten Wochen bis Ende Juli lässt – mit all seinen Unsicherheiten – keine grundlegende Änderung der derzeitigen Situation an der Bundeswasserstraßen erkennen. Auch in den kommenden Wochen ist mit für diese Jahreszeit unterdurchschnittlichen, jedoch insgesamt (noch) nicht extremen Wasserstandsverhältnissen an den großen Flüssen zu rechnen.
Quelle: Bundesanstalt für Gewässerkunde
Weiterführendes
Wer sich weitergehend für die einzelnen aktuellen Wasserstände der Bundeswasserstraßen interessiert, wird auf der interaktiven Karte bei Pegelonline.de fündig. Dort können die Pegelstände, -verläufe und Stammdaten zu allen größeren Bundeswasserstraßen, d.h. Flüsse und Kanäle, tagesscharf und aktuell bezogen auf die vorhandenen Pegel abgerufen werden.
Erläutert sei dies am Pegel der Elbe in BARBY bei Magdeburg. Dieser lag gestern bei 46 cm (23.6.2022). Der mittlere Wasserstand bewegt sich zwischen 74 cm (mittleres Niedrigwasser) und 532 cm (mittleres Hochwasser); registriert zwischen 2006 und 2015. An den letzten Hochwasserstand der Elbe vom 9.6.2013, bei Pegel BARBY mit 762 cm, können sich einige bestimmt noch erinnern.


Foto: Weser bei Hannoversch-Münden, 2020 (Gendries)
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