Kapstadts „Day Zero“ fällt aus. Was wir für „unseren Klimawandel“ daraus lernen können.

Unser Dürre-Sommer 2018 geht gerade zu Ende. Trockene Felder und saisonale Wassersparaufrufe in lokalen Zeitungen. Bei der Frage, wie man damit umgehen könnte, lohnt ein Blick auf den „Day Zero“ in Kapstadt. Der drohende Wasserstopp in der südafrikanischen Metropole erregte im Frühjahr globale Aufmerksamkeit und löste dort ein kollektives Wassersparen aus. Mit Erfolg: Dank geringerer Verbräuche und reichhaltigem Regen lockert Kapstadt zum 1. Oktober die geltenden Wasserbeschränkungen. Gleichzeitig werden die Vorratsabhängigen Wasserpreise gesenkt, denn in Kapstadt sind die Wassertarife an den Füllständen der Stauseen gekoppelt. Auch hierzulande arbeiten Wasserversorger und Fernwasserlieferanten an neuen Preissystemen. Der drohende Klimawandel schafft die Notwendigkeit und neue Zählertechnologien die Möglichkeit dynamischer Wasserpreise.

Das Schreckgespenst „Day Zero“

Wir blicken zurück: Im Winter 2017/18 sanken die Wasservorräte in der Cape-Region auf historisches Tiefstniveau – bis auf 30 Prozent. Der Regierung wurde bis dahin Missmanagement vorgeworfen, sie reagierte: mit rigorosen Mengenbegrenzungen und stark steigenden Wasserpreisen. Je geringer die Vorräte, desto höher die Preise und zwar gestaffelt nach Verbrauchergruppen – Preisimpulse, die beispielhaft werden könnten. Genau deshalb ist Kapstadt auch ein „Lehrstück“ für andere Weltregionen – vielleicht auch für Deutschland

Die ganze Welt wartete und die Kapstädter fürchteten ihn, den sogenannten „Day Zero“. An diesem Tag, zuletzt dem 8. Mai 2018, sollte es gar kein Wasser mehr geben. Mal gerade 50 Liter täglich durften sich die Kapstädter gönnen. Die Fotos von Menschen mit Wasserkanistern vor den öffentlichen Brunnen wanderten durch die Medien. Sogar die ARD-Tagesthemen nahmen das Thema in die beste Sendezeit auf. Kapstadt bekam die weltweit erst „Wasserpolizei“, Beamten kontrollierten die Einhaltung der Vorschriften, zum Beispiel Autos nicht zu waschen oder Garten nicht zu bewässern. Auch Anzeigen von Nachbarn gingen sie auch, um danach drakonische Strafen verhängen zu können. Die sozialen und die staatlichen Kontrollen waren unerbittlich. Der Day Zero schwebte wie ein Damoklesschwert-Schwert über der Region. Auch der Tourismus war betroffen, wenngleich es hierfür zahlreiche Ausnahmeregelungen gab.

Was verbraucht mein Nachbar? – Soziale Kontrolle mit „City Water Map“

10.500 Liter Wasser je Wohnung monatlich ist die magische Grenze – die „Wasserverschwender“ von den Sparern trennt. Umgerechnet 350 Liter, d.h. sieben Personen, wenn man die 50 Liter täglich unterstellt, würden auf diese zulässige Wassermenge kommen.

Während in manchen deutschen Kommunen die Wasserversorger auch mit noch so guten Argumenten erfolglos bei dem Versuch bleiben, die Kunden von den Vorteilen digitaler Funkwasserzähler zu überzeugen, haben die Kapstädter aus der Not heraus einigen rigorosen Weg eingeschlagen. Mit der interaktiven City Water Map kann sich jeder im Internet vergewissern, dass die Wassersparvorschriften ernst genommen werden. Mit farbigen Punkten wird für alle sichtbar gemacht, ob in einem Haus viel oder wenig Wasser verbraucht wird und ob es vermeintliche Wasserverschwender gibt. Zu dieser Gruppe, die mit Schmach überzogen werden soll, zählen all jene die mehr als die zulässige Obergrenze von 10.500 Liter im Jahr verbrauchen. Überwacht wird die Wasserabnahme mit Wasserzählern und auch nur in Wohngebäuden. Gewerbe- und Industriebetriebe sind nicht erfasst. Aber nicht überall sind Zähler installiert, und auch Schätzungen gibt es und ganz viele Ausnahmen. Wer zu bestimmten Bevölkerungsgruppen zählt oder in bestimmten Stadtvierteln wohnt, bezieht sein Wasser kostenlos – soweit er bestimmte Mengen nicht überschreitet.

Die Wasserpolitik hat Erfolg und Wassertarife sinken wieder

Die Wasserpolitik hatte Erfolg. Der Day Zero blieb aus. Die Kapstädter hatten die Warnung verstanden. Dann kam ihnen noch das Wetter zu Hilfe. Nach der schlimmsten Dürre in der jüngeren Geschichte nähern sich Kapstadts Wasservorräte dank reichhaltigen Regenfällen in der Winterzeit Staudämme auf aktuell 74% ihrer Speicherkapazität (24.9.2018) – eine deutliche Verbesserung gegenüber der 38% Kapazität, die am Ende des letzten Winters verzeichnet wurde. Bis auf einen Stausee haben fast alle anderen schon 90% erreicht. Entwarnung für 2018!

Speichervolumen der Stauseen in der Cape-Region im Internet

Die Politik lockert jetzt die Zügel, denn die Restriktionen haben gegriffen. Auch das Krisenmanagement und die investiven Maßnahmen wie die Beseitigung der Leckagen haben gewirkt. Besondere Aufmerksamkeit dürften Kommunikation und Preispolitik erzeugen, sie werden auch in anderen Weltregionen mit Interesse analysiert.

Jetzt geht es Kapstadt von der Krisenstufe 6 auf die Stufe 5. Damit treten an 1.10.2018 zahlreiche Lockerungen in Kraft:

  • Die Wasserverbrauchsgrenze wird von 50 Litern pro Person pro Tag auf 70 Liter pro Person pro Tag erhöht.
  • Das Wasserverbrauchsziel der Stadt wird von 450 Millionen Liter pro Tag auf 500 Millionen Liter pro Tag erhöht.
  • Die Beschränkungen für gewerbliche und industrielle Wassernutzer und Agrarbetriebe werden deutlich gelockert, statt 50 Prozent Einsparung im Vergleich zu 2015 sind nur noch 40 Prozent weniger Wasserverbrauch gefordert.
  • Die Wassertarife werden gesenkt.

Die Wassertarife sind wirklich eine Besonderheit in Kapstadt. Sie sind in Stufen an dem Vorratsniveau der Stauseen gekoppelt, d.h. je geringer der Wasserstand (siehe Lebensraumwasser hier), desto höher die Wassertarife. Bisher galt die Stufe 6. Gestaffelt werden die Tarife nach Verbrauchergruppen und nach Verbrauchsklassen. Kleinverbraucher zahlen weniger, Großverbraucher mehr. Jetzt wurden sie gesenkt. So zahlen Kleinverbraucher von bis zu 6.000 Liter im Jahr statt 1,71 Euro je 1.000 Liter nur noch 1,25 Euro und größere Haushalte mit mehr als 10.000 Liter nunmehr statt 7,11 Euro nur noch 3,10 Euro je 1.000 Liter, also weniger als die Hälfte. „Großverbraucher“ nach südafrikanischen Maßstäben mit mehr als 34.000 Liter im Jahr zahlen statt 59,21 Euro (!!) je 1.000 Liter „nur“ noch 17,74 Euro.

Zur Veranschaulichung ein von mir sonst gemiedener Vergleich: Eine Person in Deutschland bezieht vom lokalen Versorger durchschnittlich rund 40.000 Liter im Jahr. Während hierzulande rund 100 Euro Kosten anfallen (je nach Haushaltsgröße, Grundpreisanteil etc.), wären dafür in Kapstadt ab 1.10.2018 fast 710 Euro fällig. Auch wenn dieser Betrag hoch erscheint, bisher mussten dafür fast 2.400 Euro gezahlt werden – im Jahr versteht sich.

Brauchen wir dynamische Preissysteme?

Noch haben wir in vielen Regionen Deutschlands ausreichend Wasser, aber in einigen Regionen wird es eng. Die Wassersparappelle sind vielerorts noch gültig. Schon zeigt sich, dass diese nicht überall ausreichend sein werden. Die Kostendeckung der Wasserpreise ist schon problematisch. Auf hohe Mengenpreise zu setzen, wirft die Branche in die alten Probleme zurück. Kostendeckung für Infrastrukturen muss mit hohen Grundpreisanteilen gewährleistet werden. Ein großes Problem ist die Vorratshaltung. Immer mehr Kunden sichern ihre Spitzenbedarfe – sei es klimabedingt oder wegen des Ausfalls eigener Anlagen – über den Wasserlieferanten ab. Gerade Fernwasserversorger und Industrieversorger geraten so unter Druck. Sie müssen in die Vorratshaltung investieren. Sie werden gegensteuern müssen, denn sonst werden diese Kosten solidarisiert. Das verstößt aber gegen die Verursachungsgerechtigkeit und gegen das Äquivalenzprinzip. Die Vorratshaltung für atypische Systemnutzung sollte sich daher auch in den Entgelten widerspiegeln. Das einfache Prinzip von „statischem, fixem Grundpreis als Jahresentgelt und variablen Verbrauchspreis“ wird an seine Grenzen stoßen. Wasserpreise müssen dynamischer werden. Die Anreize sollten wirken können. Die neuen Zählertechnologien eröffnen die Möglichkeit, die Systemnutzung zeitlich differenziert zu erfassen. Nicht alles was machbar ist, sollte umgesetzt werden, es in Szenarien vorzudenken dagegen schon. Noch sind es erst Gedanken, auf die man kommt, wenn man das Lehrstück „Day Zero“ betrachtet….

Weiterführendes und Quellen

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