NRW-Landeskartellbehörde veröffentlicht Sektorbericht zum Fremdwasserbezug

Diese „Wasserpreis“-Untersuchung hat sich die nordrhein-westfälische Landeskartellbehörde wahrlich nicht leichtgemacht. Ihr Ergebnis, der Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Fremdwasserbezug der nordrhein-westfälischen Wasserversorgungsunternehmen, liegt seit dem 6.11.2020 vor. Er liefert einige aufschlussreiche Ergebnisse, aber die Überraschung dürfte eine andere als die erwartete sein.

Umfassende Grundlagenarbeit zu Fremdwasserpreisen und den heterogenen strukturellen Bedingungen

Im Herbst 2016 hatte die Düsseldorfer Behörde angekündigt, Hinweisen von Wasserversorgern nachgehen zu wollen, die sich über zu hohe Preise ihrer Vorlieferanten beklagt hatten. Jetzt sind sie fertig. Nach umfassenden Datenerhebungen sowie intensiver Struktur- und Daten-Analysen liefert der letztendlich verfasste Bericht zur Sektoruntersuchung Fremdwasserbezug „weder eindeutige Ergebnisse zur Frage der Marktmacht noch Hinweise auf einzelne Unternehmen, die eventuell missbräuchliche Preise gegenüber ihren Weiterverteilern erheben“, heißt es im Fazit des 77-seitigen Papiers, das Interessierte auf der Website des NRW-Wirtschaftsministeriums abrufen können. Dabei ist es wiederum nicht überraschend, dass der Bericht zu dem Ergebnis gelangt ist, „dass der Vorlieferantenmarkt generell von heterogenen Strukturen geprägt ist, die eine simplen Rückschluss von Durchschnittspreisen auf missbräuchliche Preise nicht zulassen.“ Nicht anders als bei jenen Wasserpreisen, die Stadt- und Wasserwerke von ihren Endkunden verlangen, gibt es auch in diesem Sektor viele, wenn nicht sogar an einigen Stellen noch mehr strukturelle Unterschiede zwischen den Unternehmen. Während sich zumindest die Belieferung der Endverbraucher bei dem Dienstleistungsumfang kaum unterscheidet, sind die „Leistungsketten“ bei den Vorlieferanten unterschiedlich lang. So bieten einige Vorlieferanten neben der Belieferung zusätzliche Leistungen an (z.B. Druckhaltung, Speicherung, Leitungsmanagement etc.) an. In Folge dessen anerkennt die Behörde abweichende Preise. Aber auch eine weitere Erkenntnis dürfte für Aufmerksamkeit sorgen. Die Behörde räumt bei der Darstellung der Durchschnittspreise ein, dass anhand derer „kein fundierter Preisvergleich möglich ist, da hierbei keinerlei strukturelle Rahmenbedingungen berücksichtigt sind“.

Q: Sektoruntersuchung Fremdwasserbezug – Abschlussbericht gemäß § 32e GWB

Transparenter kartellrechtlicher Beurteilungsrahmen

Neben diesen Erkenntnissen hat die Untersuchung ein weiteres Ergebnis zur Folge: sie bietet eine transparente Grundlage für die zukünftige kartellrechtliche Beurteilung von Preisen für Fremdwasserlieferungen. So heißt es im Bericht, „die Sektoruntersuchung schafft eine belastbare Datengrundlage, mit der ein konzeptionelles Prüfraster für zukünftige Preisprüfungsverfahren in Fällen, in denen Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten vorliegen, entwickelt wurde.“

Ein Ziel der Untersuchung sei es gewesen, die vorhandene Marktstruktur und die vorherrschenden Wettbewerbsbedingungen zu ermitteln. Die Landeskartellbehörde hat dazu in einem aufwändigen Ermittlungsprozess 277 Marktteilnehmer (Vorlieferanten sowie Abnehmer) zu Unternehmensdaten, Informationen über strukturelle Rahmenbedingungen, Kostenstrukturen, Preisen sowie Lieferkonditionen befragt und mehr als 250 Lieferbeziehungen ausgewertet. Dazu galt es demnach herauszufinden, wie der entsprechende Markt abzugrenzen ist und wer die Marktakteure sind. Ein spezielles Augenmerk wurde dabei auf die Besonderheiten der Wasserwirtschaft und die dadurch bedingten Einflussfaktoren auf die Marktverhältnisse gerichtet. Darüber hinaus wurde im Hinblick auf vertragliche und gesellschaftsrechtliche Regelungen untersucht, ob sich hieraus Abhängigkeiten zwischen den 116 untersuchten Vorlieferanten und den von ihnen belieferten Weiterverteilern ergeben. Auch sei untersucht worden, wie die Abhängigkeiten möglicherweise Einfluss auf die Fremdbezugspreise haben und den Wettbewerb eindämmen. Im Hinblick auf Verhaltensweisen und Bezugsbedingungen, die möglicherweise den Tatbestand eines missbräuchlichen Verhaltens erfüllen können, sind der Landeskartellbehörde im Rahmen ihres Aufgreifermessens weitere Ermittlungsschritte möglich. Gleiches gilt für die Überprüfung besonders hochpreisiger Fremdbezugspreise im Hinblick auf das mögliche Vorliegen eines Preishöhenmissbrauchs.

Preisdifferenzen sind belegt, akuter Handlungsbedarf scheint nicht geboten

Die Sektoruntersuchung habe gezeigt, dass erhebliche Preisdifferenzen bei den Fremdbezugspreisen bestehen. In einigen Regionen mit einem besonders hohen Preisniveau sei nicht auszuschließen, dass Vorlieferanten mit besonderer Marktstellung missbräuchlich überhöhte Fremdbezugspreise setzen und damit gegen das Kartellrecht verstoßen. Auch wenn das zunächst beruhigend klingen mag, im Ergebnis kommt die Behörde zu folgender Ankündigung: „Im Hinblick auf die Fremdbezugspreise wird sich die Landeskartellbehörde beim Vorliegen entsprechender Beschwerden im Rahmen ihres Ermessens weitere Ermittlungsschritte vorbehalten. In einem möglichen Kartellverfahren müsste stets individuell im Einzelfall ermittelt werden, ob der Vorlieferant eine besondere Marktstellung innehat und diese (z.B. durch missbräuchlich überhöhte Fremdbezugspreise) ausnutzt. Zur abschließenden Beurteilung wären dementsprechend in einem kartellbehördlichen Verfahren noch weitere Ermittlungen erforderlich.

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