Waren Sie vor dem bevorstehenden Jahreswechsel noch beim Zahnarzt? Falls nicht, sollten Sie sich auf eine Änderung einstellen. Wegen der gravierenden Gewässerbelastung durch Quecksilber darf nämlich ab 1.1.2025 kein Amalgam mehr für Zahnfüllungen verwendet werden. Der Beitrag beschreibt die ökologischen und gesundheitlichen Risiken von Quecksilber und wie die EU darauf reagiert.
Quecksilbereintrag ist rückläufig, aber die Belastung in den Gewässern bleibt
Quecksilber ist ein hochgiftiges Schwermetall, das sich in der Umwelt anreichert. Zwar ist die Quecksilber-Belastung in Flusswasser, in den Schwebstoffen und in Sedimenten in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland zurückgegangen, ungeachtet dieses positiven Trends ist die Belastung von Fischen und anderer Organismen mit Quecksilber (Hg) aber unverändert hoch. Zu diesen Ergebnissen sind Wissenschaftler der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) gelangt, die die aktuelle Situation untersucht und kürzlich in einem Symposium vorgestellt haben.
„In den vergangenen Jahrzehnten ist die Quecksilberbelastung in den Flüssen deutlich gesunken – ein Erfolg von Umweltgesetzgebung und verbesserter Abwasserreinigung“, sagte der BfG-Wissenschaftler Dr. habil. Jan Wiederhold zu Beginn des Quecksilber-Symposiums am 5.12.2024. Der Rückgang falle jedoch regional unterschiedlich aus, so der Koordinator des BMDV-Projekts “Quecksilber in Sedimenten und Schwebstoffen (QUISS)” (Hinweis: BMDV = Bundesministerium für Digitales und Verkehr). Die Elbe und ihre Nebenflüsse Mulde und Saale weisen weiterhin deutlich höhere Quecksilber (Hg)-Werte auf als andere große Flüsse in Deutschland, etwa Rhein und Donau.
Ein Transformationsprodukt ist gefährlicher als reines Quecksilber
Die heimische Fischfauna und andere aquatische Organismen profitieren bislang nicht vom Rückgang des Hg-Gesamtgehaltes in den Gewässern, denn der Quecksilbergehalt ist in den Tieren weiterhin zu hoch. Obwohl die Einträge hierzulande sinken, findet sich Quecksilber als historische Altlast z. B. aus der chemischen Industrie und Bergbauaktivitäten weiter in den Sedimenten. „Besonders gefährlich wird es, wenn unter dem Einfluss von Mikroorganismen, die in sauerstofffreien Bereichen der Gewässer vorkommen, das anorganische Hg in das Nervengift Methyl-Hg umgewandelt wird“, erklärt Jan Wiederhold. Hierzu gibt aber das Bundesinstitut für Risikobewertung Entwarnung:
Quecksilber in der Nahrung
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht für die meisten Menschen in Deutschland keine nennenswerten gesundheitlichen Risiken durch die Methylquecksilberaufnahme über den Verzehr von Fisch beziehungsweise Meeresfrüchten: Bei einem durchschnittlichen Verzehr dieser Lebensmittel liegt die aufgenommene Menge an Methylquecksilber in allen Altersgruppen unterhalb der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemenge (TWI) von 1,3 Mikrogramm (µg) Methylquecksilber (Methyl-Hg) pro Kilogramm Körpergewicht und Woche. Dieser Wert wurde von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeleitet.
Bessere Risikobewertung dank neuer analytischer Methoden
„Der Einfluss von Methyl-Hg auf die Nahrungskette ist schon lange bekannt. Unbekannt sind jedoch die konkreten Prozesse, die zur Bioverfügbarkeit unter wechselnden Umweltbedingungen führen und wie hoch der eigentliche Methyl-Hg-Anteil am Gesamt-Hg-Gehalt in Wasser, Sedimenten und Schwebstoffen ist“, beschreibt der QUISS-Koordinator wesentliche Ziele des im Jahr 2022 gestarteten Forschungsprojektes. Im Projekt QUISS entwickelten die Forscher/-innen u. a. analytische Methoden zur Bestimmung von Methyl-Hg in Umweltproben. „Nun sind wir in der BfG in der Lage nicht mehr nur das Gesamt-Hg zu messen, sondern wir können auch den Anteil an Methyl-Hg bestimmen. Das ist ein wesentlicher Fortschritt für ein umfassenderes Verständnis zur Beurteilung der Belastungssituation“, sagt
Dr. Lars Duester, Leiter des Referats für Radiologie und Gewässermonitoring in der BfG.
Die Hg-Belastung ist einer der wesentlichen Gründe, dass der chemische Zustand der deutschen Fließgewässer nach EU-Wasserrahmenrichtlinie weiterhin als „nicht gut“ eingestuft wird (siehe Abbildung). „Es ist daher wichtig die zugrundeliegenden biogeochemischen Prozesse und Transportpfade von Hg besser zu verstehen, um neue Erkenntnisse, wenn möglich, zukünftig auch in das Gewässermanagement einfließen zu lassen“, so der Referatsleiter.
Quecksilber ist ein europäisches Problem auf das die EU reagiert hat
Quecksilber ist in der Europäischen Union (EU) für Flüsse und Böden ein gravierendes Problem. Einem Bericht der Europäischen Umweltagentur aus dem Jahre 2018 zufolge stellt Quecksilber in Flüssen, Seen und Ozeanen das größte Risiko dar. Überwachungsdaten für Gewässer zeigten, dass 2018 fast 46.000 Oberflächenwasserkörper in der EU, von insgesamt rund 111.000, die für Fische und andere Wirbeltiere festgelegten Quecksilberwerte nicht eingehalten haben.
Ein Wissenschaftsteam u.a. des Joint Research Centre (JRC) hat für Europäische Kommission im Jahr 2021 die Quecksilber-Verteilung im Oberboden anhand von über 21.000 Proben und einer Reihe von geophysikalischen Daten geschätzt. Dabei haben sie die Auswirkungen des Bergbaus, der Kohlekraftwerke, der Chlor-Alkali-Industrie und anderer diffuser Verschmutzungsquellen als primäre anthropogene Quellen von Hg-Hotspots in der EU untersucht. Anhand der gemessenen Hg-Bodenproben kamen sie in einer Modellierung auf einen Quecksilbergehalt in den Böden von etwa 44.800 Tonnen, mit einer durchschnittlichen Quecksilber-Dichte von 103 g je Hektar. In der Europäischen Union und im Vereinigten Königreich werden schätzungsweise 43 Tonnen Hg pro Jahr durch Wassererosion bewegt, und ca. 6 Tonnen Hg pro Jahr werden mit den Sedimenten in die Flusseinzugsgebiete und schließlich in die Küstenmeere eingetragen. Das Mittelmeer erhält fast die Hälfte der Hg-Zuflüsse in die Küstenmeere und verzeichnet die größte Menge an Hg-Sedimenten. Das sind die Ursachen dafür, dass die Quecksilber-Einträge ausschlaggebend für das Nichterreichen des mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie angestrebten guten chemischen Zustands der Oberflächengewässer in der EU sind (siehe Abbildung). Dabei fällt aber auf, dass aufgrund der industriellen Einträge die Situation in Deutschland, Belgien, in den Niederlanden und im Norden von Frankreich sowie Schweden besonders bedrohlich ist.
Im Jahr 2005 verabschiedete die Europäische Kommission einen umfassenden Plan zur Bekämpfung der Quecksilberverschmutzung. In der EU-Quecksilberstrategie wurden 20 Maßnahmen zur Verringerung von Quecksilberverbindungen in Produkten und Geräten (z. B. Thermometer, Barometer) aufgelistet, neue Vorschriften für die sachgemäße Lagerung von Quecksilber festgelegt und Bestimmungen zu Quecksilberemissionen zum Schutz der Bevölkerung vor Exposition aufgenommen. Im Jahr 2012 wurden Quecksilber und seine Verbindungen in einer EU-Verordnung (Europäische Kommission, 2012) als hochgiftig für Menschen, Ökosysteme und wild lebende Tiere eingestuft und eine Reihe von quecksilberhaltigen Geräten wurden schrittweise vom Markt genommen.
Die für den Menschen gefährlichste Form des Quecksilbers sind organische Methylquecksilberverbindungen. Diese können durch Umwandlungsprozesse von anderen Quecksilberverbindungen in der Umwelt entstehen oder direkt eingebracht werden, wie dies in der japanischen Stadt Minamata der Fall war. Dort leitete eine ansässige Firma große Mengen Methylquecksilberiodid in das angrenzende Gewässer ein. Methylquecksilber lagert sich in hohem Maße im Fettgewebe von Fischen an. Durch den Verzehr dieser hochkontaminierten Fische erkrankten und starben in den 1950er Jahren mehrere tausend Menschen. Dieses Ereignis war Jahrzehnte später der Anlass für das Inkrafttreten des Minamata-Übereinkommens zu Quecksilber.
Minamata-Konvention
Die 2013 beschlossene Minamata-Konvention ist das Ergebnis der seit den 1970ern anhaltenden Bestrebungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), die anthropogenen Quecksilberbelastungen zu reduzieren. Das seit August 2017 in Kraft getretene Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag mit dem Ziel, die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor den anthropogenen Einflüssen von Quecksilber und Quecksilberverbindungen zu schützen. Bis Ende September 2021 waren 134 Vertragsstaaten dem Übereinkommen beigetreten. Sitz des Sekretariats der Minamata-Konvention ist in Genf bei den Vereinten Nationen.
Mit dem beschlossenen Green Deal zielt die Europäische Kommission auf eine giftfreie Umwelt ab, dabei orientiert sie sich bei Quecksilber an der Minamata-Konvention. Im Mai 2021 verabschiedete die Europäische Kommission den Zero Pollution Action Plan (ZPAP, 2021), um Verschmutzungen besser zu vermeiden, zu beseitigen, zu überwachen und darüber zu berichten. Eines der Ziele dieser Politikentwicklung ist es, den aktuellen Stand der diffusen Bodenverschmutzung (z.B. einschließlich Schwermetalle, dazu gehört auch Quecksilber) besser zu überwachen und die Gewässerverschmutzung durch Sedimente abzuschätzen.
EU-weites Amalgam-Verbot in Zahnarztpraxen
Zurück zur Zahnarztpraxis: Amalgamfüllungen bestehen zu über 50 Prozent aus Quecksilber und die durchschnittliche Quecksilber-Menge pro Amalgamfüllung beträgt weniger als ein Gramm. Die Europäische Union ist der größte Verbraucher von Quecksilber für Zahnfüllungen weltweit – der Konsum liegt bei schätzungsweise 75 Tonnen jährlich. In Deutschland lag der Quecksilber-Einsatz in der Zahnmedizin bei drei Tonnen pro Jahr. Etwa 1.000 Tonnen Quecksilber befindet sich nach Schätzungen der IG Umwelt Zahnmedizin, die sich für das Verbot eingesetzt hatte, in Mündern der europäischen Bevölkerung. Um die Umwelt und die Gesundheit der Menschen vor der Belastung mit Quecksilberemissionen zu schützen, hat die EU-Kommission im Januar 2024 entschieden, Amalgam als neue Zahnfüllung ab 2025 ganz zu verbieten. In Deutschland gilt dieses Verbot schon ab Januar 2025, da Alternativen zur Verfügung stehen. Dieses Verbot dürfte einen kleinen Teil zur sinkenden Belastung der Oberflächengewässer und Böden mit Quecksilber beitragen, vergleicht man aber die verschiedenen Eintragspfade insbesondere in der Industrie, dann sind die Verbote in den Zahnarztpraxen nur Tropfen auf dem heißen Stein.
Übrigens wird Quecksilber auch in hautaufhellenden Cremes verwendet. Die dort eingesetzten Quecksilberverbindungen überschreiten die festgelegten Grenzwerte oftmals um ein Tausendfaches, was eine Gefahr für Menschen und Umwelt darstellt. Zwar sind sie in der EU verboten, wer aber diese Kosmetika beispielsweise online aus China oder anderen Nicht-EU-Staaten bezieht, sollte vorsichtig sein.
Quellen und weiterführende Informationen
- Veranstaltungs-Website zum QUISS-Symposium am 5.12.2024 (einschließlich Vorträge)
- Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber, Europäische Kommission, 2005
- Quecksilber: Rat und Parlament erzielen Einigung über ein schrittweises Quecksilberverbot in der EU, Rat der Europäischen Union, Pressemitteilung, 8 Februar 2024
- Quecksilber-Regulierung der EU – Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EU) 2017/852 of the European Parliament and of the Council of 17 May 2017 on mercury as regards dental amalgam and other mercury-added products subject to manufacturing, import and export restrictions, 2024
- Green Deal, Europäische Kommission, 2021
- FITNESS CHECK of the most relevant chemicals legislation (excluding REACH), as well as related aspects of legislation applied to downstream industries, Europäische Kommission, 2019
- Steckbrief: Der Zero Pollution Action Plan, DNR Deutscher Naturschutz Ring, 2021
- Quecksilberemission aus Amalgamfüllungen, IG Umwelt Zahnmedizin, 2017
- Minamata-Konvention
- Verbot quecksilberhaltiger Kosmetika – internationale Herausforderungen am Beispiel hautaufhellender Cremes, umwelt + mensch informationsdienst, Umweltbundesamt, 2024
- Mercury in European topsoils: Anthropogenic sources, stocks and fluxes, Panos Panagos e.a., Environmental Research, 2021
- Mercury pollution remains a problem in Europe and globally, EEA, 2018
- Mercury: a persistent threat to the environment and people’s health, EEA, 2018
Beitragsfto: Bild von Frank Rietsch auf Pixabay
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