
Die Belastung des Grundwassers mit Pestizid-Wirkstoffen ist zurückgegangen. Dies zeigt eine bundesweite Studie der LAWA und des Umweltbundesamtes mit Auswertungen von über 16.000 Messstellen. Dieser erfreuliche Rückgang betrifft allerdings vorrangig Stoffe, die nicht mehr zugelassen sind und deren Konzentration im Grundwasser nun langsam abnimmt. Dagegen tauchen Metaboliten deutlich häufiger auf. Last but not least haben sich die Absatzzahlen für Pflanzenschutzmittel im vergangenen Jahr um mehr als 20 Prozent verringert. Für gesunde Grundwasserressourcen gibt es aber noch viel zu tun, wie der Bericht zeigt.
Trotz der augenscheinlich positiven Entwicklung zeigen sich dringende Handlungsbedarfe
Die Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) hat unter Mitwirkung des Umweltbundesamtes einen Bericht zur Grundwasserbeschaffenheit in Deutschland – Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und Metaboliten für den Berichtszeitraum 2017 bis 2021 erarbeitet und soeben veröffentlicht. Dabei kamen die Experten zu ambivalenten Ergebnissen:
In Grundwasserproben von bundesweit 16.180 Messstellen wurden 482 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und sogenannte „relevante Metaboliten“ untersucht. Bei letzteren handelt es sich um Stoffe, die nach der Verstoffwechselung eine „definierte pestizide (Rest-)Aktivität oder ein pflanzenschutzrechtlich relevantes
humantoxisches oder ökotoxisches Wirkungspotenzial besitzen.“ Während diese Aktivitäten bzw. das Potenzial bei „Nicht relevanten Metaboliten“ nicht vorhanden sind..
Im Ergebnis wurden an 19 Prozent der Messstellen Belastungen mit solchen Substanzen nachgewiesen. Das waren 164 von den 482 untersuchten Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, die im Grundwasser nachgewiesen werden konnten. In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich die Wirkstoffe und Metaboliten deutlich verringert. Wurden von 1990 bis 1995 noch an knapp jeder 10. der untersuchten Messstellen Konzentrationen oberhalb des gesetzlichen Schwellenwertes von 0,1 µg/l festgestellt, waren dies im aktuellen Zeitraum nur noch an weniger als jeder 25. Messstelle. Der Rückgang geht hauptsächlich auf den abnehmenden Trend beim Atrazin zurück. Dieses wasserlösliche Herbizid darf bereits seit 1991 nicht mehr angewendet werden. Über dreißig Jahre später ist Atrazin noch immer einer der meistgefundenen Stoffe. Dieses Beispiel zeigt, dass Pestizide auch noch nach Jahrzehnten das Grundwasser kontaminieren können.
Zu den am häufigsten gefundenen Einzelsubstanzen gehören zudem neun Wirkstoffe, die in den Jahren 2017 bis 2021 in zugelassenen Pflanzenschutzmitteln eingesetzt wurden. Das sind die herbiziden Wirkstoffe Bentazon, Mecoprop-P, Glyphosat, Metribuzin, Chlortoluron, Quinmerac, Terbuthylazin, Metazachlor und S-Metolachlor. Neu sind vergleichsweise hohe Fundraten der relevanten Metaboliten 1,2,4-Triazol und Metazachlor-Metabolit BH 479-9, die beide erstmalig im Berichtszeitraum untersucht wurden.
Metaboliten [von metabol- ], Bezeichnung für die im biologischen Stoffwechsel (Metabolismus) umgesetzten Substanzen.
Eine deutliche Steigerung ist bei den „Nicht relevanten“ Metaboliten festzustellen. Ihr Auftreten ist von 58 Prozent der Messstellen auf 72 Prozent angestiegen. Zudem wurden sie teilweise auch in höheren Konzentrationen im Grundwasser nachgewiesen. Vor allem die Metaboliten der Wirkstoffe Metazachlor, S-Metolachlor, Chlorthalonil und Dimethachlor werden sehr häufig gefunden und geben Anlass zur Sorge über den Zustand des Grundwassers. Wirkstoffe mit bekanntermaßen hohen Einträgen von Metaboliten müssen daher besser gemanagt werden. Der Entwurf der neuen EU-Grundwasserrichtlinie enthält eine Qualitätsnorm von 1 µg/l für nicht relevante Metaboliten – ein wichtiger Schritt, um solche Stoffeinträge zu mindern.
Erstmalig wurden umfangreiche Monitoringdaten für die nicht abbaubare Trifluoressigsäure (TFA) ausgewertet. TFA ist ein Metabolit verschiedener Pestizide, kann aber auch andere Eintragsursachen als die Landwirtschaft haben. Der Stoff wird an 76 Prozent der Messstellen und daher nahezu flächendeckend im Grundwasser gefunden. Diese Funde stellen eine große Herausforderung dar, denn der Stoff lässt sich in der Aufbereitung technisch kaum entfernen.
Öffentlichkeit und Gesetzgeber erhöhen den Druck auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln
Der Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und deren Auswirkungen auf die Umwelt ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus von Öffentlichkeit und Politik gerückt. Dabei prägte insbesondere die Debatte zum angestrebten Verbot des Breitbandherbizides Glyphosat die öffentliche Diskussion. Das große Interesse in der Öffentlichkeit hinsichtlich des Einsatzes und Verbleibs von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen in Nahrungsmitteln und in der Umwelt resultiert auch aus der zunehmenden Sensibilisierung der Gesellschaft für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. In Bezug auf das Grundwasser kommt den Pflanzenschutzmitteln auch deshalb eine große Bedeutung bei, weil sie nicht nur den Lebensraum Wasser beeinträchtigen können, sondern auch die Aufbereitung zu Trinkwasser vor Herausforderungen stellen, die nur durch zusätzliche Aufbereitungsschritte zu bewältigen sind, die wiederum höhere Kosten und damit steigende Wasserpreise verursachen.
Aber es ist nicht nur der gesellschaftlichen Sensibilität für die Reinheit der Ressource Wasser zu verdanken, dass die Pflanzenschutzmittel und ihre Metaboliten in den Fokus kamen und auf ihre Reduzierung hingewirkt wurde. Mit der Einführung der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 (2000/60/EG) und der EU-Grundwasserrichtlinie sechs Jahre später (2006/118/EG) wurden Kriterien für den guten chemischen und mengenmäßigen Zustand des Grundwassers festgelegt und zwanzig Jahre später in der Grundwasserverordnung (GRWV, 2022) in nationales Recht umgesetzt. Leider ist Deutschland von der Erreichung der gesetzten Zielwerte noch weit entfernt. Im Jahr 2022 berichtet das UBA, dass beim chemischen Zustand lediglich 67,3 Prozent aller Grundwasserkörper in einem guten chemischen Zustand waren, während 32,7 Prozent den guten chemischen Zustand zu dem Zeitpunkt nicht erreicht haben.
Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie beauftragt alle EU-Mitgliedstaaten, nationale Maßnahmenwerte für nicht-relevante Metabolite festzusetzen. In Deutschland wurde dies in der Trinkwassereinzugsgebieteverordnung gesetzlich festgeschrieben. Die Vorgaben basieren auf dem nationalen Konzept der „gesundheitlichen Orientierungswerte“ (GOW) und „Vorsorgemaßnahmenwerte“ (VMW). Je nach experimentell-toxikologischer Datenlage betragen diese 1, 3 oder 10 µg/l. Entsprechend müssen diese Metaboliten in Trinkwassergewinnungsgebieten überwacht und ihre Einträge über den Pflanzenschutzmitteleinsatz reduziert werden. Wenn auch nicht gesetzlich festgeschrieben, so werden die GOW häufig als Qualitätsmaßstab für das Grundwasser herangezogen.
In der Wasseraufbereitung der Wasserwerke gelingt die technische Entfernung von Wirkstoffen z.B. mittels Aktivkohlefilter relativ gut. Mittlerweile sind viele Wasserwerke, die Oberflächenwasser aufbereiten z.B. entlang der Ruhr in NRW, mit derartigen Verfahren ausgerüstet. Aber nicht alle Metaboliten werden dadurch adsorbiert. Dazu zählt nach Feststellungen der Studie auch der häufig gefundene Metabolit Trifluoressigsäure (TFA), er ist demzufolge kaum aus dem Wasser zu entfernen, wie das Umweltbundesamt in einer Studie 2021 veröffentlicht hat. Das seit vielen Jahren etablierte Monitoring auf Pflanzenschutzmittel in den Trinkwassergewinnungsgebieten Deutschlands zeigt einen deutlichen Belastungsdruck für die Ressource Grundwasser auf – die Erkenntnisse daraus sollten in einen gesellschaftlichen Diskurs und idealerweise in die pflanzenbauliche Praxis sowie in die verschiedenen Zulassungsverfahren einfließen.
LAWA und Umweltbundesamt gelangen zu zahlreichen Empfehlungen für den vorsorgenden Gewässer- und Verbraucherschutz
Um zu sachgerechten und transparenten Entscheidungsprozessen zu gelangen, fordern LAWA und Umweltbundesamt eine verlässliche Bewertungsgrundlage für Nachweise von Wirkstoffen, relevanten sowie nicht-relevanten Metaboliten. Für die Bewertung werden zudem langfristig geltende Schwellenwerte für alle Metaboliten benötigt. Nur dann seien Bewertungen der Grund- und Trinkwasserqualität, die zyklisch erfolgen (z.B. Bewertung der Grundwasserkörper gemäß EU-WRRL), miteinander vergleichbar und es können Entwicklungen in Bezug auf die Stoffeinträge dargestellt werden. Dazu gehört auch eine gesicherte Relevanzeinstufung für Metaboliten, abhängig vom stofflichen Gefährdungspotential, um das Risiko im Sinne des vorsorgenden Trinkwasser- bzw. Verbraucherschutzes und für die Umwelt zu minimieren.
Wenn relevante Metaboliten nicht wiedergenehmigt werden, legen die Herstellerfirmen keine weiteren Studien zu deren Risiko vor, stellen die Autoren fest. da sie nicht zugeordnet werden, verbleiben demzufolge dauerhaft in einem „Schwebezustand“ zwischen relevanten Metaboliten und nicht-relevanten Metaboliten. Infolgedessen unterliegen sie keiner eindeutigen wasserrechtlichen Regulierung. Die Schaffung eines rechtssicheren und praxistauglichen Rahmens halten LAWA und UBA für unbedingt notwendig.
Die Regelungsbereiche im Pflanzenschutzrecht sollten weiter mit den gesetzlichen Normierungen aus dem Grundwasser- und Trinkwasserschutz harmonisiert werden, insbesondere bei der einheitlichen Festlegung von Grenz- und Schwellenwerten sowie den Qualitätsnormen. Anzustreben sei auch eine kontinuierliche Aktualisierung der aus dem Pflanzenschutzrecht vorliegenden Informationen zu Wirkstoffen und Metaboliten, um diese hinsichtlich ihres Vorkommens im Grundwasser deutschlandweit einschätzen zu können. Wichtig sei hierbei der fachliche Erfahrungsaustausch der für das Monitoring verantwortlichen Stellen und der transparente Umgang mit pflanzenschutzrechtlichen Informationen von bereits länger genehmigten aber auch von neu genehmigten Wirkstoffen und deren Metaboliten. Voraussetzung sei die Etablierung von Analyseverfahren inklusive der Verfügbarkeit von Standards, um den Laboren die notwendige Analytik zu ermöglichen.
Die LAWA und das Umweltbundesamt empfehlen die Entwicklung eine ganze Reiher weiterer zielgerichteter wirksamer Maßnahmen, um die Ressource und das Ökosystem Grundwasser zu schützen und vermeidbare Einträge zu reduzieren. Dazu gehören zum Beispiel:
- Berücksichtigung von auffälligen Funden im Monitoring als Grundlage für die Überprüfung und
Verbesserung der Zulassungssituation - Anwendungsbeschränkungen und Anwendungsverbote in bereits belasteten Gebieten
- Optimierungen im Pflanzenbau, wie Fruchtfolgegestaltung, Sortenwahl, mechanische Beikrautbekämpfung oder innovative Technik (Smart-Farming, Precision Farming)
- Pflanzenschutzberatung und Pflanzenschutzschulung weiter fokussieren auf Aspekte des Gewässerschutzes
- Verzicht auf Wirkstoffe mit hoher Nachweisdichte und Substitution durch umweltverträglichere Stoffgruppen
- Zulassungsverfahren von Bioziden unter Berücksichtigung der Emissionen in die Umwelt und der Immissionsdaten
- Sachkunde-Nachweis für private Anwender, also die Hobbygärtner.
Pflanzenschutzmittel-Absätze sind 2023 im Vergleich zu den Vorjahren stark gesunken
Ein Lichtblick könnte die rückläufige Entwicklung der Pflanzenschutzmittel-Absätze in Deutschland sein. Dem Jahresbericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sind die Absatzmengen in 2023 im Vergleich zu den Vorjahren kräftig zurückgegangen. Demzufolge sanken die Pflanzenschutzmittel-Absätze (ohne inerte Gase) von 32.138 Tonnen um 6.843 Tonnen oder – 21,3 Prozent auf 25.295 Tonnen. Inklusive der inerten Gase lag die Verkaufsmenge aller Pflanzenschutzmittelwirkstoffe 2023 bei 40.599 t; das war gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um – 15,9 Prozent.
Das deutliche Minus bei den Verkäufen ist laut BVL gleichermaßen auf Fungizide und Herbizide zurückzuführen. Auch die Diskussion um Glyphosat mag sich in sinkenden Absatzmengen niedergeschlagen haben, jedenfalls sank der Absatz von Glyphosat im Vergleich zu 2022 um beachtliche 40 Prozent auf 2.349 Tonnen.

Ist die Hoffnung auf Besserung trügerisch?
Der Zustand der Grundwasserkörper in Bezug auf Pflanzenschutzmittel scheint sich sukzessive zu bessern. Noch sind wir allerdings immer noch von dem Zustand entfernt, auf den sich der Staat mit seiner Gesetzgebung selbst verpflichtet hat. Das hört sich nach einem Dilemma an. Aber so leicht sollte man es den Behörden nicht machen. Das Beispiel Glyphosat, bei dem seit Jahren je nach Blickwinkel für oder gegen die Zulassung gekämpft wird, zeigt mit welchen Mitteln diese Auseinandersetzung stattfindet. Letztendlich wurde der Wirkstoff Glyphosat auf EU-Ebene im November 2023 für 10 weitere Jahre genehmigt. Ein Verbot von Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmitteln auf nationaler Ebene ist damit europarechtswidrig. Wie das Beispiel Atrazin zeigt, dass seit 1991 nicht mehr eingesetzt werden darf, und noch immer einer der meistgefundenen Stoffe ist, wie lang der „Atem“ der Pflanzenschutzmittel in den Grundwasserkörpern ist. Auf der anderen Seite wird die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung durch die Landwirtschaft in Deutschland ohne den sorgsamen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln womöglich nur schwer auskommen. Die biologische Landwirtschaft findet immer stärker Zuspruch und ihre Produkte mehr Abnehmer, aber die Masse der Verbraucher schauen auf die Preise. Was aber gefordert werden kann, ja muss, ist Transparenz. Dazu tragen Berichte wie dieser von der LAWA und dem Umweltbundesamt bei. Jetzt müssen Maßnahmen folgen! Die Öffentlichkeit sollte von der Politik jene Veränderungen fordern, die von der LAWA und dem Umweltbundesamt als erforderlich erachtet worden sind. Wie das Beispiel Atrazin zeigt, haben Pestizide und ihre Metaboliten ein „langes Gedächtnis“.
Quellen / Weiterführendes
- Bericht zur Grundwasserbeschaffenheit in Deutschland – Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und Metaboliten – Funde und Tendenzen – Berichtszeitraum 2017 bis 2021, LAWA – Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser, 2024
- Empfehlungsliste für das Monitoring von Pflanzenschutzmittel-Metaboliten in deutschen Grundwässern. BANNING H., BIALEK K., KÖNIG W., MÜLLER A., PICKL C., SCHEITHAUER M., STRAUS G., TÜTING W. 2022
- Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland Ergebnisse der Meldungen gemäß § 64 Pflanzenschutzgesetz für das Jahr 2023, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, August 2024
- Jahresbericht 2023 – Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, 2024
- Chemischer Zustand des Grundwassers, Umweltbundesamt, 2022
- FAQ: Plan zum Glyphosat-Ausstieg, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, 2024
- Verordnung über Einzugsgebiete von Entnahmestellen für die Trinkwassergewinnung, (Trinkwassereinzugsgebieteverordnung – TrinkwEGV), Bundesministeriums der Justiz, 4.12.2023
- Gesundheitliche Orientierungswerte (GOW) für nicht relevante Metaboliten (nrM) von Wirkstoffen aus Pflanzenschutzmitteln (PSM), Umweltbundesamt, 2021
Beitragsfoto: Bild von Erich Westendarp auf Pixabay
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