Kartellamt veröffentlicht Wasserpreisvergleich für Niedersachsen

Die niedersächsische Landeskartellbehörde hat heute erste Ergebnisse aus dem Trinkwasserpreisvergleich zum Stichtag 31.12.2019 vorgelegt und diese mit einer Pressemitteilung auf der eigenen Website bekanntgemacht. Die Entgelterhebung gewährt Einblick in einige Besonderheiten der Preispolitik von Wasserversorgern. Bemerkenswert ist auch das Abschneiden der Gebühren erhebenden Versorger. Die Befassung mit Wasserpreisen wird nach ersten Anfragen die Umstellung von Wasserpreissystemen auf höhere Grundpreisanteile nun auch in Niedersachsen beflügeln, was aus Sicht der Landeskartellbehörde, wie Frau Zimran, deren Leiterin mir soeben bestätigte, auch nachvollziehbar sein.

Wasserpreise sind im Schnitt um 19 Prozent seit 2009 gestiegen

„Die Untersuchung der Wasserpreise gibt einen Überblick über die Strukturen der niedersächsischen Wasserbranche und der Wasserentgelte beziehungsweise über deren Entwicklung seit der letzten Abfrage 2009. Sie bezieht neben den Preis erhebenden Wasserversorgern auch die Gebühren erhebenden mit ein, wenngleich die Kartellbehörde für etwaig überhöhte Gebühren nicht zuständig ist.

Insgesamt 114 Preise erhebende Wasserversorgungsunternehmen (WVU) mit 134 Tarifgebieten und 64 Gebühren erhebende WVU mit 68 Tarifgebieten haben Daten geliefert.

Im Schnitt bezahlten die Niedersachsen zum Stichtag 2,12 Euro pro m³ – netto (Anm: bezogen auf den häufigsten vorkommenden 80 m³-Verbrauchsfall, wie ich auf Nachfrage erfuhr). Im Vergleich zur Trinkwasser-Preisuntersuchung 2009 sind die Preise dieser Verbrauchsmenge um rund 19 Prozent gestiegen. Damals lag der Durchschnittspreis bei 1,78 Euro pro m³. Die Rangliste der Preise und Gebühren für Trinkwasser sind im Internet veröffentlicht. Nach Stichtagsende bis Juli 2020 haben 38 Wasserversorgungsunternehmen ihre Preise angehoben.

Regionale Preisunterschiede sind erkennbar

Die Preisunterschiede sind groß:

  • Der Unterschied bei einem Ein-Personen-Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von etwa 50 m³ beträgt 136 Euro: Für einen Ein-Personen-Haushalt im emsländischen Werlte kostet das Trinkwasser im Jahr durchschnittlich 54,50 Euro, während ein Ein-Personen-Haushalt in Vienenburg 190,50 Euro für dieselbe Menge bezahlt.
  • Während in Friedland ein Zwei-Personen-Haushalt durchschnittlich 282,40 Euro im Jahr bezahlt, sind es im emsländischen Werlte 69,60 Euro. Der durchschnittliche Jahresverbrauch eines Zwei-Personen-Haushalts liegt bei ca. 80 m³.
  • Bezogen auf einen durchschnittlichen Jahresverbrauch eines Einfamilienhauses von etwa 150 m³ liegen die Differenzen bei bis zu 394,50 Euro. Während der Haushalt eines Einfamilienhauses im emsländischen Werlte für 150 m³ Trinkwasser 103,50 Euro bezahlt, fallen im südniedersächsischen Friedland für dieselbe Menge Trinkwasser 498 Euro an.
TOP 10 der Auswertung des Landeskartellamtes für 150 Kubikmeter-Typfall
(blau = Wasserpreise / rot = Gebühren) Q: Landeskartellamt Abruf 29.7.2020

Hoher Preis allein bedeutet nicht Missbrauch. Es können gute Rechtfertigungsgründe vorliegen

Die Landeskartellbehörde kündigt daher an zu überprüfen, ob einzelne Wasserpreise missbräuchlich überhöht sein könnten. Dabei wird den WVU Gelegenheit geben, Rechtfertigungsgründe zu nennen. So können die Preise in dünn besiedelten Gebieten oder in Gegenden, in denen es auf Grund der Topographie aufwändiger ist, das Leitungsnetz zu betreiben, durchaus zu Recht teurer sein als in anderen Gegenden.

Anders als bei Strom oder Gas können Kunden bei Wasser nicht zwischen verschiedenen Anbietern wählen, sondern sind auf den örtlichen Versorger angewiesen. Die Untersuchung der Landeskartellbehörde bezieht alle WVU ein, die privatrechtliche Preise erheben. Die Gebühren erhebenden Wasserversorgungsunternehmen unterliegen der Kommunalaufsicht und werden kartellrechtlich nicht überwacht. Um einen Gesamtüberblick über die niedersächsischen Wasserpreise zu bekommen, wurde auch die Höhe der Gebühren abgefragt.“ Soweit die Pressemitteilung der Niedersächsischen Landeskartellbehörde.

Die Wasserversorger befassen sich intensiver mit ihrer Preispolitik

Große Überraschungen dürfte die Veröffentlichung der Wasserpreiserhebung nicht auslösen. Die Unternehmen, für die es bei der Landeskartellbehörde in Hannover letztlich Erklärungsbedarf geben kann, hatten sich schon im Vorfeld mit den Wasserpreisvergleichen befasst, schließlich ist das Vorgehen mit 2009/10 vergleichbar. Genau so will Frau Heike Zinram, die Leiterin der Kartellbehörde, auch vorgehen, wie sie mir telefonisch erklärte.

Dass sich die Befragung auf die Preisanpassungen der Unternehmen ausgewirkt haben, belegt die Tatsache, dass rund ein Drittel ihre Preise nach dem Stichtag der Preiserhebung angehoben haben. Von diesen Unternehmen hat die Kartellbehörde aber eine Nachlieferung angefordert.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass in allen haushaltsbezogenen Typfällen, also dem mit 50, 80 und 150 Kubikmetern Jahresabnahme, die Gebühren unter den „TOP 10“ durchschnittlich gleich stark vertreten sind. Auch diese Wasserversorger werden ihre Gründe für diese Entgelthöhe haben, aber der Unterschied zu den Wasserpreisen liegt darin, dass bei Gebühren die Landeskartellbehörde nicht zuständig ist. Wie die Zahlen zeigen, hat sich seit 2009 auch der Abstand zwischen den Gebühren und den Wasserpreise deutlich verringert. Waren es 2009 noch 15,5%, so sind es jetzt nur noch 8,7% Unterschied.

Es wird womöglich nur den Insidern aufgefallen sein, dass die Landeskartellbehörde im Vergleich zu 2009/10 einen neuen Typfall hinzugefügt hat. Mit dem „50-Kubikmeter-Typfall“ trägt sie der Zunahme an Ein-Personenhaushalten Rechnung, wie mir Frau Zinram erklärte. Das deckt sich durchaus auch mit unseren Erfahrungen in den Beratungsprojekten zur Wasserpreisumstellungen.

Ich beobachte mit meinen Kollegen seit mehreren Jahren die Preisentwicklungen in den verschiedenen Bundesländern. So stelle ich fest, dass es Versorger gibt, die über viele Jahre ihre Preise und Gebühren nicht anpassen. Bei meiner letzten Untersuchung im Jahr 2018 zeigte sich, dass jeder achte Versorger seine Preise seit mindestens 10 Jahren nicht mehr erhöht hatte. Hierbei mag man sich schon die Frage stellen, welche Effizienzreserven diese Versorger auszuschöpfen in der Lage sind, um ihre Preise trotz steigender Kosten im Bausektor, gestiegener Löhne und erforderlicher Investitionen stabil zu halten. Es sind aber diese Versorger, deren Preise in die Bildung des Durchschnitts der Wasserpreise Einzug halten. Zudem sind es die Versorger, die als Vergleichsunternehmen herangezogen werden, gegen deren Preise sich „auffällig“ erscheinende Versorger rechtfertigen müssen. Hier darf man allerdings getrost davon ausgehen, dass die Kartellbehörde die „Spreu vom Weizen“ trennen kann. Dennoch müsste auch zu geringen Preisen eine gewisse Aufmerksamkeit gewidmet werden, wenn sich in den betreffenden Versorgungsgebieten die Unzulänglichkeiten wie Versorgungsunterbrechungen oder Abkochgebote häufen sollten, was nach meinem Kenntnisstand in Niedersachsen allerdings nicht der Fall ist.

Es gibt noch andere Folgen der Kartellabfrage. Wir stellen in den letzten Monaten ein gesteigertes Interesse an Preisumstellungen auf das Systempreismodell fest. Das Interesse resultiert nicht unmittelbar aus der Aktivität des Kartellamtes, zumal wir immer darauf hinweisen, dass Wasserpreise nicht an kartellrechtlichen Typfällen ausgerichtet werden sollen. Es ist quasi ein „Kollateralnutzen“: Die Versorger haben sich in Folge der Abfrage verstärkt mit ihren Wasserpreisen befasst. Dabei haben sie erkannt, dass sie aus unterschiedlichen Gründen und nicht zuletzt auch wegen des Klimawandels verstärkt in die Versorgungssicherheit investieren müssen. Diese Kosten allein auf die Mengenpreise umzulegen, kann sich als riskant herausstellen. Mit einer Umstellung schaffen sie eine höhere Verursachungsgerechtigkeit und mehr Ausgewogenheit in der Kostentragung über alle Kunden. Deshalb steigt das Interesse an Preissystemen mit höheren Grund- oder Systempreisen. Die Leiterin der Landeskartellbehörde hat in der Untersuchung auch einen Trend zu einem höheren Grundentgelt erkannt, was sie auch „für total nachvollziehbar“ erachtet.

Man wird gespannt sein dürfen, was in den kommenden Tagen und Monaten folgen wird. Vermutlich wird die eine oder andere Tageszeitung morgen berichten, wie hoch die Mengenpreise in Niedersachsen sind. Erfahrungsgemäß ist der höchste und der niedrigste Wasserpreis die wichtigste Botschaft einiger Medien. Um ihnen die Arbeit zu erleichtern: 3,08 € je Kubikmeter und 0,49 €. Und nu?

Quellen/Weiterführendes

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