Wer einen verregneten November gefürchtet hat, mag sich freuen, den Betreibern der Trinkwassertalsperren bereitet die anhaltende Trockenheit dagegen Sorgen. Die Pegelstände sind zu niedrig. Noch ist die Wasserversorgung nicht in Gefahr. Trotzdem treffen die Betreiber Vorkehrungen, wenn der Regen weiter ausbleibt. Denn auch in den kommenden Wochen soll es Prognosen zufolge unterdurchschnittlich viel Niederschlag geben, so die aktuelle Vier-Wochen-Wetterprognose des Deutschen Wetterdienstes. Die Harzwasserwerke und der Ruhrverband, Betreiber bedeutender Stauseen in Niedersachsen bzw. am Rande des Ruhrgebiets, geben Warnsignale. Sie sind nicht nur Trinkwasserlieferanten für Städte wie Hannover oder Braunschweig bzw. das Ruhrgebiet, sie steuern mit ihren Wasserabflüssen auch den Pegelstand von Flüssen.
Talsperrenbetreiber reduzieren Abflüsse für die Vorratshaltung
Die Harzwasserwerke wollen aus den Sommer-Erfahrungen 2018 lernen. Sie wollen sich auf die Eventualitäten vorbereiten und haben bereits offen mit dem Szenario eines Doppeltrockenjahrs gespielt. Grund zur Panik bestehe aber nicht, erklärt der Geschäftsführer Christoph Donner. „Die Versorgungssicherheit ist derzeit nicht in Gefahr“, erklärt er. Er will aber nicht ausschließen, dass es auch im kommenden Jahr zu wenig Regen gibt. Daher werden die Harzwasserwerke in Abstimmung mit den Behörden ab sofort den Abfluss aus den Stauseen reduzieren, um die Vorräte aufzubauen und um die Versorgungssicherheit von rund zwei Millionen Menschen in Niedersachsen selbst im schlecht möglichsten Fall zu garantieren. So soll beispielsweise die Eckertalsperre ein Viertel weniger Wasser abgeben als bisher, um die Reserven zu schonen. Die Abgabe werde von 430 Litern pro Sekunde auf 320 Liter reduziert, teilten die Harzwasserwerke mit. Schon im September war die Trinkwasserabgabe aus der Sösetalsperre bei Osterode deutlich zurückgefahren worden.
Aber nicht nur der Harz liefert zu wenig Nachschub für die Talsperren. Das Ruhreinzugsgebiet hat 2018 sein zehntes zu trockenes Abflussjahr in Folge erlebt. Von Februar bis Oktober sind zwischen der Quellregion der Ruhr im sauerländischen Winterberg und Duisburg, am Zufluss der Ruhr in den Rhein, nur knapp 60 Prozent des mittleren langjährigen Niederschlags gefallen. Wegen dieser lang anhaltenden Trockenheit müssten die Talsperren des Ruhrverbands seit Monaten Schwerarbeit leisten, um die gesetzlichen vorgeschriebenen Mindestabflüsse in der Ruhr einzuhalten, erklärt der Ruhrverband. Ohne das zusätzliche Wasser aus den Talsperren wäre die Ruhr beispielsweise in Villigst bei Schwerte ab Juli 2018 an drei Vierteln aller Tage trocken gefallen.
Die Möhnetalsperre, 1913 als größte Stauanlage Europas in Betrieb gegangen, beeinflusst noch heute mit über 25 Prozent Anteil am gesamten Talsperrenstauraum im Ruhreinzugsgebiet die Wasserführung der Ruhr. Am 8.11.2018 wies diese für die Trinkwasserversorgung des Ruhrgebiets so wichtige Talsperre mit 49 Millionen Kubikmetern nur 36 Prozent ihres Gesamtstauvolumens von 134,50 Millionen Kubikmeter auf. Mit Genehmigung der Landesregierung darf der Ruhrverband den Abfluss reduzieren. Der Betreiber rechnet dadurch mit einer Einsparung von bis zu 164.000 Kubikmetern Wasser pro Tag. Damit sollen in den Talsperren die vorhandenen Wasservorräte länger bewirtschaftet werden können.
Auf das Wasser aus den Talsperren warten viele
Die Wasserabgabe der Talsperren ist nicht nur für die Trinkwasserversorgung wichtig. An den Abflüssen arten auch noch andere Nutzer auf das Wasser. Die sogenannte Unterwasserabgabe der Talsperren ist wichtig für Industriestandorte, die das Wasser für ihre Produktion nutzen oder für die Kühlung ihrer Anlagen benötigen, sie ist überlebenswichtig für das aquatische Ökosystem in den Flüssen und bedeutend für die Einleitung von Klarwasser aus Kläranlagen. Diese Einleitungen werden zunehmend schwierig. Denn das gereinigte Wasser aus den Kläranlagen fliesst in die Flüsse. Deren Abflüsse enthalten trotz aufwändiger Reinigung immer noch Rückstände, die in die Gewässer gelangen. In den 627 kommunalen Kläranlagen des Landes NRW wurden laut Abwasserbericht der Landesregierung im Jahr 2014 insgesamt rund 2,51 Milliarden Kubikmeter Abwasser aus Haushalten und Industrie behandelt und in die Gewässer eingeleitet. Damit gelangen auch Nährstoffe und Mikroschadstoffe, zum Beispiel Arzneimittel, die fälschlicherweise in den Toiletten entsorgt wurden, in den Naturkreislauf. Je weniger frisches Wasser die Flüsse führen, desto höher kann die Konzentration derartiger Einträge durch die Kläranlagenabflüsse ansteigen. Das könnten die Qualität mancher Flüsse weiter verschlechtern. Schon heute verstößt Deutschland gegen die Wasserrahmenrichtlinie. Daher muss der Zufluss sehr sorgsam gesteuert werden.
„Wasserspeicher Harz“ – Vorsorge für neue Hitzeperioden
Das Beispiel in Kapstadt in diesem Sommer, wo es nach mehrjähriger Dürre plötzlich beinahe gar kein Wasser mehr gegeben hätte, hat gezeigt, wie kritisch es werden kann, wenn nicht genügend Wasserreserven zur Verfügung stehen und die Vorratskapazitäten nicht ausreichen. So weit wollen es die Harzwasserwerke nicht kommen lassen. „Deshalb wollen die Harzwasserwerke überprüfen, ob die Anlagen noch genügend Fassungsvermögen haben und die Betriebsweise weiter optimiert werden kann“, erklärt Dr. Donner. „Wasserspeicher Harz“ soll das Projekt heißen, das die Harzwasserwerke gemeinsam mit Forschungspartnern auf den Weg bringen wollen. „Talsperren bieten als Multifunktionsspeicher in besonderer Weise die Möglichkeit, Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt und auf die Wasserwirtschaft kompensieren zu helfen“, ergänzt Arndt Schulz vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Die Vernetzung von einzelnen Stauanlagen zu Verbundsystemen erhöhe die Bewirtschaftungsflexibilität und schaffe Möglichkeiten des Ressourcenausgleichs: „Talsperren sind somit ein wichtiges Faustpfand für die Zukunft“, der NLWKN-Experte. Das Projekt „Wasserspeicher Harz“ soll auch mit dem Niedersächsischen Wasserversorgungskonzept in geeigneter Weise verknüpft werden.
Wasserversorgungskonzepte und der Klimawandel
In vielen Bundesländern werden Wasserversorgungskonzepte geplant oder liegen, wie in NRW, bereits vor – entweder auf Landesebene oder erstellt durch die Kommunen. Die klimatischen Herausforderungen haben gezeigt, dass Projekte zur Anpassung an die Bedingungen des Klimawandels auf vielen Ebenen erforderlich sind und es keine Denkverbote geben sollte. Wasserknappheit und Starkeregenereignisse sind Folgen des Klimawandels, die jeden treffen können. Deshalb bedarf es einer gesellschaftspolitischen Aufgabenstellung. Die Bürger müssen aktiv eingebunden werden. Sie sind Betroffene und Verursacher. Wasserversorgungskonzepte – zumal solche, die auf kommunaler Ebene diskutiert und beschlossen werden müssen – bieten eine gute Voraussetzung, die verschiedenen Wassernutzergruppen und Interessenvertreter an einen Tisch zu bringen, um mit gemeinsam beschlossenen Maßnahmen für die Unwägbarkeiten des Klimas vorbereitet zu sein. Aber vielleicht ist der nächste Sommer ja auch wieder verregnet ….
Weitere Quellen
- Aktuelle Talsperrendaten der Harzwasserwerke
- Talsperrenleitzentrale des Ruhrverbands
- NDR Fernsehbeitrag zu Harzwasserwerken
- EU-Wasserrahmenrichtlinie Umweltbundesamt
Beitragsfoto: Gendries
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